VfB Stuttgart: Pawel Pogrebnjak:Ein bisschen Gomez

In Pawel Pogrebnjak hat der VfB Stuttgart endlich einen neuen Mittelstürmer gefunden. Eins zu eins ersetzen kann der Russe den abgewanderten Mario Gomez aber nicht.

Johannes Aumüller

Neulich erst ist Pawel Pogrebnjak zu einem Schnäppchenpreis verhökert worden, nur zirka 20.000 Euro hat er gekostet. Auf einem großen Gemälde aus Öl hatte der Künstler Igor Koschewnikow den 25-jährigen Angreifer dargestellt - wenn auch in einer Pose, die mit Fußball nicht viel am Hut hatte. In einer alten Ritterrüstung pinselte Koschewnikow die Gestalt des Angreifers auf eine Leinwand, mit Reiterfahne, Schwert und der lateinischen Aufschrift "Veritas vincit"(die Wahrheit siegt).

VfB Stuttgart: Pawel Pogrebnjak: Pawel Pogrebnjak verstärkt den Angriff des VfB Stuttgart.

Pawel Pogrebnjak verstärkt den Angriff des VfB Stuttgart.

(Foto: Foto: Getty)

Eigentlich wollte er das Bild für einen guten Zweck verkaufen, doch offenbar war die Verbindung zwischen Fußballer und Ritterkostüm selbst eingefleischten russischen Fans zu weit hergeholt. Niemand wollte das Bild haben. Da kaufte es Pogrebnjak eben selbst.

Überstandener Medizincheck

Somit unterschieden sich der Pogrebnjak in Öl und der Pogrebnjak in echt also in zwei wesentlichen Punkten. Erstens gab es für den Pogrebnjak in echt ein paar mehr Interessenten, und zweitens kostete der Pogrebnjak in echt ein bisschen mehr Geld. Für eine Ablösesumme, die laut VfB-Sportdirektor Horst Heldt "keine fünf Millionen Euro" betrage, wechselt der Angreifer trotz diverser Angebote englischer Klubs von Zenit St. Petersburg nach Stuttgart, wo er einen Dreijahresvertrag unterzeichnete. Andere gehandelte Summen dementierte Heldt entschieden: "Pawel hätte nur noch sechs Monate Vertrag gehabt, da wären zehn Millionen eindeutig zu viel."

Schon lange hatte Pogrebnjak einen Wechsel ins Ausland forciert - stets scheiterten die Versuche der Petersburger Verantwortlichen, den zum Jahresende auslaufenden Vertrag (in Russland wird nach dem Kalenderjahr gespielt) mit ihm zu verlängern. "Stuttgart hat sich sehr intensiv bemüht", begründete Pogrebnjak nun seine Wahl. "Das ist ein Klub mit einer großen Geschichte und einem jungen und ambitionierten Trainer."

Die Stuttgarter haben mit diesem Transfer jedenfalls einen Nachfolger von Mario Gomez gefunden. Wobei die VfB-Fans nach den zuletzt angekündigten Zugängen namhafter Stürmer, die aber doch nicht erschienen (Demba Ba, Milan Jovanovic, Klaas-Jan Huntelaar), an die Verpflichtung wohl erst glauben werden, wenn der Russe Tore schießt. So lange dürfte der Stuttgarter Anhang erst einmal diskutieren, inwiefern Pogrebnjak tatsächlich Nachfolger von Gomez werden kann, der zuletzt 24 Bundesligatore erzielte.

Mit Ritterrüstung auf dem Platz

Von der Statur ähnelt er seinem Vorgänger durchaus, in Sachen Körpergröße liegt er mit seinen 1,88 Metern nur einen Zentimeter hinter Gomez zurück. Und dass der gebürtige Moskauer über gewisse fußballerische Qualitäten (Physis, Einsatzfreude, Schussstärke) verfügt, ist unbestritten. In Deutschland hat er sich vor allem in zwei Spielen der Uefa-Pokal-Saison 2007/08 einen Ruf erworben. Damals setzte sich Zenit St. Petersburg im Halbfinale gegen Bayern München durch (1:1, 4:0), und der blonde Angreifer steuerte zwei Treffer bei.

