Vergabe der Fußball-WM nach Katar:Reizklima in Zürich

FIFA Executive Committee meeting in Zurich

Joseph Blatter: Als Präsident der Fifa vom Korruptionsverdacht umweht

(Foto: dpa)

Enthüllungen über Geldflüsse aus Katar bringen den Fußball-Weltverband in Erklärungsnot. Fifa-Chef Sepp Blatter greift die Uefa an, die Vergabe der WM 2018 nach Russland gerät automatisch in den Fokus. Zum heikelsten Zeitpunkt.

Von Thomas Kistner

Vergangene Woche machte die britische Presse Geldflüsse von Fußballfunktionär Mohamed Bin Hammam aus Katar an Jack Warner publik, veranlasst nur Tage, nachdem die Fifa mit den Voten dieses Duos die Fußball-WM 2022 an Katar vergeben hatte. Ein klarer Beleg für Korruption bei der WM-Vergabe? Die Frage erschüttert den Weltverband, der selbst über Chefermittler Michael Garcia recherchiert, ob Wahlleute bestochen waren, als sie das Turnier 2010 in den Wüstensprengel vergaben. Jetzt legen Reaktionen der Fifa nahe, dass die Presse-Enthüllung nicht von ihr lanciert wurde. Und dann bleiben nur Quellen um die US-Bundespolizei FBI.

Das wäre kein gutes Zeichen für den Weltverband, denn bei den US-Ermittlungen ist kein Ende abzusehen. Das FBI durchwühlt den Geschäftsmorast um langjährige Fifa-Vorstände, die einst enge Vertraute von Fifa-Chef Sepp Blatter waren. Speziell Warners Aktivitäten, der über von der Fifa geduldete Deals mit WM-Tickets und TV-Rechten ein Vermögen zusammenraffte, dürften aufschlussreich sein.

Spannend ist zudem das Treiben von Warners langjährigem Kollegen im Fifa-Vorstand und an der Spitze des Nord- und Mittelamerika-Verbandes (Concacaf), Chuck Blazer. Der schloss Millionendeals mit sich selbst ab, auch verfolgte er anrüchige Glücksspiele im Fußball. Seit Jahrzehnten residiert Blazer im New Yorker Trump Tower, dort ließ das FBI vor kurzem einen internationalen Glücksspielring hochgehen. Als Kopf der Gang gilt ein vielgesuchter Fußballfreund: Alimsan Tochtachunow, Chef der russischen Fußballstiftung. Er hatte laut FBI auch den Skandal um verschobene Eislauf-Medaillen bei den Salt-Lake-Spielen 2002 eingefädelt. Tochtachunow, der nach einjähriger Haft in Italien in Putins Sportreich entlassen wurde, bestreitet die Vorwürfe.

Ob das FBI nun Bezüge zwischen den Fußball- und Glücksspielgruppen im Trump Tower fand, ist nicht bekannt. Der US-Bürger Blazer soll aber mit den Fahndern kooperieren; ebenso Warners Sohn Daryan, der lange Zeit in Florida festsaß.

Erhellend ist daher der Umgang der Kickerbranche mit Bin Hammams Millionentransfer an Fifa-Juror Warner. Katars WM-Organisatoren in Doha beteuerten, man habe doch keinen Einfluss auf "Geschäfte von Privatleuten". Warner spricht von "Hexenjagd", Bin Hammams Umfeld von aufgewärmten Kamellen.

Blatter indes reagierte sehr gereizt, als ihn Journalisten am Freitag nach der Exekutivsitzung in der Zürcher Fifa-Zentrale löcherten. Den Zorn mühsam bändigend, verwies er auf Garcias laufende Ermittlung. Der teure US-Anwalt hatte letzte Woche in Zürich die aus 2010 verbliebenen Fifa-Vorstände zur Kür von Katar und Russland (WM 2018) interviewt. Wie ergiebig so interne Fragespiele ohne Druckmittel sind, lässt sich denken.

