Neuer Trainer und Sportdirektor in Stuttgart:Der VfB fürchtet ein düsteres Szenario

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Ein Heiligenschein über dem einstigen Retter Bruno Labbadia? So wohlwollend sehen viele VfB-Fans den Trainer nicht. (Foto: Robin Rudel/Sportfoto Rudel/Imago)

Bei der Vorstellung von Trainer Bruno Labbadia und Sportdirektor Fabian Wohlgemuth werden die Sorgen vor einem Abstieg deutlich - der neue Coach muss gleich mal sein Image korrigieren.

Von Christoph Ruf, Stuttgart

Bruno Labbadia dürfte in seinem Trainerleben weniger anstrengende Arbeitstage erlebt haben als diesen Montag. Zwischen den beiden Übungseinheiten des Tages schlüpfte der neue Coach des VfB Stuttgart aus der Trainingskleidung in edlere Stoffe, um sich zusammen mit dem neuen Sportdirektor der Öffentlichkeit vorzustellen. Der heißt Fabian Wohlgemuth, arbeitete zuletzt erfolgreich beim Zweitligisten SC Paderborn und hatte in den vergangenen Tagen den leichteren Stand im traditionell diskussionsfreudigen Vereinsumfeld.

Als in der ersten Liga weitgehend unbekannter Funktionär mit Erfahrung im Nachwuchs konnte er im Schwäbischen mit Sympathie rechnen. Er betonte auch nur kurz, dass er bereits mit wenig Geld eine konkurrenzfähige Mannschaft zusammenstellen musste, wies allerdings sofort darauf hin, dass auch er sich für Labbadia als künftigen Chefcoach starkgemacht habe. Denn der sei nicht nur dank seiner Erfahrung der richtige Trainer, "um die Puzzleteile zusammenzusetzen und die Mannschaft zu entwickeln".

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Das war eine Steilvorlage für Labbadia, dessen Verpflichtung in der Anhängerschaft des VfB mit einer Vehemenz abgelehnt wird, die nicht nur ihn überrascht haben dürfte. Labbadia trainierte den VfB bereits von 2011 bis 2013. Und das eigentlich alles andere als erfolglos, gelang es ihm doch, den Verein nach dem Klassenerhalt und seiner ersten Halbserie in den Europapokal zu führen. Dort war der VfB seither nicht mehr, wohl aber zwei Mal in der zweiten Liga. Doch die traditionell nicht ganz bescheidenen Ansprüche im Schwäbischen machen sich eben nicht nur an Tabellenständen, sondern am Großen und Ganzen fest. Dazu gehört attraktiver Offensivfußball, und auch das zum Schlagwort von den "jungen Wilden" verdichtete Konzept, mit dem der VfB 2007 deutscher Meister wurde und das eine hohe Durchlässigkeit vom eigenen Nachwuchs bis in die erste Mannschaft vorsieht.

Sportdirektor Sven Mislintat und Trainer Pellegrino Matarazzo, von denen man sich kürzlich getrennt hat, haben in der öffentlichen Wahrnehmung für diesen Weg gebürgt. Das steht im Gegensatz zu Labbadia, der sich bei seinen sechs Trainerstationen in der Bundesliga einen guten Ruf als Nothelfer erarbeitet hat, nachdem er nicht nur den VfB, sondern später auch den HSV, Wolfsburg und Hertha vor dem Abstieg gerettet hatte. Dass man dem 56-Jährigen mit dieser Beschreibung nur in Teilen gerecht werde, hatte zuvor bereits Vorstand Alexander Wehrle betont, der kein Freund davon zu sein scheint, sich Trainerentscheidungen per Volksabstimmung absegnen zu lassen: "Labbadia hat mehrfach bewiesen, dass er eine Mannschaft nach einem Klassenerhalt stabilisieren und verbessern kann." Tatsächlich gelang ihm das nicht nur beim VfB, sondern auch in Hamburg und Wolfsburg.

Labbadia erinnert daran, dass er einst in Stuttgart die noch jungen Timo Werner und Antonio Rüdiger integriert habe

Doch zunächst - und das scheint Wehrle das Wichtigste zu sein - ist mit der Verpflichtung von Labbadia vor allem die Hoffnung des Klassenerhalts verbunden. Denn ein Abstieg im Jahr 2023 wäre noch weit schlimmer als die von 2016 und 2019: "Die Zweite Liga bedeutet 40 Millionen weniger Umsatz." Und damit ein gewaltiges Finanzloch, da man sowohl das kräftige Corona-Minus als auch die Stadion-Investitionen von 130 Millionen Euro in die Zweite Liga mitnehmen würde. Was das bedeutet, scheint Wehrle zuletzt auch Sportdirektor Wohlgemuth verdeutlicht zu haben. Denn der sekundierte ein paar Minuten später ähnlich drastisch: "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand. Es droht uns der Entzug der Geschäftsgrundlage, der Abstieg aus der Bundesliga."

Überhaupt schien es, als habe man beim VfB intern die Wahrnehmung, dass in den Fan-Foren zuletzt zu viel über die Zukunft des Nachwuchskonzepts und die mittelfristige Entwicklung diskutiert wurde. Und zu wenig um die jüngere Vergangenheit und die nähere Zukunft. Die weitverbreitete Wahrnehmung, dass die Ära Mislintat/Matarazzo unter dem Strich eine erfolgreiche war, scheint Wehrle jedenfalls nicht zu teilen. Der "bisherige Weg" jedenfalls, so der Vorstand, habe "in der vergangenen Saison zum Klassenerhalt und jetzt auf Platz 16 geführt."

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Auch Labbadia, der seit knapp einer Woche in Stuttgart ist, wies am Montag auf den Ernst der Lage hin, zudem war es ihm wohl wichtig, sein Image zu korrigieren. So erinnerte er daran, dass er in seiner ersten Stuttgarter Zeit die damals noch jungen Timo Werner und Antonio Rüdiger in die erste Mannschaft integriert habe. Wer ihn kenne, wisse zudem, dass er generell gut mit jungen Spielern arbeiten könne. Er sei zudem auch geholt worden, um - wenn der Klassenerhalt erst mal geschafft sei - das Team im gewünschten Sinne weiterzuentwickeln. Deutet man die Zwischentöne richtig, die Wohlgemuth und Labbadia hier und da einstreuten, herrscht in Sachen Teamgeist ebenso Luft nach oben wie beim kollektiven Verteidigen. Labbadia zeigte sich zudem erstaunt, dass der VfB seit einem Jahr kein Auswärtsspiel mehr gewonnen hat: "Das ist ein bisschen verwunderlich, weil man ja eine gewisse Schnelligkeit im Kader hat."

Bevor der VfB zu Beginn des neuen Jahres ins Trainingslager nach Marbella fliegt, will sich Labbadia erst mal ein genaueres Bild von den Stärken und der internen Struktur der Mannschaft machen. Damit es nicht bei oberflächlichen Eindrücken bleibt, hat Labbadia den Trainingsbeginn in dieser Woche gleich drei Mal auf 7.30 Uhr gelegt. Zudem wird die Mannschaft künftig zusammen frühstücken und zu Mittag essen. Auf ungetrübte Freude scheint der frühe Trainingsbeginn derweil im Kader nicht überall gestoßen zu sein, wie Wohlgemuth beobachtet hat: "Ich habe da bei dem ein oder anderen ein Lächeln vermisst."

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