VfB Stuttgart: Shinji Okazaki:Auf der Kagawa-Welle

Mit rechts, mit links, mit dem Kopf: Stuttgarts neuer Stürmer Shinji Okazaki glänzt beim Asien Cup in Katar. Die Konjunktur für japanische Spieler in der Bundesliga ist verblüffend - und die Preise steigen.

Christof Kneer

In der achten Minute des Asien-Cup-Spiels Japan gegen Saudi Arabien kam ein weiter Ball aus dem Mittelfeld geflogen, Shinji Okazaki lauerte, startete und als ihm der gegnerische Keeper entgegen rannte, hob er das Bällchen ganz fein mit dem rechten Füßchen übers Torwartchen ins Netzchen.

107938874

Gerade beim Asien Cup, bald in Stuttgart: Japans Stürmer Shinji Okazaki.

(Foto: AFP)

In der 13. Minute kam eine Flanke aus dem Halbfeld geflogen, Okazaki schlich hinter seinem Verteidiger hervor, warf sich in die Schussbahn und wuchtete den Ball per Flugkopfball ins Tor. In der 80. Minute erkämpfte sich Okazaki im Strafraum den Ball, er legte den Ball rüber zum Mitspieler, bekam ihn zurück, zog ihn mit der linken Sohle um den Verteidiger herum, drehte sich und drosch ihn mit links ins Netz.

Wer Stürmer ist und gekauft werden möchte, der sollte schleunigst so ein Video produzieren. Er könnte auch das von Okazaki nehmen und seinen eigenen Kopf hineinmotieren, es würde dann nicht sehr lange dauern, bis ernst gemeinte Zuschriften von Agenten und Vereinen eingehen. Auf diesem Video ist alles drauf, was ein Stürmer können muss: ein Tor mit rechts, eins mit dem Kopf, eins mit links. Ein Tor mit Gefühl, eins mit Gewalt, eins mit Geschick auf engem Raum.

Shinji Okazaki, 24, muss nicht mehr gekauft werden, er ist schon vergeben. Er muss für Japan noch den Asien-Cup zu Ende spielen, dann wird er ein Flugzeug besteigen und mitten im deutschen Abstiegskampf landen. Kurz vor dem Turnier in Katar hat er sich dem VfB Stuttgart versprochen, nur der Medizincheck fehlt noch, dann ist der Transfer offiziell. Okazaki wechselt dann zu einem Klub, der im August öffentlich erklärte, der japanische Markt sei nicht interessant.

Die Liga wusste damals noch nicht, was sie heute weiß. Im August hielt die Liga den Dortmunder Shinji Kagawa noch für ein Phänomen der ersten Spieltage, für ein putziges Dribblerchen, dem im kompakten deutschen Fußball schon noch die Lust vergehen werde. Heute weiß die Liga, dass es Kagawas Gegenspieler sind, denen die Lust vergangen ist. Kagawa ist jetzt auch beim Asien Cup, er steht mit Okazaki im japanischen Team, das Saudi Arabien 5:0 besiegte, von ihm kam die Flanke in der 13. Minute.

"Nicht jeder ist ein Kagawa"

Kagawa hat jene fernöstliche Welle ausgelöst, auf der die Liga seitdem reitet. Noch sind die Japaner billig, aber es geht jetzt um Tage und Wochen. Mit jedem guten Japaner, der ins Land kommt, steigen die Preise, und in Stuttgart sind sie stolz, dass sie sich diesen Okazaki vor dem Asien Cup gesichert haben, ablösefrei.

"Es muss jedem klar sein, dass nicht jeder Japaner ein Kagawa ist", sagt Guido Buchwald, der als Trainer lange in Japan gearbeitet hat, "aber Okazaki konnte ich mit gutem Gewissen empfehlen." Sein alter Kumpel Fredi Bobic, inzwischen Manager beim VfB, hat ihn um eine Expertise gebeten, nachdem der Spielerberater Thomas Kroth den Namen beim VfB platziert hatte. "Okazaki ist ein Torjäger, er braucht wenige Chancen, um zu treffen", sagt Buchwald, "aber er ist auch flexibel, er kann vorne alle Positionen spielen."

Okazaki zählt zur Generation der jungen Japaner, "die burschikoser und frecher sind als früher", wie Buchwald sagt. Diese Generation entschuldigt sich nicht mehr, wenn sie versehentlich einen Gegner stolpern lässt, sie verbeugt sich nicht mehr, wenn sie selbst gefoult wird. Okazaki ist so furchtlos, dass er trotz einer Körpergröße von 1,74 Metern als Kopfballspezialist gilt. "Kopfballspiel hat auch mit Mut zu tun", sagt Buchwald, "und davon hat dieser Bursche jede Menge."

Fredi Bobic hat sich das 5:0 gegen Saudi Arabien im Fernsehen angesehen, er hat sich still gefreut und trotzdem findet er, dass die Japaner das Viertelfinale gegen Katar nicht dringend gewinnen müssen. Je eher Okazaki ausscheidet, desto eher kann er seinen rechten Fuß, seinen linken Fuß und seinen Kopf dem Stuttgarter Abstiegskampf zur Verfügung stellen.

Aber beim VfB würden sie es schon auch akzeptieren, wenn Okazakis Dienstreise bis zum übernächsten Wochenende dauert. Sie bekämen dann womöglich einen torgefährlichen, flexiblen, furchtlosen Asien-Cup-Sieger.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: