Süddeutsche Zeitung

VfB Stuttgart:Durchmarsch des Präsidenten

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Beim zerstrittenen VfB Stuttgart kann sich Klub-Chef Claus Vogt bei der Mitgliederversammlung eindeutig behaupten. Seine Gegner erleiden Niederlagen - nur Thomas Hitzlsperger genießt weiter großes Vertrauen.

Von Christoph Ruf, Stuttgart

Am Ende war die Abstimmung, auf die Tausende VfB-Fans wochenlang so gespannt gewartet hatten, nur noch eine reine Formsache. Um kurz nach halb neun Uhr, also fast zehn Stunden nach Veranstaltungsbeginn, stand fest, woran schon nachmittags niemand mehr zweifeln konnte: Der amtierende Präsident Claus Vogt war mit 1499 Stimmen für die kommenden vier Jahre wiedergewählt worden. Sein Gegenkandidat Pierre-Enric Steiner ("ich kann Stimmungen lesen"), der seine Vorstellungsrede schon nach wenigen Minuten beendet hatte, kam nur auf 177 Stimmen. Einen Durchmarsch des Vogt-Lagers hatte zuvor bereits die Wahl der Vereinsbeiräte und der Vizepräsidenten dokumentiert. "Ich freue mich, dass wir vier Jahre Planungssicherheit haben und auf allen wichtigen Positionen im Präsidium und Vereinsbeirat Ruhe reinbringen", sagte Vogt am späten Sonntagabend. "Das tut uns allen gut."

Für den Unternehmer Vogt war der Tag mit gut 2000 Mitgliedern bei der Präsenz-Versammlung in der Mercedes-Benz Arena von Beginn an ein Heimspiel. Seine Gruppe setzte sich bei allen Personalentscheidungen durch. Rainer Adrion, der zuvor erfolgreich für eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge von 48 auf 60 Euro geworben hatte, wurde ebenso mit einem Traumergebnis von über 90 Prozent Ja-Stimmen zum Vizepräsidenten gewählt wie Christian Riethmüller, der 2019 noch gegen Vogt angetreten war, sich aber bereits bei den Streitigkeiten im Frühjahr auf die Seite Vogts geschlagen hatte. Adrion, langjähriger Trainer in Stuttgart und Unterhaching, lobte dann auch die "harmonischste Versammlung, die ich hier je erlebt habe", die Disziplin der Mitglieder, die "zehn Stunden mit Maske ausgehalten" hätten, und ein wenig auch sich selbst, als er hervorhob, dass nun auch "sportliche Kompetenz" in den Gremien zu finden sei.

Schon bei den Abstimmungen am späten Nachmittag hatten Vogts Gegner schwere Abstimmungsniederlagen erlitten. So wurden Rainer Mutschler und Bernd Gaiser die Entlastung für die letzten beiden Präsidiumsjahre mit deutlichen Voten verweigert. Auch für die Entlastung des ehemaligen Präsidenten Wolfgang Dietrich stimmte nur etwa ein Viertel der Anwesenden. Am Montag trat schließlich noch Wilfried Porth als stellvertretender Aufsichtsratschef der AG zurück. Der Vertreter von Anker-Investor Daimler gilt als Intimfeind von Vogt. Und er hatte seine Zukunft in dem Gremium, dessen Vorsitzender ebenfalls Vogt ist, vom Wahlausgang abhängig gemacht.

Für Sportvorstand Thomas Hitzlsperger, der Vogt im Dezember in einem offenen Brief scharf angegangen hatte, lief es deutlich besser. Schon zur Mittagszeit zeigte er sich sichtlich bewegt, als er statt mit den von ihm offenbar befürchteten Buh-Rufen mit höflichem Applaus empfangen wurde. Seiner Entlastung für das Jahr 2019, in dem er noch dem Präsidium angehört hatte, stimmten dann auch 81 Prozent zu. Besser schnitt nur Vogt selbst ab, der für beide Jahre mit über 91 Prozent entlastet wurde und noch mal betonte, dass auch er bereit sei, die Gräben der Vergangenheit zuzuschütten: "Thomas Hitzlsperger hat sich entschuldigt. Und ich habe die Entschuldigung angenommen."

Vogt will mit Hitzlsperger weiterarbeiten

Nach seiner Wahl bejahte Vogt die Frage, ob er sich vorstellen könne, mit Hitzlsperger über 2022 hinaus weiterzuarbeiten: "Definitiv, das wünschen wir uns alle." Fraglich allerdings, ob der Wunsch alleine ausreicht, um die unterschiedlichen Vorstellungen darüber, wie ein Profiverein zu führen sei, in Einklang zu bringen sind. Das Stimmungsbild an der Basis erschien am Sonntag jedenfalls eindeutig: Die Mitglieder wünschen sich eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Hitzlsperger und Vogt, der betont hatte, "so etwas wie die Daten-Affäre" dürfe "nie wieder passieren". Vor seiner Amtszeit, die Ende 2019 begann, waren Zehntausende Mitglieder-Datensätze missbraucht worden, um Stimmung für die letztlich erfolgte Ausgliederung des Vereins zu machen. Die Affäre kostete schließlich sechs Angestellte und Funktionäre ihren Posten.

Eine ausführliche Recherche des Wochenmagazins Zeit, die am Freitag veröffentlicht worden war, wurde am Sonntag hingegen kaum diskutiert. Dabei hatte sie erhebliche Zweifel an der Neutralität von "Esecon" artikuliert. Die Ermittler, deren Tätigkeit beim DFB ebenfalls in die Kritik geraten ist, hätten es an der gebotenen Neutralität vermissen lassen und bei der Aufklärung der Datenaffäre dem Vogt-Lager willfährig zugearbeitet, so die Kritik der Journalisten, die auch die hohen Kosten der Untersuchungen monierten. Die Zeit warf Vogt zudem vor, nachträglich ein Sitzungsprotokoll verändert zu haben. Vogt bestritt das am Sonntag und warf "alten Seilschaften im Verein" vor, "Schmutzkampagnen" gegen ihn zu lancieren. "Die Aufklärung wäre schneller und günstiger gewesen, hätten die Beteiligten an der Aufarbeitung aktiv mitgearbeitet", entgegnete darauf am Sonntag der Vereinsbeirat, der durch Rainer Weninger und André Bühler vertreten wurde, die beide wiedergewählt wurden. Wie die beiden sah es offenbar auch die große Mehrheit der Mitglieder, die alle vermeintlichen und tatsächlichen Verantwortlichen für die Datenschutz-Affäre abstrafte.

Derweil lag das coronabedingte Gesamtminus der in eine Aktiengesellschaft ausgegliederten Fußballabteilung zwischen März 2020 und Juni 2021 bei etwa 56 Millionen Euro. Der Umsatzeinbruch von 74 Millionen Euro sei dabei unter anderem durch einen Gehaltsverzicht der Profis abgemildert worden, auch Teile der Geschäftsstelle sind immer noch im Kurzarbeits-Modus. Insgesamt soll für das zurückliegende Geschäftsjahr indes nur ein Minus von 12,2 Millionen Euro auflaufen. Allein die Verkäufe von Keeper Gregor Kobel und Nicolas Gonzalez sollen knapp 40 Millionen Euro eingebracht haben.

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