Sebastian Vettel:Plötzlich James Bond

Sebastian Vettel

Wo fährt er im nächsten Jahr? Sebastian Vettel

(Foto: dpa)

Erst die Trennung, dann das lahme Auto von Ferrari: Doch nun tut sich für Sebastian Vettel mit dem Angebot des künftigen Rennstalls Aston Martin eine rosige Perspektive auf.

Von Philipp Schneider

Ach, was ist der Mann nicht schon alles gefahren in seiner langen Karriere. So viele verschiedene Marken! Wenn man ehrlich ist, hat er sein Auto fast so oft gewechselt wie die Freundin. Da kann Sebastian Vettel sich schnell mal an das falsche erinnern.

Was in all den Jahren sein liebster James-Bond-Wagen war? Vettel fährt den rechten Arm aus, schneidet mit ihm durch die Luft, ja, ganz klar: "Das Auto, das in der Mitte durchgesägt wurde", sagt Vettel. Er erinnere sich noch genau an den Moment, als ihm jemand mitteilte, dass der schöne Wagen für diese Szene real zerteilt werden musste. Kein Spezialeffekt. Zersägt wie einen Laib Brot haben sie ihn. Vettel sagt: "Ein Schock war das!"

Für Vettel dürfte es anstrengend bleiben in der Formel 1

Er blickt rüber zu Charles Leclerc, seinem Teamkollegen bei Ferrari: "Weißt du, mit welchem Auto Sean Connery durch die Alpen gefahren ist?" Weiß er nicht. Connery fährt einen Aston Martin DB5, keinen BMW Z8, der erst Jahrzehnte später zersägt wird und der Vettel nun ausgerechnet als Erstes in den Sinn kommt. Aber egal. Leclerc bittet um Entschuldigung. Spielt ja alles weit vor seiner Geburt. Außerdem: Er hat offensichtlich keine Lust, über James Bond zu reden. Nur weil Vettel "lose Gespräche" geführt hat mit einem Rennstall, der 2021 umbenannt wird in Aston Martin.

Leclerc steht auf. "Das war mal eine interessante Pressekonferenz", murmelt er.

Für Vettel war sie eher anstrengend. Und anstrengend dürfte es bleiben für ihn in der Formel 1 - solange er sich nicht festlegt, entweder die Karriere zu beenden oder das lose Angebot von Racing Point zu vertiefen, das ihm der Teambesitzer Lawrence Stroll offenbar schon vor dem Saisonstart bei einem Treffen in Strolls Landhaus in Gstaad unterbreitet hat. Die Wahrscheinlichkeit liege für beide Optionen bei "50 Prozent", sagt Vettel.

Racing Point heißt Strolls Rennstall derzeit noch: 2018 hat der kanadische Milliardär, reich geworden mit hochpreisigen Modelabels, das insolvente Team Force India aufgefangen. Seither hebt der 61-Jährige auch deshalb die Motorsportwelt mit Geld aus den Angeln, damit sein Sohn Lance Stroll, 21, Rennfahrer sein darf. Anfang dieses Jahres übernahm Papa Stroll mit seinem Konsortium für rund 216 Millionen Euro auch noch 16,7 Prozent der Anteile des Sportwagenherstellers Aston Martin. Seither ist klar, dass Racing Point ab 2021 auch einen Aufkleber als Werksteam Aston Martins erhalten wird. Und dass Stroll Junior endlich hochoffiziell in einer Marke sitzen darf, mit der Sean Connery 1964 in "Goldfinger" durch die Alpen gondelte: Die Geschichte der Familie Stroll ist auch eine Geschichte der Besessenheit.

Toto Wolff wiederum, der Teamchef von Mercedes und ein enger Vertrauter Strolls, findet das Projekt so spannend, dass er sich einen 0,95-prozentigen Anteil an dem britischen Automobilbauer sicherte. Vor einigen Wochen wurde im Fahrerlager aufgeregt darüber geredet, Wolff werde als Geschäftsführer zu Racing Point wechseln. Die Spekulationen endeten erst, als Daimler versicherte, Wolff werde bleiben. Unterschrieben hat Wolff noch nicht, sein Vertrag läuft Ende der Saison aus.

