VfB Stuttgart:Geschlossene Gesellschaft

Lesezeit: 2 min

Stuttgarter Entdeckung im Abstiegskampf: Der in der Winterpause verpflichtete Ozan Kabak erzielte zwei Tore beim 5:1 gegen Hannover. (Foto: Philippe Ruiz/imago)

Trainer Weinzierl findet sein Team für den Klassenerhalt.

Von Matthias Schmid, Stuttgart

Der Mann, von dem alle schwärmten, verließ wortlos die Arena. Frisch geduscht und frisiert eilte Ozan Kabak zum Ausgang, ohne die Eindrücke zu seinem gelungenen Auftritt gegen Hannover 96 schildern zu wollen. Mit einer sanften Geste wiegelte er die Interviewanfrage ab. Dabei hatte Kabak mit zwei Toren großen Anteil daran, dass der Tabellen-16. am Sonntag den Vorsprung auf die Niedersachsen auf fünf Punkte vergrößerte. "Ich sehe ihn jeden Tag und bin erstaunt, wie reif er ist", sagte Sportvorstand Thomas Hitzlsperger über den 18-jährigen Kabak: "Wahnsinn, der Junge ist so abgeklärt für sein Alter. Das ist schon brutal. Er will alles wissen, will sofort Deutsch lernen, alles verstehen." Dass Kabak seine fußballerische Ausbildung bei Galatasaray Istanbul als Stürmer begann, konnten die Zuschauer erkennen, als er in der ersten Hälfte den Ball gleich zweimal nach einer Ecke per Kopf ins Tor wuchtete. Kabak, mit rund elf Millionen Euro der teuerste Transfer der Klubhistorie, ist so etwas wie das Gesicht des zarten Aufschwungs der Stuttgarter in den jüngsten drei Spielen (1:3 gegen Leipzig, 1:1 in Bremen, 5:1 gegen Hannover). Der Winterzugang profitiert davon, dass Cheftrainer Markus Weinzierl in der Defensive endlich eine taktische Grundformation gefunden hat, die zur Mannschaft passt. Kabak spielt neben Frankreichs Weltmeister Benjamin Pavard und Marc-Oliver Kempf in der Dreierkette, die bei Bedarf zu einer Fünferreihe erweitert wird. Dadurch wurden die Slapstick-Momente deutlich reduziert, die dazu geführt hatten, dass die Stuttgarter bis zum Spiel gegen Hannover die meisten Gegentore der Liga hinnehmen mussten. Nun verteidigt die Mannschaft seriöser, aber lästiger für den Gegner, was sich auch im Spiel nach vorne gewinnbringend auswirkt, wo Alexander Esswein erstmals als zweiter Stürmer aufgeboten wurde. Er rannte, als hätte die Klubführung Kilometergeld ausgelobt. Das tat Mario Gomez gut, der nach seinem Führungstreffer weitere Chancen besaß. "Wir wollten von Anfang an hellwach sein, mutig spielen und die Zuschauer mitnehmen", stellte Weinzierl fest. Schon zur Pause bei einer 3:0-Führung war alles aufgegangen, was sich der Trainer vorgenommen hatte. Der Dank: Ein infernalisch lärmendes Stuttgarter Publikum. "Wir haben allen gezeigt, dass wir in der Liga bleiben wollen", sagte Christian Gentner. Der Kapitän ist dabei ein Opfer der strafferen Führung von Weinzierl geworden. Wie Tayfun Korkut in der vergangenen erfolgreichen Rückrunde hat sich Weinzierl inzwischen auf eine Startelf festgelegt. Es hat sich fast schon eine geschlossene Gesellschaft gebildet, die nur dann für zwei, drei Spieler geöffnet wird, wenn die Teamkollegen erschöpft ausgewechselt werden müssen. "Für mich ist das kein Problem", sagt Gentner, "ich bin froh, wenn ich 20 Minuten meinen Teil beitragen kann."

Der 33-Jährige übernimmt gerne eine kleinere Rolle, wenn er dadurch den zweiten Abstieg binnen drei Jahren verhindern helfen kann. Dass sich jetzt Spieler wie die Doppel-Torschützen Steven Zuber und Kabak in den Vordergrund schieben, nimmt er wohlwollend zur Kenntnis. Besonders von dem jungen Türken ist er angetan, der schon viermal für Galatasaray in der Champions League aufgelaufen war. "Er ist kein Spinner und hat möglicherweise eine große Zukunft vor sich", sagt Gentner.

Überbewerten wollte er den Sieg gegen Hannover nicht: "Das war ein schwacher Gegner." Aber der erste Erfolg hat nach acht sieglosen Spielen die Zuversicht nach Stuttgart zurückgebracht. Auch Trainer Weinzierl, 44, schielt in der Tabelle schon nach oben: "Uns fehlen zwei Punkte auf Augsburg und vier auf Schalke." Weinzierl musste erstmals seit Langem keine Fragen zu seiner Zukunft beantworten. "Das wäre blödsinnig", sagte Hitzlsperger. Der Sportvorstand hofft endlich auf ein bisschen Ruhe.

© SZ vom 05.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: