Jetzt sind wieder alle überzeugt. In Peking, in Almaty: Sie bekommen die Winterspiele 2022, ganz bestimmt. So wie die Bevölkerung Hamburgs bald ganz, ganz sicher sein soll, dass sie die Olympischen Spiele 2024 bekommt. Denn sind Hamburg, Peking oder Almaty nicht famose Städte, sportbegeistert, mit herrlichen Plänen für die Spiele? Haben die Bürger hier und da und dort das Ringe-Spektakel nicht so was von verdient? Gewiss doch. Spielt nur keine Rolle.
Die Vergabe der Olympischen Spiele wird von der Sportpolitik und von ökonomischen Argumenten bestimmt, nachrangig ist jede sonstige Eignung eines Kandidaten. So verhält es sich auch mit den Fußball-Weltmeisterschaften. Die nächsten Turniere sind an Putins Russland und Katar vergeben. Letzteres ist so groß wie Nordhessen, hat so viele Staatsbürger wie Wuppertal Bewohner und schätzt Fußball weniger als Kamelrennen und Falkenjagd. Die USA, Australien und Asiens Fußballnationen Japan und Südkorea hatten diese WM 2022 auch gewollt; Katar musste es sein. Warum? Das ermitteln nun FBI und Schweizer Bundesanwaltschaft.
Albertville, Nagano, Salt Lake City: Zu fast jedem Olympia-Gastgeber gibt es kuriose Geschichten
Solange ein Kandidatenrennen läuft, ob Fußball oder Olympia, wird bedeutungsvoll auf Tausende Seiten starke Bewerbungsbücher gepocht und auf gestrenge Prüfberichte, die von Kommissionen nach Visiten in den Kandidatenländern erstellt werden. Es wird gecheckt und getestet, gebohrt und verhört. Nur interessiert das Ergebnis am Ende keinen; zumindest kaum einen Sportfunktionär. Zwar gibt es einige, die auf solche Benotungen achten, aber die fallen nicht ins Gewicht, im IOC stimmen etwa 110 Mitglieder ab. Dass nie der sportlich-technisch beste Kandidat gewann, belegt, wie wenig die viel zitierten Prüfberichte taugen.
Kein Mitglied ist an ihre Empfehlung gebunden. Und wie die Fifa umwölkt auch die IOC-Leute eine diskrete Lobbyarbeit: Flur- und Kamingespräche mit den immer selben Beratern und Agenten, Dossiers über Schwächen und Vorlieben der Wahlleute zirkulieren von Wahl zu Wahl. Wofür es diese gut entlohnten Lobbyisten braucht - das zählt zu den dunklen Geheimnissen von Fifa und Olymp. Auch München unterhielt als Kandidat für 2018 teure Berater, über deren Treiben so gut wie nichts verlautet wurde.
Winterspiele sind ein Spielball der Sportpolitik, zumal sie überschattet werden vom großen, wahren Olympiafest: den Sommerspielen. Für die begeistert sich die Welt und jeder im IOC. Der Wintersport indes büßt schon auf dem Weg zwischen Alpenvorland und Nordseeküste jede Menge Reize ein.
Blättern wir durchs vergangene Vierteljahrhundert. Dass Evaluierungsberichte am Wahltag Makulatur sind, ist spätestens seit der Kür des Winterspielorts 1992 aktenkundig. Den Zuschlag erhielt ein Nest in Frankreich namens Albertville - als Entschädigung: Der Sommer 1992 war für die Heimatstadt des IOC-Bosses Juan Antonio Samaranch reserviert, Barcelona; der Favorit Paris musste weichen. Albertville war das Trostpflästerchen.
Die Winterspiele 1994 gingen nach Lillehammer in Norwegen. Diesmal hatte Samaranch eine PR-Agentur angeheuert, die dem IOC den Friedensnobelpreis verschaffen sollte - der zufällig in Norwegen vergeben wird. Als die Sache aufflog, war die Blamage gewaltig. In Nagano 1998 wollte Milliardär Yoshiaki Tsutsumi seine Privatländereien auf Staatskosten an die Eisenbahn anbinden - dafür brauchte er die Spiele. Tsutsumi finanzierte mit 20 Millionen Dollar Samaranchs Lieblingsprojekt, das Olympische Museum in Lausanne. Als nach dem drögen Event der Korruptionsgestank Japans Behörden alarmierte, brannte plötzlich das olympische Archiv in Nagano ab. Tsutsumi übrigens wanderte 2005 ins Gefängnis, wegen Bilanzfälschungen. Seit Nagano, wo Bauern zuhauf enteignet wurden, sind Grundbesitzerproteste keine Petitessen mehr im IOC.