Stuttgarts Sportvorstand Fabian Wohlgemuth kommentiert normalerweise auch nach Niederlagen die Darbietungen seiner Spieler gnädig. Am Samstag, nach dem 1:2 gegen Borussia Mönchengladbach, hatte er dazu allerdings keine Lust. Er hatte den Eindruck, dass der bedenkliche Auftritt etwas damit zu tun hatte, dass sein Team gedanklich noch in der Champions League war, aus der man am Mittwoch nach einem 1:4 gegen Paris Saint-Germain ausgeschieden war. Wo es doch darum gegangen wäre, gegen Borussia Mönchengladbach die Chance zu erhöhen, nächste Saison wieder in der Champions League zu spielen „Es muss möglich sein, dass man das drei Tage später verarbeitet hat“, fand Wohlgemuth: „Einige waren wohl noch im Aufarbeitungsmodus. So haben wir die große Chance verpasst, nach zwei Niederlagen mit einem mutigen Auftritt in die Spur zurückzufinden.“
Mutig war der Stuttgarter Auftritt nicht. Dementsprechend leicht hatte es die Borussia. Strukturiert in den Abläufen und, wenn überhaupt einmal nötig, konzentriert im eigenen Strafraum präsentierten sich die Gäste und kamen durch Nathan Ngoumou zur Halbzeitführung (25.). Kurz nach der Pause gelang dem VfB der Ausgleich durch ein von Jakob Bruun Larsen erzwungenes Eigentor von Nico Elvedi (49.). Am Ende stand es dann aber 2:1 für Gladbach, weil der gewohnt fleißige Tim Kleindienst traf (82.), Stuttgart brachte vorne einfach nichts zuwege.

BVB-Sieg in Heidenheim:Tullberg rastet zum Abschied noch mal aus
Mike Tullberg gewinnt in Heidenheim sein letztes Spiel als Interimstrainer und feiert das 2:1 wie einen kleinen Titel. In seiner kurzen Zeit hat der Däne den BVB in die richtige Richtung gelenkt, nun übernimmt Niko Kovac.
Auch der Trainer rätselte, dabei hatte Sebastian Hoeneß nach dem demütigenden Aus gegen PSG mit Nachwirkungen gerechnet: „Dass das was mit uns macht, war klar. Aber worüber wir sprechen müssen, ist die zweite Halbzeit.“ Glanz und Gloria habe er erst gar nicht erwartet, aber einen dominanten Auftritt auf Grundlage der seit zwei Jahren verinnerlichten Basics schon. Stattdessen spielte eines der üblicherweise ballsichersten, flottesten Teams der Liga einen umständlichen Verwaltungsfußball und leistete sich ungewohnt viele technische Fehler. In der ersten Halbzeit sah man viele Flanken von Jamie Leweling, die in der Mitte keinen Abnehmer fanden. In der zweiten Halbzeit wurde es nicht besser. Einmal lief Chris Führich dennoch frei auf Gladbachs Keeper zu und drosch ihm den Ball in die Arme: Moritz Nicolas hatte sich davor nicht einmal bewegen müssen (72.). „Die größte Chance hatten wir, aber mehr hatte Gladbach“, fand Hoeneß und spielte auf die Gelegenheiten von Kevin Stöger (6.) und Kleindienst (75.) an.
Derweil betonten Sportgeschäftsführer Roland Virkus und Gladbach-Trainer Gerardo Seoane fast wortgleich, dass ein solcher Auftritt nebst erstmaligem Sieg gegen ein besser platziertes Team „in der vergangenen Saison noch nicht möglich gewesen wäre“. Das stimmt wohl. In dieser Spielzeit präsentieren sich die Borussen oft als gut geordnetes Kollektiv, das nach Ballverlusten sofort in einen bissigen Verteidigungsmodus umschaltet. Wie wichtig auch hier Tim Kleindienst als Ein-Mann-Pressing-Kommando ist, war am Samstag für den VfB nicht zu übersehen.
Die Abwehr ist eine Dauerbaustelle, vielleicht kommt noch ein Verteidiger vor Transferschluss
Nicht, dass es keine mildernden Umstände für die verwirrten Stuttgarter gegeben hätte: Seit Wochen haben sie alle drei, vier Tage ein Pflichtspiel zu bestreiten, wovon ausgerechnet das wichtigste, gegen Paris, zur Demütigung geriet. In Atakan Karazor fehlte zudem der Taktgeber im Mittelfeld gelbgesperrt. Wie sehr, merkte man an fast jeder Mittelfeldaktion. Noch ärger ist der VfB auf der Innenverteidigerposition gebeutelt. Julian Chabot fehlte dort gelbgesperrt, Dan-Axel Zagadou ist länger verletzt, und von den beiden Startelf-Spielern – Anthony Rouault und Ameen Al-Dakhil – musste Al-Dakhil nach einer Stunde verletzt raus, Rouault steht vor dem Abschied: L'Équipe meldete am Sonntag seinen Wechsel zu Stade Renne als perfekt. „Wenn zwei Innenverteidiger ausfallen, ist das ein Brett“, sagte Virkus, „und man kann sagen, dass die, die verteidigt haben, es nicht gut gemacht haben.“ Aber das gehe ihn natürlich eigentlich nichts an, sagte Gladbachs Sportgeschäftsführer.
In Stuttgart, wo es sie durchaus etwas angeht, haben sie das am Samstag allerdings genauso gesehen. Gut möglich, dass sie bis zum Ablauf der Transferfrist noch einmal aktiv werden. Am Dienstag geht es dann schon wieder weiter, wenn der FC Augsburg zum DFB-Pokal-Viertelfinale vorbeikommt. Einen solch tranigen Auftritt wie gegen Gladbach sollte sich der VfB dann nicht erlauben: „Das ist ein Spiel, das du gewinnen musst“, sagte Wohlgemuth. Und meinte damit nicht nur den Wettbewerbsmodus, der Remis bekanntlich ausschließt.