VfB schlägt Hamburg 2:1:Stürmisches Kampfspiel

Chancen über Chancen - und anders als in der Vorrunde gewinnen die Schwaben die Partie auch. "Wir haben eine wahnsinnige Mentalität entwickelt", freut sich VfB-Trainer Kramny.

Von Alexander Mühlbach

Jürgen Kramny in seinem sechsten Bundesliga-Spiel schon als erfahrenen Trainerfuchs zu bezeichnen, wäre eigentlich übertrieben. Aber anders kann man sich diese Szene in der 89. Minute nicht erklären. Alexandru Maxim spielte da einen langen Ball auf Artem Kravets, der per Kopf das Tor zum 2:1-Endstand des VfB Stuttgart gegen den Hamburger SV erzielte. Beide Spieler hatte Kramny, dieser Fuchs, zuvor eingewechselt. "Die Wechsel haben gepasst", sagte er nach dem dritten Bundesliga-Sieg in Serie so nüchtern, als hätte er gerade eine Partie mit einer E-Jugend Mannschaft gewonnen. Stuttgart hat nun die letzten fünf Spiele hintereinander nicht verloren, der Vorsprung auf die direkte Abstiegszone beträgt nun schon sechs Zähler. Kramny scheint den VfB in die richtige Spur gebracht zu haben.

Ausgerechnet Jürgen Kramny, mag sich der HSV-Trainer Bruno Labbadia wohl gedacht haben. Jahrelang waren sich die beiden Trainer immer wieder über den Weg gelaufen. Kramny immer in der Position des Untergebenen, Labbadia immer in der Position des Chefs. Vor zehn Jahren in Darmstadt zum Beispiel, als der Mittelfeldspieler Kramny 15 Partien unter Labbadia spielte. Dann in Stuttgart, als Labbadia von 2010 bis 2013 den VfB trainierte - und Kramny für den Nachwuchs zuständig war.

Als ob der VfB nur in der Wüste trainiert hätte

Nun aber, beim erneuten Aufeinandertreffen in Stuttgart, waren sie endlich gleichauf - zumindest was die Position des Jobs anging. Auf dem Platz aber waren Kramnys Jungs Labbadias HSV in allen Belangen überlegen. Der VfB erspielte sich Chancen über Chancen, 24 Torschüsse verzeichnete die Statistik, der HSV wirkte in der Abwehr konfus. "Wir haben Stuttgart durch zu viele Ballverluste in der Vorwärtsbewegung in die Karten gespielt", sagte Labbadia. Nur einmal wirkte der HSV in der ersten Hälfte gefährlich, als Pierre-Michel Lasogga freistehend vor VfB-Torwart Przemyslaw Tyton an die Latte schoss (9. Minute). Nur einen Gegner bekamen die Stuttgarter lange nicht in den Griff: das stürmische Wetter.

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Die Stuttgarter feiern die Führung durch Daniel Didavi, der im Zentrum der Jubeltraube steht.

(Foto: Jan Huebner/imago)

Der Regen und der starke Wind machten die stürmischen Angriffe der Stuttgarter nämlich immer dann zunichte, wenn es am meisten zählte: beim Torabschluss. Sowohl Kapitän Christian Gentner (3. und 18. Minute), Filip Kostic (29.) und Timo Werner (42.) trafen den Ball bei ihren Abschlüssen freistehend vor dem Tor so schlecht, als hätten sie in den vergangenen Wochen nur in der Wüste trainiert.

"Wir haben einfach weitergemacht"

Weil es dann aber doch noch was wurde mit den Toren, durfte Daniel Didavi nachher sagen: "Das Spiel war wie das Wetter, es war ein Kampfspiel. Wir haben ein überragendes Spiel gemacht, das vielleicht beste der Saison. Wir hätten viel früher höher führen müssen, aber wir haben uns am Ende belohnt und sind jetzt überglücklich. So müssen wir weitermachen", sagte er außerdem.

Zunächst aber scheiterte der VfB auch in der zweiten Halbzeit, obwohl es aufhörte zu regnen, weiterhin reihenweise im Abschluss: Timo Werner verlor im direkten Duell mit HSV-Keeper Rene Adler (47. Minute), zwei Minuten später verpasste Kevin Großkreutz bei seinem Heimspiel-Debüt aus einem Meter Entfernung das Tor "In so Situationen hat man durchaus das Gefühl, dass man das Spiel noch verlieren könnte", sagte Kramny. "Aber wir haben einfach weiter gemacht."

"Das Finish zum Schluss war großartig"

Das wurde in der 66. Minute belohnt, als Didavi die Ecke von Kostic zum 1:0 verwertete. Es war bereits das neunte Saisontor des Technikers. Zwar kam der HSV nach dem 0:1 noch einmal zurück, als Artjoms Rudnevs eine Flanke von Matthias Ostrzolek mit einem sehenswerten Flugkopfball verwertete (75.). Der erste Treffer für Rudnevs seit über einem Jahr löste allerdings keine HSV-Offensive aus, wie Labbadia bemängelte: "Wenn wir dann das 2:1 machen, wäre es der Gnadenstoß für die Stuttgarter gewesen."

Daten und Fakten

Alle Daten und Fakten zum Spiel stehen hier.

Der fußballerische Konjunktiv. Stattdessen kam die hoch überlegene Mannschaft noch einmal zurück und legte nach, was ja, wie Kramny anmerkte, durchaus auch ein Qualitätsmerkmal ist. Dasselbe gilt für das Gespür für die richtigen Einwechslungen. Kramny wechselte in der 78. Minute erst Kravets und zehn Minuten später dann auch noch Maxim ein. Die beiden Spieler des Tages, die Kramny im direkten Duell mit seinem Weggefährten Labbadia zum Sieger des Tages machten.

"Das Finish zum Schluss war großartig. Wir haben eine wahnsinnige Mentalität entwickelt. So haben wir gegen jede Mannschaft eine Chance", sagte Kramny. Beim Jubel nach dem 2:1 fiel der Trainer übrigens hin. "Mir geht es gut, aber meine Hose kann ich wohl wegschmeißen. Aber es hat sich gelohnt. Es war Emotion pur und die musste raus. Das ist dann in einem Sturz geendet", sagte er. Es blieb das einzige Missgeschick des Abends.

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