Verpflichtung von Eljero Elia:Erziehungsanstalt namens Werder Bremen

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Egal ob Ailton, Diego oder Arnautovic: Werder Bremen hat eine lange Tradition beim Kauf von vermeintlichen Problemspielern. Früher ging es häufig gut, zuletzt immer öfter schief - jetzt versucht es der Klub mit dem holländischen Exzentriker Eljero Elia.

Boris Herrmann

Der sogenannte Problemspieler zeichnet sich dadurch aus, dass er überdurchschnittliches Talent mit unterdurchschnittlichem Fleiß kombiniert. Sein sogenanntes Potenzial beschreibt die Lücke, die dazwischen liegt. Der Problemspieler (in jüngeren Jahren auch "Rohdiamant" genannt) ist stets mit sich im Reinen, mit seinem Umfeld liegt er dafür meistens über Kreuz. Er fühlt sich entweder unterfordert oder überfordert.

Mittelfeldmann Eljero Elia (r.): Bundesliga-Rückkehr bei Werder Bremen. (Foto: imago sportfotodienst)

Dass er trotzdem Fußball spielt, lässt er sich fürstlich bezahlen. Problemspieler sein, ist nämlich ein Knochenjob - mal abgesehen von den kleinen Annehmlichkeiten am Rande. In der Regel fährt der Problemspieler ein teures Auto und trägt eine fast ebenso teure Frisur. Großflächige Tätowierungen gehören zur Standardausrüstung. Um aber ein formvollendeter Problemspieler zu sein, sollte man mindestens einmal im Leben bei Juventus Turin auf der Bank gesessen haben.

Am Montag gegen 13 Uhr ist Eljero Elia, 25, auf der friesischen Insel Norderney gelandet, um sich dem Trainingsbetrieb seines neuen Arbeitgebers, des SV Werder Bremen, anzuschließen. Seinem Ruf als "Problemspieler" schien der Profi auch gleich gerecht werden zu wollen. Probleme zwischen Elia und Juventus Turin bei der Auflösung des Kontraktes verhinderten zunächst die geplante Unterzeichnung des Vierjahresvertrages in Bremen sowie den sofortigen Einstieg ins Training. Erst am Dienstag konnte Werder den Wechsel als perfekt vermelden: 5,5 Millionen Euro Ablöse, Vertrag bis 2016.

2009 wurde Eljero Elia in seiner Heimat zum "Talent des Jahres" gekürt, eine Auszeichnung, die zuvor Arjen Robben, Wesley Sneijder und Klaas-Jan Huntelaar erhalten hatten, und die deshalb weltweit registriert wird. Seitdem wurden auf dem Transfermarkt etwa 25 Millionen Euro in Sachen Elia ausgegeben; er wechselte vom FC Twente zum Hamburger SV, vom HSV zu Juventus Turin, von Juve zu Werder.

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Auf dem Rasen überzeugte der offensive Flügelspieler nach seiner Auszeichnung allerdings nur noch selten. Zwar wurde er 2010 mit den Niederlanden WM-Zeiter und gewann 2012 mit Juve den italienischen Scudetto. Aber so richtig dabei war er in beiden Fällen nicht. In Turin brachte er es in der vorigen Saison auf vier Einsätze, für die EM in Polen und der Ukraine wurde er nicht nominiert. Während seiner Zeit beim HSV hat sich Elia am Ende einer längeren Verletzungspause mal beide Brustflügel tätowieren lassen. Die Gemälde entzündeten sich, und Elia musste noch länger pausieren. An diese Geschichte wird aus aktuellem Anlass gerne erinnert: Bei Werder Bremen herrscht inzwischen ein Tattoo-Verbot.

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Werders ewiges Führungsduo Klaus Allofs und Thomas Schaaf hatte immer ein Faible für vermeintlich schwer erziehbare Spieler. Sie haben den Verein stets auch als Erziehungsanstalt begriffen. Gerade die einstigen Werder-Helden Johan Micoud, Ailton und Diego galten als Problemfälle, bevor sie der Marke Bremen zu Glanz verhalfen - und nicht selten fingen die Probleme wieder an, nachdem sie die Stadt verlassen hatten.

Bei späteren hochpreisigen Sorgenkindern wie Carlos Alberto oder Marko Arnautovic wurden die Lernziele dagegen verfehlt. Auch damit hängt es wohl zusammen, dass Werder zum zweiten Mal in Serie nicht europäisch spielt - dass der Glanz verblasst ist, das Konto weitgehend geplündert und die alte Mannschaft (Pizarro, Wiese, Marin, Borowski) auseinander fällt.

Warum ist ein seriöser Klub wie Werder in so einer Situation bereit, einen höheren einstelligen Millionenbetrag für Elia auszugeben? Warum investiert er fast alles, was er für den Marin-Wechsel zum FC Chelsea bekommen hat, in einen Mann, der kein Problemspieler bleiben muss, aber in jedem Fall ein Risikotransfer ist? "Wenn man gar keine Risiken mehr eingeht, muss man die Arbeit einstellen", sagt Klaus Allofs.

Wenn man Bremens Transferpolitik richtig versteht, dann sollen die Exzentriker Elia und Arnautovic die wohl exaltierteste Flügelzange der Liga bilden. In der Mitte spielt dann vermutlich der brave Nils Petersen, 23, den Werder gerade vom FC Bayern ausgeliehen hat. Auch Petersen ist talentiert, aber er ist einer jener Stürmer, denen man manchmal wünscht, sie strahlten etwas mehr Problemspielerisches und etwas weniger Ministrantenhaftes aus. Seine Verpflichtung ist so risikolos, dass sie im Verbund mit Elia auch schon fast wieder ein Risiko darstellt.

© SZ vom 10.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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