Vettel siegt beim Großen Preis von Italien:Trocken durch das rote Meer

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Brillantes Manöver, verdienter Sieg, beste Aussichten: Nach seinem ersten Erfolg in Monza kann Sebastian Vettel schon im nächsten Grand Prix den WM-Titel verteidigen. Auch Michael Schumacher glänzt mit einem guten Ergebnis - und begeistert lange als Hauptdarsteller des Rennens im Ferrari-Land.

Michael Neudecker, Monza

Fernando Alonso stieg vom Podest, er hatte einen kleinen silbernen Pokal in der Hand, er ging vor zum Geländer und verbeugte sich. Unten, direkt vor ihm, war die eigentlich asphaltgraue Zielgerade der Formel-1-Strecke von Monza schon ein riesiger, wallender Menschenteppich, über und über besetzt mit roten Punkten. Monza ist das Ferrari-Rennen, die Menschen strömen hier nach dem Rennen stets auf die Strecke, und sie jubelten jetzt also Alonso zu, dem Ferrari-Fahrer. Alonso lächelte kurz, dann stieg er wieder zurück aufs Podium, ganz außen. Er hatte ja nicht gewonnen. Alonso war Dritter geworden, hinter Jenson Button und, nun ja, Sebastian Vettel. 13 Rennen sind seit Sonntag vorbei in dieser WM-Saison, Vettel hat jetzt acht davon gewonnen; der Sieg in Monza war der 18. seiner Karriere. Aber Monza ist eines der besonderen Rennen im Kalender, wegen der Tradition, der Atmosphäre, der Tifosi. Sebastian Vettel ist kein pathetischer Mensch, aber er konnte dann nicht anders: "Als ich über die Ziellinie gefahren bin", sagte er, "ist ein Traum wahr geworden." Der Jubel, die Menschen, "sie kommen von überall", sagte Vettel, "unglaublich", und später erneut: "Unglaublich." Als sie die deutsche Hymne spielten, weinte er. Knapp zehn Sekunden hatte sein Vorsprung auf Jenson Button betragen, sein Sieg war nur kurz nach dem Start für einen Moment in Gefahr gewesen. Schon am Samstag hatte die Konkurrenz über Vettel gestaunt. Der Umstand, dass Vettels RB7 auf den Geraden etwas im Nachteil gegenüber den Wägen der Anderen ist, ist in der Szene hinlänglich bekannt - Vettel fährt, wie er selbst bestätigte, mit einer kürzeren Übersetzung in den einzelnen Gängen als üblich. Der Motor stößt damit schneller in den Drehzahl-Grenzbereich. Diese Wahl soll ihm, gepaart zumal mit der herausragenden Aerodynamik seines RB7, Vorteile für die Kurvenfahrten bringen. Monza aber ist eine Strecke, die vor allem aus langen Geraden besteht - am Ende des Qualifyings war bei Sebastian Vettel die mit Abstand langsamste Spitzengeschwindigkeit aller Fahrer gemessen worden (327,7 km/h). Und dennoch deklassierte Vettel die Konkurrenz. Die Pole Position holte er sich mit einer halben Sekunde Vorsprung auf Lewis Hamilton. "Er war megaschnell", sagte danach Hamilton, er wirkte beeindruckt. Im Rennen aber nutzte Vettel das zunächst eher wenig: Als die roten Lichter im Parco di Monza ausgingen, blieb Vettel zwar vor Hamilton, von Rang vier aber zog Ferrari-Fahrer Fernando Alonso an allen vorbei. Als es in die erste Kurve ging, führte also Alonso vor Vettel, Hamilton - und Michael Schumacher. Dem Mercedes-Piloten war ein ähnlich beeindruckender Start wie Alonso geglückt, von Position sieben überholte er Felipe Massa, Mark Webber und Jenson Button. Überhaupt Schumacher: Lange Zeit war er zusammen mit Lewis Hamilton der Hauptdarsteller des Rennens. Die beiden lieferten sich einen Zweikampf, so erbittert, wie man einen Zweikampf im Motorsport überhaupt nur führen kann. Am Ende wurde Schumacher Fünfter. Und Sebastian Vettel? Der holte sich in Runde fünf auf ziemlich trockene Weise seine am Start eingebüßte Führungsposition zurück. Man mag über die große Bedeutung des Autos für das Rennergebnis denken, was man mag: Es gibt in der Formel 1 nicht viele Fahrer, die derart entschlossen und zugleich souverän überholen können wie Vettel. Als Alonso und Vettel in die sogenannte Roggia-Schikane kamen, eine langgezogene Kurvenkombination, an deren Eingang die Autos mit rund 330 km/h eintreffen, schloss Vettel zu Alonso auf, und dann, als die beiden über die Rechtskurve die Schikane wieder verließen und beschleunigten, fuhr Vettel an Alonso vorbei. Außen. Er streifte noch kurz die Wiese neben der Strecke, doch Alonso hatte keine Chance. Er musste Vettel passieren lassen. Die bemerkenswerte Kurvenlage, die Vettels Red Bull erreicht, lässt sich natürlich dann am besten ausnutzen, wenn er keine Autos vor sich hat, weshalb Alonsos einzige Siegchance darin bestanden hätte, die Distanz zu Vettel auf der Geraden auf unter einer Sekunde zu halten - dann nämlich erlaubt das Reglement das sogenannte DRS, eine Veränderung am Heckflügel per Knopfdruck, die einen kurzzeitigen Temposchub bewirkt. Nur: Es ist derzeit ziemlich schwierig, weniger als eine Sekunde hinter Sebastian Vettel zu bleiben. Für Fernando Alonso war es diesmal unmöglich. Über das DRS, sagt Vettel deshalb nach dem Rennen mit einem Grinsen, "habe ich mir keine Sorgen gemacht". Vettel fuhr eine schnellste Runde nach der anderen, sein Abstand zu Alonso wurde immer größer. Hinter ihm holte unterdessen Button Alonso ein, ehe er ihn in der 36. Runde schließlich überholte. In der Gesamtwertung haben Button und Alonso damit Vettels Teamkollegen Mark Webber (der in der fünften Runden nach einer Kollision mit Felipe Massa ausschied) überholt, Vettel führt nun mit 112 Punkten Vorsprung vor Alonso. Natürlich musste Vettel dann wieder die Frage nach dem WM-Titel beantworten, da atmete er kurz durch, dann wiederholte er, was er immer sagt: Schritt für Schritt gehen. Abwarten. Und so weiter. Schon sehr bald wird ihm diese Frage niemand mehr stellen. Vielleicht schon nach dem nächsten Rennen, in zwei Wochen in Singapur.

"Ein Traum ist wahr geworden": Sebastian Vettel nach seinem Grand-Prix-Sieg in Monza.  (Foto: dpa)
© SZ vom 12.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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