VfB Stuttgart gegen Leverkusen:Aufmuntern ist angesagt

Bayer 04 Leverkusen - VfB Stuttgart 4:0

Stuttgarts Adam Hlousek (li:): Gedrückte Stimmung nach der nächsten Niederlage

(Foto: dpa)
  • Erfolg ist für den VfB Stuttgart eine ferne Fantasie: Beim 0:4 gegen Leverkusen zerfällt die Abwehr in ihre Einzelteile.
  • Trainer Stevens spricht von einem "richtigen Knacks" - er glaubt aber, dass er die Spieler noch erreichen kann.
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Von Sebastian Fischer, Leverkusen

Irgendwann wird der Tag kommen, an dem der Fußballtrainer Hubertus Stevens zum letzten Mal über seine "Jungens" sprechen wird. In seinem bunten Trainingsanzug wird er sich zum letzten Mal hinter ein Mikrofon in einem Fußballstadion setzen und erzählen, dass er an sie glaubt und sie an ihn. "Von daraus", wird Stevens dann sagen, würden sie sich nun aufs nächste Spiel konzentrieren. Der Niederländer, 61, ist für viel Schönes in der Bundesligageschichte verantwortlich, er hat auch einige wunderbare Sprachblüten kreiert.

Es sieht so aus, als wäre dieser Tag nicht fern. Stevens hat am Freitag mit dem Tabellenletzten VfB Stuttgart das neunte Spiel in Serie nicht gewonnen, mit 0:4 (0:2) bei Bayer Leverkusen verloren. Er schritt im rot-weißen Trainingsanzug zum Pult im Bauch der Leverkusener Arena, rückte das Mikrofon zurecht und sagte: "Jetzt muss ich versuchen, die Jungens wieder aufzubauen. Denn ein 4:0 ist natürlich ein richtiger Knacks." War es sein letztes Mal? Stevens knurrte: "Ich weiß, dass ich kämpfen muss."

Beim VfB Stuttgart ist in dieser Saison so ziemlich alles schiefgegangen, was schiefgehen kann bei einem Fußballverein. Dass schon der zweite Trainer und der dritte Sportdirektor innerhalb einer Saison wirken, ist nur ein kleiner Auszug der turbulenten Misere. Neun Runden vor Ende der Spielzeit ist Erfolg immer noch eine ferne Fantasie, der zweite Abstieg der Vereinsgeschichte rückt näher, der VfB braucht einen letzten Notfallplan, um das zu verhindern. Doch kann dieser Plan mit Stevens funktionieren?

Die Antwort könnte nach einer 0:4-Niederlage deutlich negativ ausfallen, doch das Spiel in Leverkusen hinterlässt ein für dieses Ergebnis ungewöhnlich zweigeteiltes Bild. In den ersten dreißig Minuten spielte der VfB mutig, schob seine Viererkette gar bis in die Leverkusener Hälfte vor, hatte durch den starken Daniel Ginczek die Chance zur Führung. In den übrigen 60 Minuten waren die Stuttgarter chancenlos. Und es war offenkundig, wie wenig Spielideen in Bedrängnis vom zentralen Mittelfeld um den müden Kapitän Christian Gentner und den sichtlich limitierten Geoffrey Serey Dié ausgehen, wie isoliert die talentierten Filip Kostic und Timo Werner auf den Flügeln sind, wie bundesligauntauglich die Abwehrreihe.

Es war ein zweigeteiltes Bild: Knapp 500 Stuttgarter Fans verließen nach dem 0:4 aus Protest die Kurve — die übrigen reichten den Spielern nach dem Schlusspfiff aufmunternd die Hand. Ginczek sagte, es müsse nun viel weniger geredet werden und endlich mal gepunktet. Und Werner redete, erklärte, der VfB habe zu Beginn besser gespielt als zuletzt Atlético Madrid, Leverkusens Gegner in der Champions League. Stevens sagte: "In der ersten halben Stunde haben wir den besten Fußball gespielt, seit ich in Stuttgart bin." Also seit über drei Monaten.

Kette individueller Fehler

Was den besten Stuttgarter Fußball in haarsträubend schwachen verwandelt hatte, war eine Szene in der 32. Minute. Gentner und Kostic liefen am eigenen Strafraum synchron aneinander vorbei und hüpften über den Ball, der in ihrer Mitte rollte. Das sah anmutig aus, erinnerte an Ballet, es fehlten nur Tutu und Klavierspiel. Doch auf dem Fußballplatz war das natürlich unpassend. Der Leverkusener Wendell nutzte das Missverständnis und traf zum 1:0. Unmittelbar davor hatte Stuttgarts Keeper Sven Ulreich eine Flanke durch den Fünfmeterraum segeln lassen, Abwehrspieler Florian Klein den Ball seinem Nebenmann Daniel Schwaab ins Gesicht geschossen, um danach unbeholfen in Richtung Gentner, Kostic und Wendell zu klären. Selten war ein Tor so eindeutig einer Kette individuellen Fehlversagens zuzuordnen.

Auch die übrigen drei Treffer durch Josip Drmic (36., 59.) und Karim Bellarabi (50.), waren auf hilfloses Abwehrverhalten zurückzuführen, der VfB fiel in seine Einzelteile zusammen. Doppeltorschütze Drmic erklärte nach dem Spiel höflich, die Verteidigung der Stuttgarter sei "keine Katastrophe" gewesen, sondern Leverkusen einfach gut. Stevens sah das ein wenig anders: "Wir machen wieder die Fehler und bauen den Gegner auf."

In typischer Krisenrhetorik erläuterte der Niederländer, dass die Fragen nach seiner Zukunft nicht er selbst beantworten könne. Die Spieler hätten bewiesen, dass er sie mit seiner Ansprache noch erreiche. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass seine Zeit spätestens im Sommer abläuft, dann soll Alexander Zorniger die Mannschaft übernehmen. Der im Februar bei RB Leipzig beurlaubte Coach hat wie Sportdirektor Robin Dutt seine Trainerausbildung mit Bestnoten abgeschlossen, Zorniger und Dutt, zwei Fußballlehrer, die das Spiel am Schreibtisch entwickeln, das könnte besser passen als Stevens und Dutt, deren Beziehung erkaltet wirkt. Sie saßen am Freitag nebeneinander auf der Bank und sahen sich doch nicht an, sprachen nicht.

Dutt, der immer überforderter wirkt mit der Situation, sagte später, was er in den letzten Wochen immer gesagt hat: Dass der Verein dem Coach weiterhin den Rücken stärken werde. Aus Überzeugung? Oder in Ermangelung von Alternativen? "Der Weg ist nicht einfach", sagte Stevens, er werde schwieriger und schwieriger. "Aber wir gehen weiter."

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