Vereine in der Europa League:Wunderlicher Pokal der kleinen Klubs

Die Europa League ist ein komischer Wettbewerb. Noch immer haben die Klubs keine einheitliche Haltung zum Nachfolger des Uefa-Cups entwickelt, einen echten Favoriten gibt es nicht - genau dies dürfte das Markenzeichen dieses Cups sein. Er ist das Königsklässchen, wie gemacht für zwei Arten von Klubs.

Christof Kneer

Dass sie die Europa League nicht ernst nehmen, kann den Schalkern nun wirklich niemand vorwerfen. Sportchef Horst Heldt hat diesem Wettbewerb sogar eine fulminante Liebeserklärung gemacht, indem er extra das Wort "Tatsachenentscheidungsgeschisse" erfand.

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Ein Vielflieger im Strafraum: Klaas-Jan Huntelaar in seinem Drei-Tore-Spiel gegen Viktoria Pilsen.

(Foto: AFP)

So viel poetische Hingabe widmet man nur jemandem, der einem ganz bestimmt nicht gleichgültig ist. In Schalke haben sie auch leidenschaftlich gekämpft, um den Abwehrspieler Joel Matip an diesem Donnerstag fürs Achtelfinal-Rückspiel gegen Twente Enschede freizubekommen, und so viel Kampfesmut hat die Uefa-Richter offenbar überzeugt. Matip wird mithelfen dürfen, das 0:1 aus dem Hinspiel wettzumachen, auch wenn der Verband das Tatsachenentscheidungsdings dann doch nicht kippen wollte.

"Dem Gesuch nach aufschiebender Wirkung von Schalke 04" sei stattgegeben worden, teilte die Uefa am Mittwoch mit. Die Verhandlung über die rote Karte aus dem Hinspiel findet am Freitag statt, am Tag der Viertelfinal-Auslosung.

Es ist beliebtes Spiel, das Viertelfinal-Tableau gleich auf ein mögliches Halbfinale hochzurechnen, um dann in einem weiteren Schritt vorzuempfinden, wer diesen Wettbewerb gewinnen könnte. Es könnte aber sein, dass alle Spekulanten diesmal noch ratloser vor dem Tableau stehen als in der Vergangenheit.

Natürliche Favoriten wären die Topklubs aus Manchester, die sich in die Europa League verlaufen haben und dort so wenig Ortskenntnis zeigen, dass sie die nächste Runde womöglich gar nicht erreichen. Aber wer gewinnt den Cup dann? Valencia? Piräus? Atletico Madrid? Der Sieger aus Twente/Schalke? Oder gar: der Sieger aus Lüttich/Hannover?

Die Europa League ist ein wunderlicher Wettbewerb, nicht nur wegen dieses lustigen deutsch-englischen Namens (nach dieser Logik könnte der Cup genauso gut European Liga heißen). Noch immer haben die Klubs keine einheitliche Haltung zum Nachfolger des Uefa-Cups entwickelt, aber immer mehr zeigt sich, dass genau dies das Markenzeichen dieses Cups sein dürfte: dass er ein Cup für eine bestimmte Zielgruppe bleibt.

Königsklässchen mit stabiler Quote

"Für uns ist der Wettbewerb extrem wichtig", sagt Steve McClaren, Coach von Schalke-Gegner Twente. Fast wortgleich äußert sich Gertjan Verbeek, Trainer des holländischen Tabellenführers Alkmaar, der immerhin gerade dabei ist, Udinese Calcio aus dem Wettbewerb zu entfernen.

Mehr denn je ist die Europa League die Champions League des kleinen Mannes. Sie ist das Königsklässchen, wie gemacht für die größeren Klubs aus den kleineren Ligen und die etwas kleineren Klubs aus den größeren Ligen. In der vergangenen Saison haben drei portugiesische Klubs im Halbfinale den Cup fast unter sich ausgemacht, darunter der spätere Sieger FC Porto.

Im aktuellen Achtelfinale sind die Niederländer mit drei Teams vertreten (Twente, Alkmaar, Eindhoven) - oder mit dreieinhalb, so sehen sie das in Holland, weil Ajax Amsterdam in der Runde zuvor gegen Manchester United nur dank fahrlässigster Chancenverwertung ausgeschieden ist.

In den Niederlanden lieben sie diesen Wettbewerb, das kommerzielle Fernsehen zeigt die Europa League mit stabiler Quote, und die Profis aus der niederländischen Eredivisie wissen genauso wie die Profis aus Portugal oder Belgien, dass dieser Cup ein schönes Schaufenster ist, in dem man sich berühmt spielen kann für Klubs, die lieber in der echten Königsklasse kicken.

Klubs wie Twente und Alkmaar könnten ebenso wie Schalke oder auch Hannover 96 davon profitieren, dass mancher Spitzenklub zu überheblich für dieses Schaufenster ist. Rafael van der Vaart ist Holländer, als solcher kennt er die Bedeutung des kleinen Cups, und er hat sich sehr gewundert, als ihn Harry Redknapp, sein Trainer bei den Tottenham Hotspurs, nicht mal auf die Kaderliste für die Europa League setzte. Er wolle ihn für die Premier League schonen, sagte Redknapp, bevor Tottenham in der Vorrunde ausschied.

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