Verletzungen im Sport:Athleten fordern größeren Schutz

21 Footballspieler der NFL reichen bei einem Gericht in Miami eine Klage ein: Sie fordern Schadenersatz wegen der enormen Gesundheitsrisiken, denen sie tagtäglich ausgesetzt sind. In vielen Sportarten ziehen sich die Ligen auf den Standpunkt zurück, sie seien lediglich Diener der Vereine. Das aber ist kurzsichtig. Und gefährlich.

René Hofmann

Wie geht es eigentlich Joachim Deckarm? Oder Reinhold Roth? Zu Weihnachten werden solche Fragen gerne gestellt, dann erinnert sich der Sport derer, die zu Opfern wurden. Joachim Deckarm, 57, stürzte im März 1979 im Handball-Europacup nach einem Zusammenprall unglücklich auf den Kopf. Er braucht einen Rollstuhl. Der Motorrad-Rennfahrer Reinhold Roth, 58, kollidierte im Juni 1990 beim Großen Preis von Jugoslawien beim Überrunden mit einem Kollegen - so schwer, dass er ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt und sechs Wochen lang im Koma lag. Seitdem ist er ein Pflegefall.

Maurice Jones-Drew,  Quincy Black, Mason Foster

Harter Sport: Maurice Jones-Drew (links) wird von Quincy Black und Mason Foster attackiert.

(Foto: AP)

Roth und Deckarm sind zwei prominente Beispiele deutscher Sportler, deren Karrieren nach schicksalhaften Zusammenstößen endeten. So schlimm kommt es - zum Glück - selten. Doch weltweit bringt der Sport viele hervor, die gezeichnet die Arenen verlassen. Ausgebrannte Turn-Kinder. Traumatisierte Boxer. Eishockey-Profis, die, auf dem Eis bloß zum Prügeln abgestellt, mit dem Alltag nicht klarkommen. Weihnachtliche Larmoyanz - das ist ein Weg, dem Phänomen zu begegnen.

Fast zwei Dutzend ehemaliger Football-Profis haben sich für einen ganz anderen entschieden: Zwei Tage vor Heiligabend reichte die Gruppe um den einstigen Pittsburgh-Steelers-Profi Leon Searcy, 42, bei einem Gericht in Miami eine Klage ein. Die 21 fordern Schadenersatz in noch unbestimmter Höhe von der NFL, der nordamerikanischen Profi-Football-Liga. Die wisse schon lange, welche enormen Gesundheitsrisiken die vielen Gehirnerschütterungen bergen, die es bei dem Sport gebe - und sie tue viel zu wenig dagegen. Die Liga verharmlose das Problem, was dazu führe, dass viele Spieler nach einer Kopfverletzung zu früh wieder aufliefen.

Derlei Klagen laufen derzeit in den USA einige. Mitte Januar will ein Richtergremium entscheiden, ob es die Fälle zu einem einzigen zusammenfasst. Wegweisend ist die Frage jetzt schon: Wie viel Verantwortung übernehmen die professionellen Organisationen, die den Sport veranstalten, für die Gesundheit derjenigen, die ihn ausüben?

Es gibt positive Beispiele. Beim Frauentennis wurde eine Altersregel eingeführt, um zu vermeiden, dass die Talente allzu früh allzu viel spielen. In der Formel 1 ist nach dem Tod von Ayrton Senna ein Bewusstsein für immer höhere Sicherheitsstandards gereift. Auch bei den Skispringern hat sich dank vieler neuer Schanzen, dank Gewichts- und Windregeln etliches verbessert. An anderer Stelle könnte durchaus mehr getan werden, vor allem dort, wo - wie in der NFL - in kurzer Zeit viele Auftritte zu absolvieren sind: in den Spielsportarten Basketball, Eishockey oder Fußball, auch hierzulande.

In diesen Sportarten ziehen sich die Ligen oft auf den Standpunkt zurück, sie seien lediglich Diener der Vereine. Das aber ist kurzsichtig, und wenn es um die Gesundheit der Protagonisten geht, kann es sogar gefährlich sein. Spieler wollen meist schnell wieder spielen, und die Klubs haben auch ein Interesse daran, dass es so läuft. Mit einer unabhängigen Instanz, die in Zweifels- fällen noch einmal alle Röntgen- bilder anschaut oder Entzündungswerte prüft, könnte es etliche larmoyante Geschichten weniger geben.

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