VfB Stuttgart:Zwischen Jubel und Chancentod

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Der Argentinier Nicolas Gonzalez schießt den VfB Stuttgart zum ersten Auswärtssieg in dieser Zweitliga-Saison - und zugleich zur Tabellenführung. Doch danach verfällt er auch in Regensburg schnell wieder in alte Muster.

Von Anna Dreher, Regensburg

Vor ein paar Tagen ist Nicolas Gonzalez noch in Argentinien gewesen. Er hat dort mit der U23-Nationalmannschaft seines Heimatlandes erst gegen Boliviens U21 und dann gegen Kolumbiens U23 gespielt. 5:0 und 3:1 haben die Argentinier gewonnen. Das war natürlich vor allem wichtig für jene Spieler, die im Stadion Diego Armando Maradona in Buenos Aires auf dem Platz standen. Es war aber auch ziemlich wichtig für den 11 425 Kilometer entfernten VfB Stuttgart. Weil das zurzeit ohnehin ganz gute Selbstbewusstsein von Gonzalez nun noch ein bisschen besser ist. Gegen Kolumbien war es ein Tor von ihm, dass die Argentinier zurück ins Spiel brachte. Und am Samstag beim SSV Jahn Regensburg erzielte er nach einem zähen Start die wichtige Führung, die Basis für das 3:2 (1:0), für den ersten Auswärtssieg des VfB in der zweiten Fußball-Bundesliga. Die Stuttgarter übernehmen damit zumindest für zwei Nächte die Tabellenführung vor dem Hamburger SV, der am Montag zum Derby gegen den FC St. Pauli antritt.

"Ich habe gerade sehr viel Selbstvertrauen. Ich weiß, dass ich dieses Jahr viel geben kann", sagte Gonzalez am Samstagnachmittag in den Gängen der Regensburger Arena. "Die vielen Trainerwechsel haben meinem Spiel nicht gutgetan. Aber der neue Trainer hat mir viel Zuversicht gegeben." Gonzalez hat schon unter den glücklosen Tayfun Korkut, Markus Weinzierl und Nico Willig für Stuttgart gespielt, und offenbar ist es nun Tim Walter, unter dem er sich für Größeres berufen fühlt.

Der 21 Jahre alte Angreifer hat auch in Regensburg wieder das ganze Repertoire seines fußballerischen Könnens gezeigt, gespickt mit kuriosen Anwandlungen und Aussetzern, für die er inzwischen bekannt ist. In dieser Saison kennt man ihn aber eben auch für seine Tore. In vier Zweitligaspielen hat Gonzalez drei Mal getroffen, gegen St. Pauli, gegen Bochum und nun gegen Regensburg. Es war die erste wirkliche Chance, die er dabei nutzte mit einer bemerkenswerten Effektivität. Ein geblockter Eckball landete bei dem Argentinier, der reaktionsschnell abzog - und aus 18 Metern ins untere linke Eck traf. Führung, Erlösung, so muss sich das angefühlt haben.

Gonzalez bleibt eine gewisse Wundertüte von Spieler

Denn anfangs wirkte es, als würden die Stuttgarter an diesem Nachmittag vor den 15 210 Zuschauern den Weg aus ihrer eigenen Hälfte nicht finden. Als hätten sie eine Klausel in ihren Verträgen stehen, die eine Belohnung für besonders viele Ballberührungen versprach, egal, ob diese im Sinne eines Spielaufbaus sind oder nicht. Walter will Ballbesitzfußball von seiner Mannschaft sehen, aber in der Form ist er nicht zufrieden damit gewesen. "Wir haben sehr langsam und fahrig gespielt, so kam mir das vor, das waren vielleicht 80 Prozent", sagte Walter. "Der Gegner hatte einen Plan und wir haben da nicht gut verteidigt. Und um das 1:1 haben wir ja geradezu gebettelt."

Das war tatsächlich der Nachteil des Treffers von Gonzalez: dass seine Mitspieler und auch er selbst danach unkonzentriert wurden. Und Gonzalez trat, nachdem er erst als Torjäger bejubelt wurde, wieder als Chancentod und zu hektisch in Erscheinung. Weil er offenbar auch unter Walter noch immer diese Wundertüte von Spieler ist.

Die Möglichkeiten, die sich Gonzalez noch boten, nutzte er nicht. Regensburg schon. Nach dem Ausgleich des früheren Stuttgarters Max Besuschkow, der in der 71. Minute einen Elfmeter verwandelte, entdeckten dann aber Holger Badstuber per Kopfball zum 2:1 (76.) und der frühere Regensburger Hamadi Al Ghaddioui (90.+2) den Torschützen in sich. Dass den Gastgebern durch Federico Palacios (90.+3) das 2:3 und Sekunden später fast noch der Ausgleich gelang, konterkarierte das vorherige Aufwachen nach einem verschlafenen Start. "Uns fehlt die Effektivität, um das Spiel früher auf unsere Seite zu ziehen", sagte Stuttgarts Sportdirektor Sven Mislintat noch. "Da hat der Rhythmus gefehlt, wir haben es uns selbst zu schwer gemacht." Er sprach da natürlich über alle Spieler des VfB. Aber es waren Sätze, die Mislintat an diesem Tag auch nur auf Nicolas Gonzalez hätte beziehen können.

© SZ vom 15.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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