Alle Italiener sind nun Anne Frank. "Siamo tutti Anna Frank." Am Mittwoch beim Auswärtsspiel in Bologna liefen die Spieler von Lazio Rom sogar mit Anne-Frank-Shirts auf, mit der Aufschrift: "No all' Antisemitismo", nein zum Antisemitismus. Die Empörung über die antisemitische Schmähaktion rechtsextremer Ultras des Fußballklubs gegen die Fans vom Stadtrivalen AS Rom ist so groß, dass sich Politiker und Medien viele Initiativen und Bekenntnisse überlegen. Es sind schöne Ideen dabei, rührende. Vieles davon ist aber vor allem: rhetorisch.
Die Zeitung La Repubblica schlägt vor, dass viele Straßen, Plätze und Bibliotheken nach dem Mädchen benannt werden, das im KZ starb. Damit die Erinnerung an das Nazi-Grauen nie welke. Der Fußballverband beschloss eine Schweigeminute für den nächsten Spieltag, gefolgt von der Lektüre einiger Passagen aus dem Tagebuch von Anne Frank - über Lautsprecher. Der frühere Premier Matteo Renzi riet Lazio, mit Davidstern aufzulaufen.
Die Empörung wird bald vergehen
Die Empörung, so viel lässt sich voraussagen, wird nur kurz andauern. So war das immer schon. Im Calcio, dem geliebten Fußball, werden Rassismus und Antisemitismus weiter bagatellisiert, auch wenn nun alle wieder nach Konsequenzen ohne Nachsicht rufen, nach Stadionverboten auf Lebenszeit. "Aber jetzt bestraft sie auch", schreibt der Corriere della Sera.
Und in diesem "jetzt" hallt der Vorwurf mit, dass alle Entrüstung, alle schönen Gesten und Kampagnen nichts bringen, wenn man die dunklen Gesellen diesmal nicht von der Bühne verbannt. Aus den Kurven. Auch am Mittwoch gab es wieder hässliche Szenen: Als vor der Partie ein Auszug aus Anne Franks berühmtem Tagebuch vorgelesen wurde, begleiteten dies die mitgereisten Lazio-Ultras mit faschistischen Parolen und dem römischen Salut, dem faschistischen Gruß. Die meisten von ihnen vor dem Stadion.