Vergabe der Fußball-EM 2024:Vorteil Deutschland?

DFB-Pk in Frankfurt

Der DFB will die EM 2024 - an der Vielzahl möglicher Bewerbungslogos soll es nicht scheitern.

(Foto: dpa)
  • Deutschland und die Türkei ringen um die Austragung der Fußball-EM 2024 - im September wird entschieden.
  • Da die Wirtschaftskraft der Nationen eine große Rolle spielt, könnte Deutschland - dank der türkischen Währungskrise - im Vorteil sein.
  • Dabei war die deutsche Kampagne bislang wenig glanzvoll.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Ende September empfängt Bundeskanzlerin Angela Merkel den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, und dann wird neben allerlei weltpolitischen Themen auch eines aus dem Sport vorliegen. Geplant ist das Treffen für den 28. September, tags zuvor fällt auf höchster europäischer Sportebene eine Entscheidung, die politisch stark aufgeladen ist: die Vergabe der Fußball-EM 2024, für die es nur die Kandidaten Deutschland und Türkei gibt. Wer Erdoğans Gespür für Auftritte im Fußballumfeld in Rechnung stellt, könnte meinen, dass der Termin als ein weiterer Auftritt in Siegerpose gedacht ist. Andererseits gibt es auch Gründe zu der Annahme, dass der Gast seiner Gesprächspartnerin gratulieren muss.

18 Mitglieder des Exekutivkomitees von Europas Fußballunion Uefa vergeben am 27. September die EM. Bisher war es ein ganz enges Rennen, seit einigen Tagen aber spielt den Deutschen die politische Entwicklung in die Hände: die wirtschaftliche Lage am Bosporus nämlich, der Verfall der Währung und die unabsehbaren Folgen, nicht nur für die Türkei.

Manch einer im Uefa-Umfeld glaubt nun, dass diese Wahl auf Basis der Wirtschaftslage entschieden wird. Die Sportwelt hat zwar den Trend entwickelt, ihre Großveranstaltungen lieber in Autokratien als in Demokratien zu vergeben. Jedoch waren diese Autokratien, von China über Russland bis Katar, bei Turniervergabe stets auch wirtschaftlich stark und stabil - das ist die Türkei derzeit nicht.

Schon die EM 2020 wird ein teures Abenteuer für die Uefa

Zudem spielt eine Rolle, dass das nächste Turnier, die EM 2020, ein teures Abenteuer für die Uefa wird. Dieses wurde, unter dem inzwischen gesperrten Uefa-Chef Michel Platini, als Paneuropa-Turnier konzipiert: Es wird in zwölf Ländern ausgetragen statt in einem. Von den über 800 Millionen Euro Gewinn, die das Turnier in Frankreich 2016 noch brachte, wird man weit entfernt sein. Schlimmstenfalls droht ein Verlustgeschäft. Umso mehr muss die Uefa nun darauf pochen, dass das folgende Turnier 2024 wirtschaftlich abgesichert ist.

Die Deutschen haben ihre Finanzstärke im gesamten Bewerbungsverlauf akzentuiert, nun können sie das noch viel unverblümter tun. Und schon immer hatte der DFB bei solchen Anlässen Wirtschaft und Politik an der Seite. Rund um die WM-Vergabe 2006 war sogar zu beobachten, wie just die Länder, aus denen Wahlmänner des Weltverbandes Fifa kamen, von politischen oder wirtschaftlichen Entscheidungen in Deutschland profitierten.

Diesmal unterstützt die Bundesregierung die Kandidatur, indem sie diverse Garantien abgab. Doch was für steuerliche Zusagen das genau sind und welchen Personen- und Unternehmenskreis sie betreffen, will das Finanzministerium auf SZ-Nachfrage nicht mitteilen. Stattdessen verweist es auf das Steuergeheimnis. Dabei geht es bei den Uefa-Gewinnen um Beträge im dreistelligen Millionenbereich.

Nun ist die Frage, wie sehr der wirtschaftliche Aspekt die sportpolitischen Motive verdrängt. Es war ja nicht so, dass die Deutschen eine glanzvolle Kampagne hingelegt hätten. Gerade der angeknockte DFB-Chef Reinhard Grindel, der einen EM-Zuschlag dringend braucht, um sich im Amt halten zu können, wurde kritisch beäugt. Er sitzt in den Führungsgremien von Uefa und Fifa, wird aber hier wie dort als Leichtgewicht beschrieben. Überdies bescherte sein Umgang mit der Causa des zurückgetretenen Nationalspielers Mesut Özil dem DFB eine Rassismus-Debatte, die der Rivale vor dem eigenen Crash genüsslich auszuschlachten begann.

Oder wird die Treue der Türkei endlich belohnt?

Gewiss, auch die Türkei hat Argumente parat. Das Land bewarb sich für alle Turniere seit 2008, diese Art Treue wird gerne mal belohnt. Bei Abgabe des Bewerberheftes wurde damit getrommelt, es gebe "eine nie dagewesene staatliche Unterstützung". Alle Garantien seien ohne Vorbehalt erfolgt - "inklusive zusätzlicher Garantien, die den wirtschaftlichen Erfolg des Turniers absichern werden". Auch zeigten die Türken schon bei jenem Termin im April harte Bandagen: Bei der Uefa sollen sie moniert haben, dass die Deutschen ein Bewerberlogo auf dem Fahrzeug hatten, mit dem sie zur Verbandszentrale nach Nyon gereist waren. Denn die Richtlinien sind strikt, formal darf nur im eigenen Land geworben werden. Seither sei der Wahlkampf sehr aggressiv geworden, klagen Insider. Als Fingerzeig dafür dient die Tatsache, dass die Agentur Vero die türkische Kampagne steuert; die Briten waren schon in manch unappetitliche Wahl involviert.

Wie immer geht es nur darum, die Mehrheit zusammenzukriegen. Und auch angeschlagen gelten die Türken als gefährlich. Sie seien derzeit überall unterwegs, heißt es, unter dem Deckmantel fußballfachlicher Anlässe - wie dem des Austausches über den neuen Videobeweis - werde mancher Wahlmann besucht und massiv umgarnt.

Auch hat der DFB einige Altlasten: Der Niederländer Michael van Praag trägt ihnen nach, dass sie ihn bei dessen Kandidatur um den Uefa-Thron 2016 hängen ließen. Und in Schweden, das gleich zwei Uefa-Vorstände stellt, wirkt die Empörung über das Verhalten der deutschen Delegation beim WM-Gruppenspiel beider Teams in Russland nach. Ergänzt um manche osteuropäische Seilschaft, kann das einen ansehnlichen Stimmenblock für Erdoğans Funktionäre ergeben. Und auch die schillernde Tradition solcher Vergaben lehrt, dass bis kurz vor der Kür alles passieren kann. Aktuell kursiert schon das Szenario, dass einige der 18 stimmberechtigten Vorstände der Wahl fernbleiben könnten, weil der Druck auf sie so groß werde.

Womöglich könnte die Krise in der Türkei also auch aus ganz anderer Perspektive Einfluss haben: Dass Erdoğan, der gerade dringend Erfolgsmeldungen braucht, seine Einsätze für den EM-Zuschlag noch erhöht.

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