Verletzte Nationalspieler:Bayern versus Niederlande

Die Verletzungen von Arjen Robben und Mark van Bommel zeigen: Mit ihren Ansprüchen an die Verbände stehen die Klubs auf verlorenem Posten.

Thomas Kistner

Bald sehen sie sich also vor Gericht, der FC Bayern und der niederländischer Fußballverband KNVB. Es geht um Millionen, wenn die Münchner ihren Schaden aus der Verletzung Arjen Robbens und womöglich Mark van Bommels einklagen, überdies sollen im Nebeneffekt gewisse Vorrechte der Verbände gegenüber den Klubs beschnitten werden. Letztere sind Zahlmeister des Betriebs als Arbeitgeber der Nationalspieler, die Verbände indes Schmarotzer, die ihre Welt- oder Europaturniere mit dem geliehenen Personal zu den profitabelsten TV-Ereignissen aufblasen.

WM 2010 - Niederlande - Spanien

Das WM-Finale, das er wohl hätte nie bestreiten dürfen: Der angeschlagene Arjen Robben wird von den beiden Spaniern Joan Capdevila und Xabi Alonso (rechts) attackiert.

(Foto: dpa)

Im Fall Robben werfen die Bayern dem KNVB Ungeheuerliches vor: Trotz gerissener Muskulatur soll der Stürmer vier WM-Spiele bestritten haben; was da an Arznei reingepumpt worden sein dürfte, will man nicht wissen. Doch was aus moralischer (und Bayern-) Sicht so eindeutig erscheint, dürfte vor Gericht zur ungewissen Expedition werden: Wie lässt sich die Einsatzmöglichkeit eines gesunden Robben nachweisen, wie dessen Ausfall beziffern?

Die Fifa-Kopfpauschale

Die Beweissicherung fiel schwer, dafür trägt der am Eigennutz orientierte Weltverband Fifa Sorge. Dessen Statuten beinhalten eine generelle Abstellungspflicht für die Klubs, geregelt ist darin fast nichts, wenn es zu Verletzungen kommt. Es gibt offenbar nicht mal ein Einsichtsrecht für den Arbeitgeber in die Krankenakte eines im Turnier befindlichen Angestellten; die Bayern durften in Südafrika weder Robben noch dessen Befunde begutachten. Und statt einer profunden Versicherungslösung schüttet die Fifa pauschal rund 110 Millionen Euro an die Klubs aus, die ihre Kicker fürs Endturnier abstellen.

Ein schräger Ablasshandel? Als "großzügige Regelung" hatte dies Karl-Heinz Rummenigge noch Anfang 2008 gelobt. Am Freitag klang der Bayern-Vorstandschef anders, er beklagte via Bild: "Als Verein ist man wirklich machtlos." Rummenigge und Klubchef Uli Hoeneß kündigen massiven Widerstand insbesondere gegen die Abstellregeln der Dachverbände Fifa und Uefa an, sie fordern sogar ein Veto-Recht.

Kündigt sich da der Aufstand der Entrechteten an? Keineswegs. Nur ein alter Streit, der jetzt neu losgeht. Klubs und Verbände liegen ja stets im Clinch, mal weniger, mal mehr, stets haben letztere das bessere Ende für sich. Warum? Weil sie strategisch denken und zur Problemlösung den menschlichen Makel einkalkulieren, der just unter Sportfunktionären verbreitet ist: Geld. Seinerzeit, als Rummenigge die Abstellprämien der Verbände lobte, sprach er von einem "denkwürdigen Tag". Da hatte sich just die G14 aufgelöst, jene einflussreiche Allianz der 18 Topklubs in Europa. Das Bündnis war acht Jahre zuvor entstanden und hatte, ohne formale Legitimierung, Fifa und Europa-Verband Uefa viel Ärger bereitet. Mitreden wollte die G14 bei allem: Spielkalender, Transferrecht, Abstellungs- und Versicherungsfragen.

Drift in die Degeneration

2003 schimpfte Fifa-Boss Sepp Blatter öffentlich, niemals werde er mit diesen Leuten verhandeln, was er natürlich trotzdem tat; zu bedrohlich war das Klage-Szenario, dass die in Brüssel angesiedelte G14 aufzog. Im Giftschrank lag etwa ein Dossier, das die Rechtsgrundlage erschütterte, auf der die Fifa Klubs bei Strafandrohung verpflichtet, Spieler für die WM abzustellen und die Versicherungskosten zu tragen. Einseitig, ohne gemeinsame Abmachung.

Diese G14, die Oberschicht der Branche von München über Mailand bis Madrid, sägte an Blatters Thron, boykottierte gar dessen Klub-WM 2005. Sie hatte die Trümpfe in der Hand. Am Ende blieb sie doch nur ein heterogenes Gebilde ohne Stehvermögen, unfähig zu konzertierter Strategie, schon gar nicht zu echter Solidarität. Und der listige Blatter versprach mal Geld, um ihr die Macht abzukaufen, mal setzte er den Klubteams unsinnige Hürden in den Weg: Etwa eine lustige 6-plus-5-Regel, nach der mindestens sechs Einheimische in der Anfangsformation einer Elf stehen sollten - klar, dass das in der Europäischen Union nicht durchging. Doch hielt das Hirngespinst die aufsässigen Fußballeuropäer beschäftigt.

Milliarden vom Himmel

2008 packte Uefa-Chef Michel Platini den Stier bei den Hörnern. Die G14 erlosch, aus der Asche entstand ein Forum aus rund 120 Klubs, zu den Spitzenleuten zählt neben Forum-Chef Rummenigge ein Kollege aus Malta. Was die so treiben? Nichts, was die Verbände ängstigen muss. Dabei könnten sie viel bewegen. In der Schiedsrichter-Fortbildung, oder sie könnten die Technologie der Torentscheidung vorantreiben - derlei könnte Blatter, der aus undurchsichtigen Gründen große Scheu vor dem elektronischen Superauge hat, zusetzen. Doch die Klubs haben andere Sorgen. Trotz aller Milliarden, die in dem Gewerbe quasi vom Himmel fallen.

Italiens Stadien sind leer, Frankreichs satte Helden gingen als Fußballmacht unter, in Spanien kreist der Pleitegeier, in England weiß keiner, welcher Klub gerade wem gehört. Und in Deutschland kriseln die Topklubs. Bremen friert Gehälter ein, die Bayern rügen ihre Großverdiener erstmals öffentlich. So macht jeder sein Ding, parallel dazu döst eine ständig wachsende Zahl nutzloser Kommissionen und Task Forces in Ligen und Verbänden vor sich hin.

Der Fußballbetrieb driftet in die Degeneration. Man kennt das aus allen Bereichen, wo zu viel Geld fast ohne Kontrolle in Umlauf ist. Dabei hat in München sogar der Übungsleiter Luis van Gaal den Fehler im Verbandssystem entdeckt: Die Struktur sei "schlecht, sie dient nur dem Schutz der Nationalteams, nicht den Arbeitgebern", hielt er am Freitag fest. Richtig. Nur, so wird es bleiben - und der Streitfall Bayern/Niederlande am Ende wohl einfach wieder über das Geld gelöst.

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