1:5-Niederlage in Leipzig:Nach der Pause bricht Stuttgart auseinander

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Frust pur: Viel zu viele Gegentore erhielt der VfB Stuttgart gegen Leipzig in der zweiten Halbzeit. (Foto: Cathrin Müller/Pressefoto Baumann/Imago)

Schon wieder im gleichen Film? Eine Halbzeit lang spielt der VfB wie ein Tabellenführer, dann wie ein Abstiegskandidat. Das 1:5 in Leipzig illustriert gut, wo beide Teams stehen.

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Man musste nur in das resignierende Gesicht von Sebastian Hoeneß blicken, dann sah man schon, dass ihm der Verlauf des Abends nicht gefiel. Wie ein Kinobesucher wirkte Stuttgarts Trainer Mitte der zweiten Halbzeit, der sich denselben Film zum wiederholten Mal anschaut und daher nicht mehr überrascht ist von der Wende im zweiten Akt, die die Handlung auf den Kopf stellt.

Hoeneß nämlich kennt diesen VfB-Film bereits aus der Endphase der vergangenen Saison, in der die Stuttgarter in der Relegation die Klasse hielten, obwohl sie teilweise spielten, als wären sie zu weitaus höherem fähig.

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In Leipzig war das erneut der Fall, 45 Minuten lang wirkte der VfB wie ein Tabellenführer, der sich so einen Titel vielleicht sogar verdient hatte, dann aber brach alles auseinander. Das 5:1 für RB Leipzig wurde schließlich zu einer frühen Standortbestimmung in der Saison - für beide Mannschaften. "Das ist schon krass, was Leipzig dann gespielt hat. Das muss man neidlos anerkennen, das war schon richtige Qualität", sagte Hoeneß nachher: "Das konnten wir heute nicht aufhalten."

Stuttgarts Halbzeitführung war sogar verdient

Dabei hatte es in der ersten Halbzeit noch ganz anders gewirkt. Die Leipziger waren bemüht, Lücken zu finden, scheiterten aber immer wieder an einer gut gestaffelten Stuttgarter Defensive, aus der heraus die Schwaben schließlich mutiger wurden. Die beste Chance vergab Stürmer Serhou Guirassy in der 35. Minute, doch keine 30 Sekunden später bekam er erneut eine Einladung: Außenverteidiger David Raum spielte einen katastrophalen Fehlpass in die Füße von Atakan Karazor, dessen Zuspiel zu Guirassy zum 1:0 führte. Die Halbzeitführung war durchaus verdient, Stuttgarts aktive Spielidee klar erkennbar - aber eben nicht dauerhaft.

Leipzig nämlich kam mit viel Energie aus der Kabine und profitierte dann ebenfalls von einem Stuttgarter Fehler: Eine Klärung von Torwart Alexander Nübel blockte Benjamin Hendrichs ins Tor - und in den Folgeminuten konnte man dem VfB zuschauen, wie er unter dem Leipziger Druck in seine Einzelteile zerfiel. Das 2:1 erzielte Dani Olmo sehenswert per Drehschuss im Strafraum (63. Minute), Lois Openda (66.), Kevin Kampl (74.) und Xavi Simons (76.) erhöhten im regelmäßigen Takt.

Innerhalb von 30 Minuten war aus dem Tabellenführer Stuttgart wieder der Abstiegskandidat VfB geworden, bei dem dieselbe Symptomatik erkennbar ist wie schon im Vorjahr: Eine kleine Verunsicherung reicht aus, um das System ins Wanken zu bringen, in diesem Fall war es vor allem Nübel, der die Defensive in eine Krise führte. Seinem Patzer vor dem 1:1 folgte zwei Minuten später ein erneuter Fehler, der nur deshalb nicht zum 2:1 führte, weil Openda knapp im Abseits stand. "Irgendwas ist da passiert in der Mannschaft, das müssen wir analysieren. Danach haben wir uns ein bisschen gehen lassen, das darf uns nicht passieren", sagte Kapitän Waldemar Anton bei Dazn.

RB Leipzig auf der anderen Seite hat eine Offensive, die dank der Ausnahmespieler Olmo, Openda und Simons in herausragender Frühform ist. Trainer Marco Rose hatte dem Dreiergespann diesmal statt Timo Werner den körperlich etwas wuchtigeren Neuner Youssouf Poulsen zur Seite gestellt, was vor allem in der zweiten Halbzeit gut funktionierte, als Leipzig nach der Führung etwas mehr Raum bekam.

32 Spieltage bleiben Hoeneß nun, um das Drehbuch umzuschreiben

Rose, der nach der Niederlage zum Auftakt gegen Leverkusen schon gewarnt hatte, dass seine Mannschaft nicht so gut sei, wie sie teilweise gemacht werde, dürfte sich diesmal bestätigt fühlen: Das 5:1 nämlich war nur über 45 Minuten eine hervorragende Leistung, zuvor deuteten sich Probleme gegen tief stehende Mannschaften an, die Leipzig beheben muss. "Gefühlt müssen wir immer erst unsere Fesseln ablegen, manchmal brauchen wir ein Gegentor, damit wir nichts mehr zu verlieren haben", sagte Kapitän Willy Orban.

Ein wenig wirkte es allerdings auch wie die Wiederholung des Saisonstarts 2021/22, als Stuttgart nach einem 5:1 zum Auftakt gegen Fürth nach Leipzig reiste und dort eine deutliche Niederlage kassierte. Hoeneß war damals Trainer der TSG Hoffenheim, aber über den restlichen Saisonverlauf der Stuttgarter - samt Rettung in letzter Sekunde - dürfte er dennoch Bescheid wissen. Die gute Nachricht: 32 Spieltage bleiben Hoeneß, um das Drehbuch umzuschreiben für einen Film, der sich so in Stuttgart nicht wiederholen sollte.

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