Inspektionsreise nach Katar

Dass die Fifa die Causa Katar fürchtet, legen auch Reaktionen ihres mit dem Thema Beauftragten Theo Zwanziger nahe. Der Fifa-Vorstand sagte im Deutschlandfunk zu den Korruptionsvorwürfen: Was Warner anginge, sei "das Problem eigentlich gelöst, er ist aus der Fifa-Exekutive ausgeschlossen worden". Warner trat 2011 selbst zurück, und was die Sportwelt bewegt, ist hier nicht die Frage, ob Fifa-Spitzbuben bestraft wurden, sondern ob Katar die WM gekauft hat. Dass die Fifa eine milde Sicht auf das Emirat pflegt, zeigt auch Zwanzigers Zurückhaltung im Hinblick auf die skandalösen Arbeitsbedingungen im WM-Land. Die dort tätigen Firmen trügen selbst viel Verantwortung; aber die Fifa werde bald eine Inspektionsreise nach Katar antreten.

Das Reizklima verrät, welche Unruhe harte FBI-Ermittlungen in Zürich auslösen können. Katar holte seine Voten ja nicht nur bei Warner und Co., sondern auch im europäischen Lager: Uefa-Chef Michel Platini ist ein Wähler, sein Sohn erhielt später einen Job bei einer Firma des Emirats. Für die Fifa aber kann es teuer werden, sollte sie Katar die WM wegen Bestechung wegnehmen, an der eigene Leute mitwirkten. Katar könnte dann Milliardenschäden geltend machen; der flotte Baubeginn am Golf wird daher auch als Taktik diskutiert.

Mit Katar gerät automatisch die Vergabe der WM 2018 nach Russland in den Fokus. Und das zum heikelsten Zeitpunkt: In der Krim-Krise fordern US-Kongressabgeordnete bereits den Boykott dieses Turniers. Ein Kalter Krieg, der sich abzeichnet, kann in der Tat dazu führen, dass westliche Länder Russlands sportpolitische Bühne meiden, die Putin erst jüngst Schampus-trinkend mit dem deutschen IOC-Chef Thomas Bach nutzte. Spätestens die Sotschi-Spiele zeigten ja, dass diese Weltmessen der Sportindustrie nicht befriedend wirken, sondern als Feigenblatt für dubiose Potentaten. Am Freitag sagte Blatter, dass an der Russland-WM nicht gerüttelt wird.

Zugleich eröffnete der Fußballboss listig eine neue Front gegen seinen Rivalen Platini. Blatter will die acht Sitze der Uefa im Fifa-Vorstand kürzen. Schließlich, erzählte er in Zürich, gelte im Weltverband ein Prinzip strikter Demokratie - auf Basis der 209 Mitgliedsverbände. Das ist seine alte Masche zur Amtserhaltung: 2015 will der 78-jährige wiedergewählt werden.

Dass Länder wie Tonga, Tuvalu, Nauru weniger Bürger haben als eine deutsche Kleinstadt, aber in der Fifa ein Stimmverhältnis von 3:1 etwa gegenüber einem Sieben-Millionen-Mitglieder-Verband wie dem DFB besitzen sollen, zeigt das Demokratieverständnis des Fifa-Patrons. Platinis Uefa ist besorgt, sie erhebt schon jeden Sprengel in Europa zum Verband: Eine Auswahl Gibraltars trifft in der EM-Qualifikation auf die DFB-Elf. Der Vatikan fehlt noch.

Der passende Schlusssatz zum altvertrauten Gesamtbild findet sich im neuen Finanzreport: Da heißt es stolz, der Reformprozess sei "abgeschlossen". Doch gab es für unabhängige Experten nie eine echte Reform. Und dass dies so ist, zeigt just die neue Bilanz 2013: In der sind die Millionenflüsse an Blatter und Co. jetzt noch besser versteckt als bisher.

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