Verschwundener Fußballprofi in Magdeburg:Feind im eigenen Klub

"Der Junge braucht sich hier nicht mehr blicken zu lassen": Der Fall des untergetauchten Regionalliga-Fußballers Daniel Bauer wirft ein seltsames Licht auf den 1. FC Magdeburg. Unklar ist vor allem, ob und wie der Verein versucht hat, seinen Spieler vor gewaltbereiten Ultras zu schützen. Wie glaubwürdig ist Bauer selbst?

Boris Herrmann

Die Stimme von Daniel Bauer klingt höflich und fröhlich. "Hi, ich bin im Moment nicht zu erreichen. Also wartet auf den Piepston und redet munter drauflos." So richtig munter will bei Bauer im Moment aber niemand mehr auf die Mailbox sprechen. Der 29-jährige Mittelfeldspieler des 1. FC Magdeburg ruft auch nicht zurück. Er ist untergetaucht. Er hat wohl Angst.

Nach Bedrohung: Bauers Berater kritisiert Vereinsfuehrung

Erst bedroht, dann abgetaucht: Daniel Bauer vom 1. FC Magdeburg soll von Fans des Vereins zu Hause besucht worden sein.

(Foto: dapd)

Der Fall Bauer, der in den vergangenen Tagen die Runde machte, markiert zweifellos eine neue Eskalationsstufe in der gegenwärtigen Debatte um Fangewalt im deutschen Fußball. Erstmals ist offenbar ein Spieler von aufgebrachten Anhängern vor der eigenen Wohnung aufgesucht worden. Funktionäre und Wissenschaftler schlagen zu Recht Alarm. Gleichwohl wäre es unangebracht, im Moment allzu voreilige Querverweise zu ziehen.

Dafür gibt diese Geschichte (und ihre Vorgeschichte) noch zu viele Rätsel auf. Bauer steht dabei in der Mitte eines Falls, der ein höchst seltsames Licht auf den gesamten Verein und sein Umfeld wirft. Die Beteiligten widersprechen sich - sofern sie sich äußern wollen und dürfen - zum Teil diametral. Auch in der Presse wurden in den zurückliegenden Tagen Fehlinformationen verbreitet.

Soweit sich die Geschichte rekonstruieren lässt, ist Daniel Bauer am Donnerstagabend von Vermummten vor seiner Haustür bedroht worden. Dabei soll der Satz gefallen sein: "Das ist eine Vorwarnung. Wenn ihr gegen Halle nichts tut, kommen wir wieder." Dem Vernehmen nach trugen die Täter Sturmmasken in den Farben des 1. FC Magdeburg.

Weitere Zeugen, zum Beispiel Bauers Freundin, waren entgegen zahlreicher Darstellungen nicht dabei. Bauer ist dann auch nicht, wie berichtet, direkt geflüchtet, sondern hat seinen Trainer Ronny Thielemann angerufen. Am nächsten Morgen nahm er am Training teil. Gegen 12 Uhr am Freitag stellte der 1. FC Magdeburg dann Anzeige gegen Unbekannt. Bauer selbst verzichtete auf eine Meldung bei der Polizei.

Als aber seine Mutter, die bei Koblenz wohnt, von der Geschichte erfuhr, soll sie einen Nervenzusammenbruch erlitten haben. Daraufhin bat Bauer, vom Spielbetrieb freigestellt zu werden, um zu seiner Familie zu fahren. In Absprache mit der Polizei und Bauer teilte der 1. FCM vor dem Derby gegen den Halleschen FC (0:0) am Sonntag mit, der Spieler sei aus "familiären Gründen" nicht dabei. Unter anderem wegen dieser Halbwahrheit hat Bauers Berater Henry Hennig im Tagesspiegel schwere Vorwürfe gegen den Verein erhoben.

Er sprach von fehlender Unterstützung und dem Versuch, "das Thema unter den Teppich zu kehren". Hennig deutete auch an, dass sein Mandant womöglich nicht mehr nach Magdeburg zurückkehren werde.

