Süddeutsche Zeitung

Vergabe der Bundesliga-TV-Rechte:Gefährlicher Reichtum spaltet die Liga

200 Millionen Euro zusätzlich - was stellt der deutsche Fußball damit an? Nach dem lukrativen Vertrag über die Bundesliga-TV-Rechte beginnen die Debatten, wie die Ligen die zusätzlichen Millionen verteilen sollen. Wer nach Antworten sucht, stößt nicht nur auf ungebremste Euphorie wegen des Geldsegens.

Boris Herrmann, Jörg Marwedel, Christof Kneer und Philipp Selldorf

Der deutsche Fußball freut sich über seinen neuen Fernsehvertrag, der den Vereinen der Bundesliga ab der Saison 2013 rund 200 Millionen Euro zusätzliche Einnahmen beschert. Christian Seifert, der Chef der Deutschen Fußball Liga, wird gefeiert wie ein Held und darf damit rechnen, bis an sein Lebensende in jedem deutschen Stadion mit Freibier versorgt zu werden.

Doch im Hintergrund zieht es schon auf, das Rumoren der Debatten, was man denn alles anfangen sollte mit dem schönen Geld. Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen trug seinen alten Wunsch vor, die erste Liga auf 20 Vereine zu vergrößern, das bleibt der exzentrische Gedanke zum neuen Geld. Manche fordern moralisch zum "Maßhalten" auf (Fürths Präsident Helmut Hack); andere wünschen, dass bei der Verteilung der neuen Millionen "das Prinzip Marktwirtschaft" beachtet wird (Hamburgs Finanzvorstand Joachim Hilke); wieder andere befürchten, dass nun die Spitzenklubs ihre Ansprüche in der Solidargemeinschaft neu definieren könnten.

So ist sogar von dem Plan einer Dreiteilung der TV-Einnahmen die Rede, "wenn ich es richtig verstehe, was da aus der Richtung Rummenigge kommt", wie der Verantwortliche eines Profiklubs sagt: Ein Teil für die zweite Liga, einer für die Bundesliga und ein dritter Teil für die Klubs, die im Europacup tätig sind.

Der Schlüssel zur Verteilung der Fernsehgelder folgt dem Prinzip der sozialen Marktwirtschaft. Er berücksichtigt Ligazugehörigkeiten und sportlichen Erfolg und enthält Regelungen, die den Absteigern das Auskommen in der zweiten Liga einfacher machen. Im Herbst soll über einen neuen Schlüssel geredet werden, und man kann sicher sein, dass die Diskussionen unter dem Eindruck des neuen TV-Vertrages an Dynamik und Schärfe gewinnen werden.

Nürnbergs Manager Martin Bader prophezeit zwar, dass der Kampf gegen den Abstieg künftig "noch gnadenloser" sein werde; als Vertreter des soliden und dennoch mittellosen Mittelstands hofft er aber auf eine demokratische Lösung. Der Unterschied zwischen den Spitzenklubs und den notgedrungen bescheidenen Vereinen dürfe nicht zu groß werden: "Da verlasse ich mich auf die Liga."

Beim Hamburger SV rechnet der Finanzvorstand Hilke "mit acht bis zwölf Millionen" zusätzlich - je nach Verteilerschlüssel. Zu dessen Reform hat Hilke eine Meinung: "Wer viel leistet, damit das Produkt interessant ist, der muss viel bekommen. Es geht auch um das Interesse. Eintracht Frankfurt interessiert in der zweiten Liga mehr als mancher Bundesligaklub oder vielleicht Paderborn, wenn sie aufsteigen sollten."

Hannovers Vorstandschef Martin Kind weiß bereits, dass einige Bundesligisten der zweiten Liga künftig weniger Geld geben wollten. Er selbst ist noch unentschieden, gibt aber zu bedenken: "Die zweite Liga ist bisher wirtschaftlich instabiler als die erste. Auch der Unterbau ist aber wichtig für das Gesamtgebilde Profifußball." Cottbus' Präsident Ulrich Lepsch sagt vorsorglich schon mal "Danke an die Zugpferde wie Bayern, Dortmund und Schalke", die zur besseren Vermarktung beigetragen hätten.

Ebenso vorsorglich geht er aber "schon mal davon aus, dass alle mehr bekommen und dass das zusätzliche Geld nach einem ähnlichen Schlüssel verteilt wird wie bisher. Der deutsche Fußball hat ja immer von der Umverteilung von Groß zu Klein profitiert." Die Klubs aus der zweiten Klasse sollten nicht mit einer pauschalen Lohnerhöhung abgefunden werden: "Für manche kleinen Klubs ist es überlebensnotwendig, dass sie jetzt mal ein bisschen Luft zum Atmen bekommen.

Bei den kleinen Klubs machen die Fernsehgelder rund 50 Prozent des Etats aus. Die sind davon abhängig, um überhaupt dastehen zu können." Lepsch hat dazu klare Vorstellungen, er spricht aus Betroffenheit: "Wir haben bislang sechs Millionen aus der Fernsehvermarktung bekommen und gehen davon aus, dass es künftig rund neun Millionen sein werden. Das wird dann natürlich in die Qualität der Mannschaft investiert."

Bei dieser Anmerkung dürfte die Finanzaufsicht in Frankfurt hellhörig werden. "Man muss darauf achten, dass es jetzt bei den Spielergehältern und Ablösesummen nicht inflationistisch in die Höhe geht", mahnt DFL-Präsident Reinhard Rauball und kündigt an, Klubs mit negativem Eigenkapital "noch mehr an die Kandare zu nehmen". Bremens Vorstandschef Klaus Allofs hofft beim Thema Vernunft auch auf "mehr Verständnis im Umfeld, wo ja gewöhnlich der schnelle Erfolg zählt". Dass viele der zusätzlichen TV-Millionen auf den Konten der Spieler (und ihrer Berater) landen, wird wohl dennoch unausweichlich sein.

Die dominierende Kostenstelle in den Haushaltsplänen der Vereine heißt nun mal "Personal Spielbetrieb". Für ihre Profis geben die Klubs Jahr um Jahr mehr Geld aus. So wie zuletzt die Umsatzerlöse gestiegen sind, so sind auch die Profiabteilungen teurer geworden. In der vorigen Saison brachte die erste Liga 781 Millionen Euro für die Spieler und deren Unterhalt auf - vier Jahre zuvor waren es nur 627 Millionen. Klingt alarmierend.

Andererseits sind die Aufwendungen für die Fußballer in Relation zu den Gesamtbetriebskosten kaum gestiegen. Binnen der besagten vier Jahre ist ihr Anteil bloß um 0,37 Prozent gewachsen.

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SZ vom 18.04.2012/jbe
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