Formel 1:Funk-Theater mit Vettel und Leclerc

Formel 1: Da war Sebastian Vettel (l.) noch im Rennen und vor Charles Leclerc.

Da war Sebastian Vettel (l.) noch im Rennen und vor Charles Leclerc.

(Foto: AFP)
  • Mit Lewis Hamilton und Valtteri Bottas gewinnen beim Großen Preis von Sotschi zwei Mercedes-Piloten.
  • Ferrari wird von der eigenen Strategie und technischen Problemen ausgebremst.

Von Anna Dreher

Nach gerade einmal sechs Runden war es schon wieder so weit. Es knarzte kurz, dann folgte der erste Funkspruch, den Ferrari beim Großen Preis von Russland auf dem International Street Circuit von Sotschi an Charles Leclerc schickte. Es war der Auftakt eines Austausches, der zeigte, dass die Rivalität zwischen dem viermaligen Weltmeister Sebastian Vettel, 32, und Leclerc, 21, auch nach der jüngsten Erfolgsserie des Traditionsrennstalls und gegenseitigem Bekunden des Verständnisses höchst lebendig ist.

Es war der Auftakt der Diskussion um eine fragwürdige Absprache, die den vierten Ferrari-Sieg in Serie bringen sollte im vierten Rennen seit der Sommerpause, das dann jedoch Lewis Hamilton im Mercedes vor seinem Teamkollegen Valtteri Bottas und Leclerc gewann. In der Gesamtwertung führt Hamilton fünf Rennen vor Schluss mit 322 Punkten weiter vor Bottas (249) und Leclerc (215). Vettel kommt auf 194 Zähler, er ist Fünfter hinter dem Red-Bull-Fahrer Max Verstappen aus den Niederlanden (212)

. "Sebastian wird dich vorbeilassen in der nächsten Runde", hörte Leclerc, während er Vettel nur entfernt sehen konnte. Dieser hatte 1,3 Sekunden Vorsprung und war soeben die schnellste Runde des Feldes gefahren. Und nun sollte er Leclerc vorbeilassen? "Lasst uns die Lücke auf Mercedes noch vergrößern", antwortete Vettel. Aber nur eine Runde später wurde die Aufforderung wiederholt: "Lass Charles vorbei." Immer noch war Vettel schneller: "Er soll näher kommen."

Dann verschärfte einer den Ton, der in seiner ersten Saison für Ferrari schon oft mit forscher Stimme ins Helmmikrofon gesprochen hatte. Zuletzt vor einer Woche in Singapur, als Vettel eine Runde vor dem Führenden Leclerc an die Box gerufen wurde. Vettel schob sich dadurch vor den Monegassen und feierte seinen ersten Sieg nach einer 392 Tage langen Pause. Leclerc fühlte sich von der Strategie des Teams um den Erfolg betrogen. "Ihr habt mich nach hinten gebracht! Aber wir werden später reden. Ich versuche jetzt, die Lücke zu schließen", blaffte Leclerc nun in Sotschi. Und damit zurück zum Start.

Leclerc hatte sich auf der 5,848 Kilometer langen Strecke am Schwarzen Meer seine vierte Pole Position nacheinander geholt. Das war als letztem Ferrari-Piloten Michael Schumacher 2000 gelungen, im Jahr seines ersten WM-Titels im roten Rennwagen. "Die Pole Position ist toll, aber ich bin nicht sicher, ob es der beste Kurs ist, um ganz vorne zu stehen", sagte Leclerc. Die Startgerade in Sotschi ist 890 Meter lang, viel Zeit also für die hinter Leclerc lauernden Hamilton, Vettel und Bottas, um sich im Windschatten anzupirschen. "Wie man auf den ersten Metern wegkommt, ist immer wichtig, aber auf dieser Strecke ist es noch wichtiger", sagte Leclerc. Am Sonntag folgte die Bestätigung.

Vettel erwischte einen derart guten Start, dass er erst links am Mercedes von Hamilton und schließlich noch rechts auf der Innenseite der Strecke vor der ersten Kurve an Leclerc vorbeizog. Und Ferraris Boxenfunk-Theater begann. "Was die Absprache angeht, möchte ich das intern regeln. Ich habe es zu dem Zeitpunkt sicher nicht verstanden", sagte Vettel später: "Ich habe meinen Teil eigentlich eingehalten. Ich bin hier, um Rennen zu fahren." Sein Teamchef Mattia Binotto antwortete später beim Sender RTL auf die Frage, um was es denn nun konkret gehe: "Wir haben mit den Fahrern vor dem Rennen besprochen, dass Charles Sebastian Windschatten gibt, um sicher zu gehen, dass er an Hamilton vorbeikommt."

Und dann erfolgte wieder ein Funkspruch: "Keine Power!", sagte Vettel

Dieser Plan war ja auch aufgegangen, nur, dass Vettel eben den Windschatten so gut ausgeschöpft hatte, dass er nicht nur an Hamilton, sondern auch an Leclerc vorbeizog. Leclerc war sauer, fühlte sich benachteiligt. Und Vettel? Der sah es nicht ein, sich hinter seinem Teamkollegen einzureihen.

Jetzt war er ja der Schnellere. Die Scuderia wollte in jedem Fall vorne bleiben, und beschloss schließlich, die Situation über den Boxenstopp zu lösen. Der langsameren Konkurrenz blieb nichts weiter als abzuwarten. "Diese Jungs haben ganz schön Tempo!", funkte der verzweifelte Hamilton. Noch war das Momentum auf Seiten der Scuderia. Im Olympiapark aber hatte bisher immer Mercedes gewonnen: 2014, 2015 und 2018 Hamilton, zwischendurch Nico Rosberg und Bottas. In diesem Jahr brachte sich die Scuderia selbst um den möglichen Doppelerfolg, Pech kam dann auch noch hinzu.

Weil der Positionswechsel der Fahrer nicht wie gewünscht auf der Strecke funktioniert hatte, erzwang ihn das Team. Vettel hatte mehrmals gesagt, dass seine Reifen durch waren, in der 23. Runde wurde aber zuerst Leclerc an die Box geholt. Danach war der Monegasse wieder Erster seines Teams, die beiden Mercedes vor sich. Tja, und dann erfolgte wieder ein Funkspruch: "Keine Power!", sagte Vettel. In der 28. Runde musste er seinen Wagen an der Strecke parken: "Auf einmal stand mir keine Leistung von der Batterie mehr zur Verfügung. Das ist bitter, ich war gut im Rennen, leider hat mich die Technik ausgebremst." Er sprang von seinem Wagen, wie er es sonst nur nach Siegen tut.

Die darauffolgende Safety-Car-Phase nutzte Mercedes geschickt zu einem Doppelstopp. Als Leclerc zwei Runden später wieder auf die Softmischung umstieg, brachte ihm das zwar zwei Versuche, an Bottas auf der Geraden vorbeizuziehen. Aber so geschickt wie Vettel beim Start konnte Leclerc den Windschatten nicht nutzen. Und eine Absprache mit Mercedes, ihn vorbeizulassen, hatte Ferrari nicht.

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