Wie ein Bote, der die neuesten Nachrichten verkündet, trat Fabian Wohlgemuth vor die Medien und überbrachte „eine tolle Undav-Geschichte“, wie er sagte. Natürlich wusste der Sportvorstand des VfB Stuttgart, dass der Hinweis an die Augenzeugen dieses bemerkenswerten Comebacks gar nicht nötig gewesen wäre. Und doch bereitete es Wohlgemuth sichtbare Freude, die gelungene Rückkehr des Angreifers Deniz Undav nach einer gut zweimonatigen Pause wegen eines Muskelfaserrisses herauszustellen. Sogar eine Anlehnung an die Antike, an das berühmteste Zitat von Gaius Julius Cäsar, nahm Wohlgemuth vor: „Er kommt, sieht und siegt“, sagte er über Undav.
Wohlgemuth verwies zwar rasch auf das Gemeinschaftswerk, das zu diesem 1:0 (0:0)-Sieg in der ehemaligen Römerstadt Augsburg und bei dem dort seit 1907 n. Chr. ansässigen FCA geführt habe. Doch ob der VfB ohne Undav am Sonntag mit einem Erfolg in die wegweisenden ersten Wochen des Jahres gestartet wäre, erscheint in der Gesamtbetrachtung des Spielverlaufs fraglich. Kein anderer Stuttgarter hatte bei den vorherigen Chancen auch nur ansatzweise jene Ruhe und Kühle vor dem Tor gezeigt, die dem deutschen Nationalspieler kurz nach seiner Einwechslung zu seinem Siegtreffer in der 65. Minute verhalf.
Angelo Stillers hübschen Heber hinter die Abwehr hatte Undav mit rechts angenommen und zunächst aus dem Fußgelenk einen Tunnel gegen Augsburgs wieder zur Nummer eins beförderten Torhüter Finn Dahmen versucht. Zwar gelang dieses Manöver nicht, doch die List war so fein dosiert, dass der Ball von Dahmen nicht weit wegsprang und Undav ihn im zweiten Versuch lässig einschieben konnte.
Der Hergang dieses Tores „passt zu Deniz“, sagte Wohlgemuth, „kaltschnäuzig“ und „abgeklärt“ habe der 28-Jährige das gemacht. Zudem habe sich gezeigt, „dass wir jetzt, anders als vor der Winterpause, Offensivpower haben und Spieler reinbringen können, die Schwung bringen“. Im letzten Heimspiel vor Weihnachten hatten die Stuttgarter noch gegen den Aufsteiger St. Pauli 0:1 verloren, mit einer ausgedünnten Offensive und nahezu ohne Wechseloptionen auf der Bank. Umso glücklicher sind sie beim VfB nun, Undav in den anstehenden vier englischen Wochen wieder zur Verfügung zu haben. Bereits an diesem Mittwoch geht’s gegen Leipzig, einen Konkurrenten um die erneute Qualifikation für Europa.
Wohlgemuth meinte mit seinem Verweis auf die neuen Möglichkeiten in der Offensive aber auch den in der vergangenen Woche aus Hoffenheim verpflichteten und nun gemeinsam mit Undav eingewechselten Flügelspieler Jacob Bruun Larsen; ebenso meinte er Jamie Leweling, der nach langwieriger Muskelverletzung auch noch ein paar Spielminuten abbekam. Bruun Larsen setzte in Augsburg mit seinem Elan gleich mal ein paar Akzente. Doch das Hauptlob entfiel auf Undav, der kurz nach seiner Einwechselung seine ganze Torjägerqualität demonstriert hatte. Auch deshalb passte die Erzählung in Anlehnung an Cäsar ganz gut. Der Überlieferung zufolge geht dessen Zitat „Veni, vidi, vici“ (ich kam, ich sah, ich siegte) auf einen Brief zurück, in dem er einem Freund von einer in nur vier Stunden gewonnenen Schlacht im Jahr 47 v. Chr. in der heutigen Türkei berichtete. Undav hatte bei seinem Comeback vier Minuten für sein siegbringendes Tor benötigt.
„Lief einfach perfekt, wie im Bilderbuch“, sagt Undav
Die Analogie gefiel ihm später ebenso wie die Fantasie eines Stuttgarter Reporters („fehlt nur noch ein römischer Imperatorenhelm“). Undav wehrte sich nicht gegen dieses Bild und auch nicht gegen Wohlgemuths Cäsar-Vergleich. „Hat ja gestimmt: Ich kam rein, ich habe das Tor gemacht, wir haben gewonnen“, sagte er, „lief einfach wieder perfekt, wie im Bilderbuch.“ Zum ganzen Bild passte auch, dass durch Undav wieder ein charmant-frecher Tonfall Einzug hält beim VfB. Auf die Frage, wie er in den vergangenen zwei Monaten an sich gearbeitet habe, antwortete Undav: „Gar nicht, ich bin einfach so geblieben.“ Das war natürlich ein Scherz, aber auch einer mit einem wahren Kern. Denn seine Coolness vor dem Tor hat wohl eher wenig mit seiner Schufterei in der Reha zu tun. Das bestätigte Undav zumindest indirekt. „Stürmer, das ist das, was ich mein Leben lang mache – und dann ist es natürlich auch einfach, in solchen Situationen wieder da zu sein“, sagte er.
Trainer Sebastian Hoeneß muss um seine Autorität aber nicht fürchten, auch wenn Undav der Cäsar-Vergleich gefallen hat. Forderungen, nun wieder von Anfang an zu spielen, werde er nicht stellen, versicherte er. Undav sagte über Hoeneß: „Ich mache doch dem Trainer keine Ansage, den Spielern vielleicht schon, aber dem Trainer nicht. Er macht mir eine Ansage.“