Tayfun Korkut beim VfB Stuttgart:Gescheitert beim Häusle-Bau

Tayfun Korkut

Trainer Tayfun Korkut muss in Stuttgart gehen.

(Foto: dpa)
  • Beim VfB Stuttgart waren sie nicht mehr von der Mauertaktik des Trainers Tayfun Korkut überzeugt - jetzt muss der Coach gehen.
  • Nachfolger soll ein Trainer werden, der sich und seiner Mannschaft mehr zutraut.

Von Christof Kneer

In Stuttgart haben sie gerade erlebt, wie sich die eigene Mannschaft einen Einwurf rein geworfen hat. Das war in der immerhin 55 Jahre langen Geschichte der Fußball-Bundesliga zuvor exakt nullmal vorgekommen, woraus man in Stuttgart und anderswo also diese Schlussfolgerung ziehen könnte: Im Fußball, da kann alles passieren. Einwürfe können in eigene Tore kullern, deutsche Nationalmannschaften können in Vorrunden rausfliegen, alles geht. Nur eines, das ahnte Stuttgarts Sportvorstand Michael Reschke vor der Partie in Hannover, eines würde definitiv nicht funktionieren: dass sein VfB mit dieser Aufstellung gewinnt. Trainer Tayfun Korkut, berüchtigt für seine defensiven Formationen, hatte sich selbst übertroffen.

Es hat dann natürlich auch nicht funktioniert: Mit 1:3 unterlag der VfB dem Gastgeber Hannover 96, es war eine ebenso absehbare wie folgerichtige Niederlage. Obwohl die Stuttgarter mit dem erhebenden Gefühl eines ersten Saisonsiegs beim rundum verunsicherten Tabellenletzten antraten, hatte sich Korkut entschieden, auf Fußball zu verzichten.

Die Absenz des sehr schnellen Stürmers Anastasios Donis (Muskelbündelriss) konterte er mit der Nominierung des eher nicht sehr schnellen Abwehrspielers Holger Badstuber, was angesichts der Umstände eine groteske Startelf ergab: mit einer Fünfer-Abwehrkette (wie gesagt: beim Tabellenletzten) und davor drei eher defensiven Mittelfeldspielern (Ascacibar, Castro, Gentner). Und der Spielmacher Didavi, der wunderschöne Pässe auf Stürmer spielen kann, spielte selber Stürmer und bekam keine wunderschönen Pässe.

Vor ihm stürmte Mario Gomez, der immerhin ein Mal einen schönen Pass bekam, den er auch gleich zum Anschlusstreffer ins Tor schoss. Aber das war schon in der zweiten Halbzeit, als Korkut nach dem 0:2-Pausen-Rückstand die offensiven Erik Thommy und Nicolas Gonzalez eingewechselt hatte und Didavi wieder Spielmacher spielte.

Im Grunde war zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass Korkut nicht länger Trainer des VfB Stuttgart bleiben würde, jedenfalls für den Fall, dass seine Elf dieses Spiel verlieren würde - was sie dann auch tat, weil sie noch ein spätes Tor fing. "Die ausbleibende sportliche Entwicklung im Laufe dieser Saison und die negativen Ergebnisse haben uns dazu bewogen, diesen Schritt zu vollziehen": Mit diesen Worten meldete die VfB-Pressestelle am Sonntagmorgen die Entlassung des Trainers Korkut - und dieser Schritt war zu gleichen Teilen überfällig wie überraschend.

Überfällig, weil die Bosse spätestens mit der Hannover-Aufstellung vom Glauben abgefallen waren und auch die Spieler den Kurs des Trainers nicht mehr verstanden; überraschend, weil Reschke die Trainerfrage nach dem Spiel noch abgelehnt hatte. Es sei "noch genug Substanz in Mannschaft und Trainerteam, um einen Neustart zu schaffen", hatte Reschke gesagt; man werde "alles daran setzen, um in dieser Konstellation wieder erfolgreich zu sein".

Zu diesem Zeitpunkt dürfte Reschke schon vom Gegenteil überzeugt gewesen sein, aber in seiner Zeit beim FC Bayern hat er offenbar gelernt, "dass man einen Trainer in der Öffentlichkeit bis zur letzten Patrone verteidigt", wie er am Sonntag erklärte. Vermutlich wollten die Stuttgarter am Samstagabend keine Unruhe provozieren und verhindern, dass zuhause am Klubheim die Kamerateams aufmarschieren. Eine letzte Absprache unter den Vorständen hat dann am Abend aber ein einhelliges Meinungsbild hervorgebracht: Die hohen Herren ließen Tayfun Korkut noch als VfB-Trainer ins Bett gehen, am Sonntagmorgen überbrachte ihm Reschke dann die Nachricht von seiner Entlassung.

Stuttgart steht wieder blöd da

Natürlich wissen die Stuttgarter, dass sie jetzt wieder ein bisschen blöd dastehen in der Öffentlichkeit, die ihnen zweierlei anlasten wird: erstens, dass sie einen Trainer entlassen, der den VfB kürzlich noch zur zweitbesten Mannschaft der Rückrunde gemacht hatte. Und zweitens, dass sie ihren schönen, neuen Vorsätzen schon wieder untreu geworden sind. Denn das wollten sie in Stuttgart unter Federführung von Michael Reschke und Präsident Wolfgang Dietrich eigentlich nicht mehr sein: ein Trainerfresserverein, der beim ersten Gegenwind nervös wird.

Reschke ist entschlossen, solche Vorwürfe auszuhalten. "Ich halte Tayfun für einen sehr guten Trainer, der einen herausragenden Anteil an unserer Rückrunde hatte", sagt Reschke, aber im Klub haben sie immer mehr gemerkt, dass Korkuts eher biederes Coaching nicht zu jenem Upgrade passt, das sie dem Team im Sommer für gut 30 Millionen Euro verpasst haben. Korkuts Plan war offenkundig, jenen Lauf, den das Team in der Rückrunde hatte, einfach detailgetreu nachzustellen: Er wollte kompakt stehen, ein Tor schießen und das Tor ins Ziel verteidigen. Während die Bosse die erfolgreiche Rückrunde als Grundlage für mutigeren Fußball begriffen, sah Korkut den Fußball der Rückrunde offenbar schon als Endzweck. Die Schwaben wollten, dass ihr Trainer auf diesem Fundament ein schönes Häusle baut und haben jetzt gemerkt, dass für Korkut das Fundament offenbar völlig ausreichend war. "Es geht sicher darum, künftig ein bisschen erfrischender, aggressiver und torgefährlicher zu spielen", sagt Reschke.

Noch ist offen, welchem Trainer sie ihr Häusle anvertrauen, erst mal wird der alte Klub-Held Andreas Hinkel, derzeit Co-Trainer der U 23, das Training übernehmen. Am besten noch in der Länderspiel-Pause will Reschke "eine vernünftige, professionelle Lösung" präsentieren, das klingt nach der Markus-Weinzierl-Kategorie. Ein umworbener Trainer wie Ralph Hasenhüttl spekuliere leider auf Jobs in anderen Dimensionen, heißt es in Stuttgart, so einer werde nicht zum VfB kommen. Zu einem Klub, der nun das ist, was vorher Hannover 96 war: verunsicherter Tabellenletzter.

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