Nicht so präsent ist hingegen ein anderes Spiel der besagten Uefa-Pokal-Saison gegen eine deutsche Mannschaft: Beim 2:2 in der Zwischenrunde gegen Nürnberg schoss Pogrebnjak zwar ein Tor, verstocherte zugleich aber mehrere Gelegenheiten so ungelenk, als trage er auch auf dem Platz eine Ritterrüstung. Dass sein bisheriger Trainer Dick Advocaat ihn nun mit lobenden Worten ("Pawel ist der geborene Vollstrecker, manchmal bekommt er erst in der letzten Spielminute eine Chance, die nutzt er dann") verabschiedete, mag manchen Petersburger amüsiert haben; denn dort ärgerten sie sich des Öfteren über von ihm vergebene Chancen.

Auf der nächsten Seite: Warum Pogrebnjak bisher noch nicht konstant gute Leistungen zeigte und welche Probleme ihn in der Bundesliga erwarten könnten.

Die neue Stuttgarter Offensiv-Last-Verteilung

Auch wenn Pogrebnjak 2007 mit elf Treffern einen gewichtigen Anteil an der Meisterschaft von Zenit hatte und gemeinsam mit Luca Toni die Torjägerkrone des Uefa-Cups 2007/08 gewann - dass er auf hohem Niveau konstant gute Leistungen bringen kann, hat Pogrebnjak bislang noch nicht bewiesen. Das liegt vielleicht auch an einer Verletzung, die er Ende Mai 2008 in einem Länderspiel gegen Serbien erlitt, die ihn die Teilnahme an der EM kostete und nach der er nicht mehr so richtig in Tritt kam.

Seine Trefferquote war sowohl in seinen bisherigen Klubs als auch in der Nationalmannschaft ordentlich, aber keineswegs überragend. Für Russland traf er seit 2006 in acht Länderspielen dreimal, für Zenit seit 2007 in 54 Ligapartien 21 Mal; in der aktuellen Spielzeit war er bei elf Einsätzen viermal erfolgreich. Manche Beobachter erklären Pogrebnjaks starke Auftritte 2007 und 2008 vor allem mit dem damaligen Offensivpartner Andrej Arschawin, der nun bei Arsenal spielt.

Zudem bleibt abzuwarten, ob und wie schnell sich Pogrebnjak in der Bundesliga akklimatisieren kann. In Russland erhalten Spieler bereits für durchschnittliche Leistungen viel Geld und Lob und sind zudem nur in wenigen Saisonspielen wirklich gefordert, weil in der heimischen Premjer-Liga rund die Hälfte der Mannschaften leistungsmäßig deutlich abfällt. Bei Zenit kassierte der Nationalspieler offenbar rund 1,2 Millionen Euro im Jahr.

Mit der Umstellung auf den westeuropäischen Fußball und die westeuropäische Atmosphäre hatten schon mehrere russische Spieler Probleme - zuletzt Roman Pawljutschenko, der nach einer überzeugenden EM 2008 zu Tottenham wechselte, sich dort aber nicht durchsetzen konnte. Vielleicht kommt es Pogrebnjak zupass, dass die Schwaben fast zeitgleich den Weißrussen Aliaksandr Hleb verpflichteten.

Die Stuttgarter Verantwortlichen jedenfalls versuchen schon, dem Neuen die Bürde der Gomez-Nachfolge zu nehmen: "Mit Pogrebnjak ist ein Stürmer gekommen, der anders ist als die drei anderen Stürmer. Man tut ihm aber keinen Gefallen, ihn mit Mario Gomez zu vergleichen. Er ist ein eigener Stürmer mit eigenen Qualitäten", sagte VfB-Trainer Markus Babbel am Rande des DFB-Pokal-Spiels gegen Großaspach (4:1).

Dass die Stuttgarter am Ende der kommenden Saison auf einen Spieler verweisen können, der 24 Tore geschossen hat, ist ziemlich unwahrscheinlich. Die Verpflichtung von Hleb sowie das offenbar wieder aufgekommene Interesse an Jovanovic signalisieren, dass die Offensiv-Last nun auf mehreren Schultern ruhen soll - auch, aber nicht ausschließlich auf denen von Pogrebnjak.

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