Perez selbst befeuert die Wechselgerüchte noch

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Vettel Strolls Offerte ernsthaft in Betracht zieht. Wenn er weiterfahre in der Formel 1, das betont er in Variationen immer wieder, müsse sichergestellt sein, dass er über ein Auto verfüge, mit dem sich Rennen gewinnen ließen. Nur aus Freude am Fahren steigt er nicht mehr um in ein anderes Auto. Die Racing Points sind in dieser Saison nicht nur schneller als der lahmende Ferrari, aus dem Vettel Ende des Jahres befreit werden wird. Mit dem umstrittenen Konzept, ein freches Plagiat des Vorjahres-Silberpfeils auf die Straße zu setzen, sind die Pinkpfeile so flink, dass Renault eine Untersuchung erkämpft hat, die der Weltverband derzeit vorantreibt.

Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, ist es so, dass Kundenteams wie Racing Point zwar etwa den Motor, das Getriebe und die Radaufhängungen einkaufen dürfen bei Mercedes. Ein paar Teile jedoch, die sogenannten "Listed Parts", müssen sie laut Reglement selber entwickeln, sonst verlieren sie ihre Zulassung. Die Nase des Wagens etwa gehört dazu, auch die Verkleidung. Weil Nachbauen, also Plagiieren auf der Basis von Fotos aber erlaubt ist, hat Renault nun konkret ein anderes Teil beanstandet: die Bremsbelüftung. Bei dieser ist entscheidend, wie sie im Innern aufgebaut ist, was sich auf Fotos nicht erkennen lässt. Um zu prüfen, ob Mercedes Racing Point auch mit Daten half, was verboten wäre, hat die Fia Bremskühlungen der Pinkpfeile und der 2019er-Silberpfeile konfisziert und legt sie jetzt nebeneinander.

Fügt man nun alle Zutaten zusammen - Plagiatsdebatte, erstaunliche Geschwindigkeit, dazu ein viermaliger Weltmeister im Anflug -, so darf man Lawrence Stroll zu seinem PR-Coup gratulieren: Sein kleiner Rennstall mit Sitz in Silverstone interessierte zuvor eigentlich nur Motorsportpuristen. Also die harten Jungs, die sie in England "Petrol Heads" nennen, Benzinköpfe. Inzwischen wird mehr über Racing Point geredet als über Red Bull.

Sergio Perez, den Vettel eher ersetzen dürfte als den Sohn des Rennstallbesitzers, auch weil sein Vertrag angeblich eine Aufhebungsklausel besitzt, sei "vom 16. Startplatz wie ein heißes Messer durch die Butter nach vorne geglüht": Das ist Helmut Marko im vergangenen Rennen aufgefallen, dem Motorsportberater von Red Bull. Die Ferraris hingegen, um im kulinarischen Bilde zu bleiben, wären wohl wie ein feuchter Sack fauler Kartoffeln auf der Strecke gepappt, hätte Leclerc nicht sich und seinen Teamkollegen in der ersten Runde aus dem Rennen katapultiert.

Perez selbst befeuerte die Wechselgerüchte noch, in dem er freimütig erzählte, ein anderes Team habe ihn bereits kontaktiert, nachdem es von einem möglichen Engagement Vettels bei Racing Point erfahren hätte. Vettel wiederum will seine Entscheidung nicht überstürzen: Dem Vernehmen nach, aber diese Hoffnung nimmt mit jedem Tag ab, schielt er noch immer auf eine Rückkehr zu Red Bull. Zumal Helmut Marko, sein Vertrauter und einstiger Förderer, vor allem mit dem Zeitpunkt von Vettels plötzlicher Arbeitslosigkeit argumentiert, der ein schlechter sei. "Das ist momentan für das Jahr 2021 keine Variante", sagte Marko: "Dass Sebastian auf den Markt kommt, war eine Überraschung."

Weniger überraschend ist, dass am Freitag alle Bemühungen von Otmar Szafnauer ins Leere liefen, die Vettel-Debatte kleinzureden. Seine Fahrer besäßen gültige Verträge, sagte der Teamchef von Racing Point. "Unsere Absicht ist nie, einen Vertrag nicht einzuhalten."

Mag ja sein. Dass Vettel überraschend auf den Markt kommt, war garantiert auch nie die Absicht von Lawrence Stroll.

Aber so ein viermaliger Weltmeister taugt einfach zu gut als Fahrlehrer für den Sohn.

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Er kam als vierfacher Weltmeister, jetzt ist er genervt und chancenlos: Sebastian Vettels Zeit bei Ferrari endet im Frust - weil er selbst Fehler macht und sein Auto nicht mitspielt.

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