VfB-Stürmer Julian Schieber:Neustart beim Wiedersehen

Erst war Julian Schieber lange verletzt, dann kam er nicht in Form. Also verpflichtete der VfB Stuttgart einen weiteren Stürmer: Vedad Ibisevic. Dieser fehlt nun ausgerechnet gegen Schiebers früheren Klub, den 1. FC Nürnberg. Das eröffnet dem VfB-Talent eine neue Chance.

Christof Kneer

Der VfB Stuttgart wird das Spiel gegen Nürnberg nicht absagen. Sie werden nicht den Rasen unter Wasser setzen, nicht die Zufahrtswege zum Stadion sperren und auch sonst keinerlei Sabotage veranlassen, die dieses Spiel verhindern könnte. Sie trauen sich was, die Stuttgarter, sie treten am Sonntag an, obwohl Vedad Ibisevic gesperrt ist. Zwar könnte man darauf verweisen, dass der VfB einen Teil seiner 118,5 Jahre Vereinsjahre auch ohne Ibisevic überlebt hat, nämlich exakt 118,3.

1899 Hoffenheim - VfB Stuttgart

Schieber im Spiel gegen Hoffenheim: Am liebsten als Mittelstürmer

(Foto: dpa)

Seit Ibisevic aber im Januar aus Hoffenheim zum VfB überlief, wird man das Gefühl nicht los, dass es dieser Stürmer bereits zu einem der wichtigeren Profis der Klubgeschichte gebracht hat. Das ist zwar übertrieben, aber es ist auch nicht zu übersehen, wie sehr Ibisevics konkreter Spielstil den selbstzweifelnden VfB erfrischt hat.

Die Geschichte von Vedad Ibisevic ist die Geschichte von Julian Schieber, und umgekehrt. Nun, da Schiebers alter und neuer Verein (VfB) seinem vorübergehenden Verein (Nürnberg) begegnet, fällt der Branche erst auf, dass sie da einen vielversprechenden Stürmer aus den Augen verloren hat. Was macht eigentlich dieser Schieber, der mal auf Joachim Löws Liste stand? Eine gute Frage.

Eine verschleppte Verletzung

Was Schieber am Sonntag macht, ist sicher, er wird spielen gegen den Club. Nicht sicher ist, ob er Ibisevics Position im Sturmzentrum übernimmt, oder ob er sich am Flügel versuchen muss, wie zuletzt, als Vertreter des verletzten Okazaki. "Ich habe Mittelstürmer gelernt, da fühle ich mich am wohlsten", sagt er, ergänzt aber tapfer, "dass man links vorne ja auch zur Offensivabteilung gehört".

Julian Schieber bleibt zurzeit nicht mehr übrig, als sein Schicksal sportlich zu nehmen. Seine Geschichte zeigt, was passiert, wenn die Zukunft sich selbstständig macht. Wenn sie ihren eigenen Kopf hat und alle Pläne leise verhöhnt. Schiebers Zukunft klang ja so einleuchtend, sie schien so seriös vorausberechnet zu sein: Er, der sich beim VfB "als kleiner Jugendspieler" (Schieber) nicht ernst genommen fühlte, wurde nach Nürnberg verliehen, wo er zum Mann reifte.

Chancenlos gegen Ibisevic?

Nach einem Jahr nahmen die Stuttgarter ihn stolz zurück, endlich konnten sie mal den beliebten Vorwurf entkräften, dass sie alle ihre selbstgezüchteten Talente kampflos aus der Stadt lassen.

"Uns war im Sommer bei der Kaderanalyse schon klar, dass wir eine echte Nummer neun brauchen", sagt Trainer Bruno Labbadia, "und das sollte Julian sein." Sie haben ihr Sturmzentrum reserviert für diesen wuchtigen Stürmer, der sich am ersten Trainingstag aber als erstaunlich unwuchtig herausstellte.

"Ich habe die Verletzung vielleicht unterschätzt", räumt Schieber heute ein, er würde das inzwischen anders machen, "mit dem Alter wird man schlauer". Beim letzten Spiel für den Club zog er sich eine Verletzung zu, die sich später als Muskelfaserriss herausstellte, er hat sich kurz untersuchen lassen und ist in Urlaub gefahren. Heute weiß er, dass damit womöglich alles angefangen hat - die Verschleppung der Blessur, die Fehlbelastungen, die Folgeverletzungen, die in einer Schambeinentzündung gipfelten.

"Das folgende halbe Jahr war nicht einfach", sagt er, "immer wieder Hoffnung, immer wieder Rückschläge." Erst im Winter konnte er wieder mittrainieren, aber er hatte sein Draufgängertum eingebüßt in der langen, dunklen Zeit, er hatte das Vertrauen in sein Spiel verloren, was den VfB veranlasste, das Vertrauen in Julian Schieber zu verlieren. Deshalb hat der VfB in der Winterpause eine echte Nummer neun verpflichtet: Ibisevic.

"Jetzt bin ich wieder auf dem Fitness-Level, das ich brauche", sagt Schieber. Die Zukunft hat ein halbes Jahr Pause gemacht, jetzt ist sie wieder da, aber Ibisevic eben auch. Er werde die Saison zu Ende spielen, sagt Schieber, "und dann mal schauen". Er wird kritisch verfolgen, ob sie künftig mit zwei Stürmern planen beim VfB, oder ob er seinen Platz an Ibisevic verloren hat. Er würde ja gern bleiben, der VfB ist sein Heimatverein, aber er weiß, dass es auch andere Klubs gibt, die eine gesunde, erst 23-jährige, echte Nummer neun suchen.

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