Fifa-Ethikbericht:Was geheim ist, soll geheim bleiben

FIFA

Will die Fifa ihre Korruptionsfälle wirklich aufdecken?

(Foto: dpa)

Der Fifa-Report über die mutmaßlich korrupten WM-Vergaben 2018 und 2022 soll nur intern verhandelt, aber auf keinen Fall veröffentlicht werden. Dafür gibt es heftige Kritik - auch innerhalb des Verbands.

Von Thomas Kistner

Bisher waren Michael Garcias Ermittlungsberichte weitgehend harmlos und des Auftraggebers Bedürfnissen angepasst. Trotzdem entspannt sich ein Riesengezerre um den jüngsten Report, in dem der Chefermittler der Fifa-Ethikkommission seine Ergebnisse zu den mutmaßlich korrupten WM-Vergaben 2018 (Russland) und 2022 (Katar) vorlegte. Entgegen der rituellen Transparenz-Gelöbnisse der Fifa soll dieser Report nur intern verhandelt, aber auf keinen Fall publiziert werden. Nun führt der Streit darüber sogar zu Rissen innerhalb des Ethikkomitees.

Nicht nur von außen, auch in Reihen des Fußball-Weltverbands wird die fortgesetzte Geheimniskrämerei scharf kritisiert. Fifa-Vizepräsident Prinz Ali bin Al Hussein von Jordanien fordert die "komplette Offenlegung des Berichts, das Publikum hat alle Rechte, ihn zu kennen". Auch Mark Pieth hat sich eingeschaltet, der mäßig erfolgreiche Reformchef der Fifa, der den Job 2013 beendet hat. Die Fifa müsse Transparenz in der Vergabefrage schaffen, forderte der Schweizer Kriminologe, das Thema sei "viel zu heikel und hat eine solche Dimension angenommen, dass in der Öffentlichkeit nicht das Gefühl aufkommen darf, Dinge würden unter den Teppich gekehrt".

Das Gefühl herrscht längst vor. Strafrechtler Pieth sagt sogar, um den Report zu publizieren, "müssten nicht einmal die Fifa-Regeln geändert werden". Das sieht Hans-Joachim Eckert ganz anders. Der Chef der Ethik-Spruchkammer hat Garcias Papier seit kurzem vorliegen, und der Münchner Richter hält sich sehr penibel an die Paragrafen. Er hat vor Tagen erklärt, nur die Eindrücke seiner Kammer zu dem Report sowie das Urteil dürften publiziert werden.

Das stieß nun bei Kollege Garcia auf so große Verärgerung, dass der US-Anwalt direkt gegen den Kammerchef-Kollegen opponiert. Er forderte per Mitteilung am Mittwoch den Fifa-Vorstand auf, "angesichts der begrenzten Rolle, die Herr Eckert für sein Gremium sieht", die komplette Veröffentlichung des Berichts zu beschließen. Garcia beruft sich dabei auf weitere Vorstandsmitglieder; neben Prinz Ali fordern US-Verbandschef Sunil Gulati, Jim Boyce (Nordirland), Moya Dodd (Australien) und Jeffrey Webb (Cayman-Inseln) die Freigabe.

Alle fünf waren beim bizarren WM-Votum 2010 nicht im Fifa-Vorstand. Den Kritikern trat nun auch Wolfgang Niersbach bei. Der DFB-Präsident wird 2015 den Blatter-nahen deutschen Fifa-Vorstand Theo Zwanziger im Amt beerben. Am Donnerstag zog der von Garcia attackierte Eckert nach. Er hält es nun "für vertretbar, wenn die Öffentlichkeit über einen Anklagesatz informiert würde". Das werde ja auch in der staatlichen Strafjustiz so gepflegt.

Ein britischer Abgeordneter hat das Betrugsdezernat eingeschaltet

Neben all dem Hickhack um die Geheimhaltung bahnt sich nun allerdings eine große Lösung an, die die Fifa kalt erwischen könnte. Der britische Abgeordnete Damian Collins hat das Betrugsdezernat Serious Fraud Office (SFO) eingeschaltet, die Ermittler sollen sich das 350-Seiten-Papier samt den 200 000 Seiten Anhängen mit Beweismitteln beschaffen, sofern all das nicht komplett veröffentlicht wird. "Die Fifa scheint sich für eine Selbstverwaltungsorgan zu halten, das nicht in die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden fällt", sagt Collins zu seinem Vorstoß. "Ich glaube aber, wenn es Informationen über Straftaten gibt, müssen diese den Strafbehörden angezeigt werden."

SFO kann Bestechung weltweit verfolgen

Die Betrugsbehörde SFO, so Collins auf SZ-Anfrage, könne Bestechung weltweit verfolgen. Zumal wenn es eine Organisation wie die Fifa betreffe, die Geschäfte auch auf der Insel treibt. Auch könnte das SFO gegen nicht-britische Staatsbürger ermitteln sowie "untersuchen, ob eine Organisation es versäumt hat, Maßnahmen zur Korruptionsvereitelung zu treffen".

Tatsächlich kann das SFO Garcias Arbeit als Anknüpfungspunkt für frühere Ermittlungen nutzen. Denn 2011 hatte der britische Verbandschef Lord David Triesman im Parlament über vielfältige Bestechungsversuche während der WM-Bewerbung berichtet, an der auch England teilgenommen hat. "Gäbe es Beweise dafür im Garcia-Bericht, kann das SFO dort ansetzen", sagt Collins, deshalb müsste die Fifa den Report zugänglich machen. Zudem habe "auch das FBI eine Untersuchung zum WM-Bieterverfahren. Garcias Report wäre auch für die von großem Interesse. Undenkbar, dass die Fifa die Herausgabe unterdrückt."

Collins fordert Verbände und vor allem die Sponsoren auf, Druck zu machen: "Europa muss die starke Botschaft an die Fifa aussenden, dass ihr Vorgehen nicht toleriert wird. Das ist keine Privatsache. Sie steht nicht über der internationalen Gesetzgebung." Konzerne wie Sony und Visa hätten die Fifa aufgefordert, den Verdachtsmomenten zur WM-Vergaben nachzugehen: "Wie soll das gehen, wenn die Ermittlungen nicht bekannt werden?"

Collins vermutet, die Fifa-Spitze wolle den Report geheim halten, "um ihre Freunde zu schützen". Was die Ergebnisse selbst angeht, bleibt bei ihm Skepsis. "Ich glaube nicht, dass Garcia unabhängig handeln kann. Er ist dem Ethikkomitee verpflichtet. Die Fifa scheint nur zu handeln, wenn es öffentlich beschämend wird, und sie versucht dann, das Minimum zu tun."

Das bezieht er auch auf die jüngste Affäre: Bei der WM hatten viele Fifa-Vorstände 25 000 Dollar teure Luxusuhren akzeptiert. Die Sache wurde publik, nun müssen sie diese wieder zurückgeben. Collins: "Die Tatsache, dass diese Leute ganz lässig solche Geschenke annehmen, deutet darauf hin, dass diese Behandlung für sie so alltäglich ist, dass sie gar nicht mehr darüber nachdenken."

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