Am Dienstagmorgen machte das Gerücht die Runde, wonach Bauers Vertrag aufgelöst werden solle. Klubsprecher Stephan Lietzow dementierte das, nach seinen Angaben hat der Verein seit Freitag keinen Kontakt mehr zu Bauer gehabt.

Derweil konnte die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord nach tagelang ergebnislosen Versuchen vermelden: "Wir haben Kontakt zu Herrn Bauer!" Jetzt sollen möglichst schnell Spieler, Trainer und Vereinsführung vernommen werden. Dabei wird vermutlich auch wieder ein "Bedrohungsvorgang" vom April dieses Jahres eine Rolle spielen. Damals hatte Bauer eine Anzeige bei der Polizei gemacht, weil er angeblich per SMS Morddrohungen erhalten habe. Er verdächtigte einen Mitspieler aus der eigenen Mannschaft. Die Polizei nahm Ermittlungen auf, stellte das Verfahren am 17. Mai aber aus Mangel an Beweisen ein.

Entlassung gefordert

Bauer war damals noch Kapitän des Teams. Und neben der Frage, wie unter solchen Umständen eigentlich elf Menschen zusammen Fußball spielen können, erscheint es dubios, dass der Verein von angeblichen Morddrohungen zwischen Mitspielern nichts mitbekommen haben will. "Darüber ist uns nichts bekannt", teilte der 1. FCM auf Anfrage der SZ mit.

Magdeburger Fussballer von Vermummten an Haustuer bedroht

Früher Kapitän, jetzt unauffindbar: Daniel Bauer vom 1. FC Magdeburg.

(Foto: dapd)

Ein Insider des Vereins berichtet darüber hinaus, dass Ende der vergangenen Saison, als der Klub fast aus der Regionalliga abgestiegen wäre, "ein paar Ultras die Mannschaft aufmischen wollten." Schon damals habe Bauer in Fankreisen als der "Verursacher der sportlichen Probleme" gegolten. Als die Ultras zum Platz kamen, seien die Spieler aber schon weg gewesen. Der Verein habe einen Hinweis erhalten und das Training vorzeitig abgebrochen. Auch von diesem sicherheitsbedingten Abbruch hat der Klub angeblich keine Kenntnis.

Sehr wohl dokumentiert ist indes ein offener Brief des Dachverbandes der FCM-Fanklubs von vorvergangener Woche, indem die Entlassung von Trainer Wolfgang Sandhowe gefordert wird. Vergangene Woche wurde Sandhowe beim Tabellensechzehnten dann tatsächlich entlassen. Bauer galt als Günstling des ehemaligen Trainers, in Fankreisen wurden sie schon mal als Vater und Sohn verspottet. Beide hatten die Ultras des Klubs auch immer mal wieder offen kritisiert. Sandhowes Nachfolger Thielemann entzog quasi als erste Amtshandlung Bauer die Kapitänsbinde. Daraufhin trat der Mannschaftsrat zurück.

Es stellt sich an dieser Stelle schon die Frage, wer beim 1. FC Magdeburg eigentlich die Politik bestimmt, die Angestellten oder die Zuschauer? Stürmer Denis Wolf sagte der Bild: "Bei dieser Fanszene in Magdeburg ist es besser, man überlegt sich ganz genau, was man sagt. Deshalb werde ich mich nicht äußern."

Der Verein hat unter anderem seinem Fanbetreuer untersagt, in dieser Sache mit der Presse zu sprechen. Ein Kenner des Klubs äußert zudem Zweifel an Bauers Glaubwürdigkeit und beschreibt die Stimmungslage so: "Der Junge braucht sich hier nicht mehr blicken lassen."

Das letzte von Daniel Bauer überlieferte Statement stand am Samstag in der Volksstimme. Es lautet: "Wie hier die Spieler geschützt werden, soll das Präsidium beantworten."

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