Süddeutsche Zeitung

Verhaftung von Fifa-Funktionär:Vertrauen nach Art der Cayman Islands

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Als Finanzprüfer sollte Canover Watson die neue Fifa repräsentieren. Nun wurde er zu Hause verhaftet. Ein Vorwurf: Geldwäsche.

Von Thomas Kistner

Und wieder wird ein Prestigeprojekt der Fifa zur Problemzone. Das stolze Audit-und Compliance-Komitee des Fußball-Weltverbandes ist angeknockt - dabei war es das Aushängeschild der großen Selbstreform von Präsident Sepp Blatter. Auch Domenico Scala, der Chef dieses als unbeugsam gefeierten Finanzprüfer- Stabes, hatte das Spiel mit den Medien intensiv gepflegt. Geschickt lancierte er den Eindruck, er arbeite völlig unabhängig vom abgehobenen Weltverband. Manch ein Sportjournalist schilderte beeindruckt, wie ihn der Chefkontrolleur zum Interview in einem schmucklosen Hinterhofbüro empfing statt im protzigen Fifa-Hauptquartier.

Effekthascherei? Was der Audit-Chef bisher aus dem Fifa-Inneren zu berichten wusste, hätte er ebenso gut im gläsernen Luxuskomplex auf dem Zürichberg erzählen können.

Es ist im Kern das, was Scala im Juni beim Fifa-Kongress in São Paolo vortrug. Da schwärmte er von "wichtigen Errungenschaften", die im Governance-Bereich erzielt worden seien, und dass zur Vergütung Blatters und der Fifa-Exekutivmitglieder sogar ein neues Programm erstellt worden sei. Wie das konkret aussieht, verriet der Audit-Chef allerdings nicht. So trifft es zwar zu, dass die Fifa die Bonus-Ausschüttungen an ihre Vorstände abgeschafft hat - doch was der Finanzaufseher zu erwähnen vergaß: Im Gegenzug erfolgte eine Verdoppelung der jährlichen Aufwandsentschädigung für Exekutivmitglieder von rund 100 000 auf 200 000 US-Dollar. Unberührt bleiben fürstliche Zusatzeinkünfte wie Tagegelder für Ehrenamtliche und Begleitpersonen.

Geschäfte mit Kartenabrechnungs-Systemen

Nun erlitt die fromme Audit-Kommission einen weit härteren Schlag. Scalas sieben Fifa-Finanzprüfer stammen aus Guam, Bolivien, Südafrika, Dänemark, von den Fidschis, den Seychellen - und den Cayman Islands. Der Compliance-Fachmann aus letzterem karibischen Offshore-Paradies wurde Ende August ebendort verhaftet: Canover Watson, 43, Direktor des regionalen Finanzdienstleisters Admiral Administration. Es geht um ein Geschäft mit Kartenabrechnungs-Systemen in Krankenhäusern.

Gegen Kaution ist Watson auf freiem Fuß, über seinen Anwalt bestreitet er die Vorwürfe: Verstoß gegen Korruptionsgesetze, Missbrauch öffentlicher Gelder - und Geldwäsche. Letzterer Vorwurf, der womöglich nicht im Kontext mit der Klinik-Affäre steht, bringt das FBI ins Spiel. Das geht ja seit Jahren den Geschäften anderer Fifa-Spitzenleute nach. Schmutzigen Deals, die gern über die Cayman Islands abgewickelt worden waren.

Der in Schwierigkeiten geratene Fifa-Finanzprüfer Watson ist Vizepräsident des karibischen Verbandes CFU, er ist zudem Landsmann und guter Freund von Fifa-Vizepräsident Jeffrey Webb. Webb wiederum, selbst Banker und Cayman-Treuhänder, soll in besonderem Maße für den Neuanfang in der Fifa stehen. Er übernahm nach dem Ausscheiden der korrupten und vom FBI gejagten Blatter-Vertrauten Jack Warner und Chuck Blazer die Spitze des Nord- und Mittelamerika-Verbandes Concacaf. Auch Webb ist ein Intimus von Blatter. Dass die nicht für ihren Fußball, wohl aber als Paradies für Geldwäscher bekannte Karibikinsel eine so starke Rolle in der angeblich reformierten Fifa spielt, rückt nun spätestens mit der Affäre um Watson in den Blickpunkt.

Webbs Vorgänger, der langjährige Concacaf-Chef Warner, galt über Jahrzehnte als größte Skandalnudel in der Fifa. Nachdem er sich 2011 gegen Blatter gewendet und mit Hilfe der CFU eine Schmiergeld-Orgie für den Blatter- Herausforderer Mohamed Bin Hammam orchestriert hatte, musste Warner abtreten. Nachfolger Webb, den Blatter schon 2002 in eine Fifa-eigene Auditkommission berufen hatte, redete viel von einem Neuanfang - und platzierte dann Leute in seiner Concacaf, die für alles andere als Integrität stehen. Leute wie Watson, oder wie Horace Burrell.

Neuer Verdacht, alte Muster

Im Juni enthüllte die Zeitung Sunday Express auf Trinidad und Tobago, dass Australiens WM-Bewerber für 2022 Finanzhilfe an den jamaikanischen Verbandschef Burrell in Höhe von 2,5 Millionen Dollar gewährt haben sollen. Schon mit Warner hatte Burrell stets eng kooperiert; im Zuge von dessen Karibik-Orgie 2011 flog er sogar als Geldempfänger auf und wurde für sechs Monate für alle Fußballgeschäfte gesperrt. Die Bewährungszeit lief noch, als Burrell in Webbs angeblich geläuterter Concacaf zu alter Stärke erblühte: Als Chef oder Vize von gleich elf Komitees; unter anderem führt er den Rechts- und Finanzausschuss. Und Zufall oder nicht: Webb und Burrell, die neuen Spitzen des Concacaf, sind auch Geschäftspartner.

Nun wird gegen ihren Funktionärsfreund Watson ermittelt. Fifa-Audit-Chef Scala hat den Compliance-Experten von den Caymans zur Klärung der Affäre aufgefordert. Dies teilte der Schweizer Geschäftsmann der Nachrichtenagentur AP mit. Was auch sonst? Ob das reicht, um seine stets lauthals betonte Unabhängigkeit von der Fifa glaubhaft zu machen, muss sich bald zeigen. Der neue Korruptionsverdacht passt perfekt ins alte Fifa- Geschäftsmuster.

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Quelle:
SZ vom 08.09.2014
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