Verband plant Nachwuchs-Zentrum:Ein bisschen Clairefontaine beim DFB

Robin Dutt

DFB-Sportdirektor Robin Dutt: Pläne für Nachwuchs-Zentrum

(Foto: dpa)

Das Vorbild kommt aus Frankreich: Robin Dutt und Oliver Bierhoff forcieren den Bau eines Zentrums für die DFB-Jugend, doch das Projekt ist umstritten. Manche Landesverbände schreckt die Zentralisierung der Ausbildung ab - sie fürchten ein Aussterben der altbewährten Fußball-Sportschulen.

Von Johannes Aumüller

Zu Wochenbeginn hatte sich die französische Nationalmannschaft wieder in Clairefontaine-en-Yvelines versammelt, wie vor nahezu jedem Länderspiel. In dem Pariser Vorort steht das 1988 eröffnete Technique National du Football, das sich stets bewundernder Blicke gewiss sein darf, weil sich dort so viele zentrale Elemente des französischen (Nachwuchs-)Fußballs bündeln. Neben dem A-Team haben dort auch die Junioren-Nationalmannschaften ihre Haupt-Trainingsstätte, dazu gibt es ein Elite-Internat, in dem die Top-Talente des Landes unterkommen und das unter anderem Thierry Henry oder Nicolas Anelka hervorgebracht hat. Und zirka 150 hauptamtliche Kräfte alleine für die Jugendarbeit.

Etlichen Nationen galt dieser Ansatz zur Qualitätsverbesserung des fußballerischen Nachwuchses in den vergangenen Jahren als Orientierung. Erst kürzlich eröffnete etwa der englische Verband in Burton-upon-Trent den zirka 130 Millionen teuren St. George's Park. Auch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) debattieren sie schon seit geraumer Zeit über eine vergleichbare Einrichtung, für die Befürworter wie Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff oder Sportdirektor Robin Dutt ist das Projekt ebenso notwendig wie dringlich.

Sie stehen dabei vor dem Dilemma, einerseits etwas clairefontainehaftes auf die Beine zu stellen, andererseits aber nicht zu clairefontainehaft zu wirken. Denn das französische Modell beinhaltet viel Zentralistisches, und Zentralistisches stößt hierzulande bei den Landesverbänden und vielen Beobachtern auf eine gewisse Grundskepsis. Die Regionalverbände fürchten zudem um die Zukunft ihrer Sportschulen.

Und so mäanderte die Debatte lange über Begriffe wie Elite-Universität, Fußball-Campus oder Leistungszentrum zu folgendem Sachstand: Ende Januar beschloss das DFB-Präsidium, dass unter der Leitung von Generalsekretär Helmut Sandrock eine Projektgruppe die Rahmenbedingungen für ein "Sportkompetenzzentrum" eruieren soll. Als Standort favorisiert das Gremium unter anderem wegen seiner Nähe zur Verbandszentrale Frankfurt, die möglichen Kosten werden auf 40 Millionen Euro geschätzt.

"Kompetenzzentrum" - das klingt zwar nicht so schön wie Clairefontaine, aber für die Kritiker womöglich schon harmloser als die vorher diskutierten Varianten. Was sich am Ende konkret dahinter verbergen wird, ist noch unklar. "Wir wollen das Wissen, das draußen in den Landesverbänden und in den Vereinen vorhanden ist, bündeln", sagt Sportdirektor Dutt. "Ich bin von einem dezentralen System überzeugt. Ein zentrales System würde uns in Deutschland Qualität kosten."

Es fehlt eine gemeinsame Haltung

Zumindest etwas mehr Zentralisierung ergäbe sich jedoch schon automatisch, wenn das eintrifft, was aus der Ideenwelt der sportlich Verantwortlichen zu vernehmen ist: Die Trainer der verschiedenen U-Mannschaften sollen im neuen Kompetenzzentrum ihre Büros beziehen, auch die Leiter von Trainer- und Schiedsrichterausbildung, dazu kommen Experten für die verschiedenen Fußballfachbereiche von Technik bis Psychologie und wissenschaftliche Mitarbeiter.

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Team-Manager Oliver Bierhoff: Befürworter des Nachwuchszentrums

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Montag bis Mittwoch sollen sie in Frankfurt arbeiten, Donnerstag und Freitag zur Vernetzung in die Vereine gehen, am Wochenende Spiele schauen. Das würde zu einer deutlich engeren Abstimmung führen - bisher treffen sich beispielsweise die U-Trainer nur alle vier Wochen. Die Infrastruktur wiederum soll so ausfallen, dass sich die Jugend-Nationalteams dort vor Auswärtsspielen versammeln können, ebenso die A-Mannschaft, die in der jüngeren Vergangenheit ohnehin schon öfter als früher von Frankfurt aus seine Länderspielreisen startete.

Doch wäre das schon dezentral und zurückhaltend genug, um die Kritiker zu besänftigen? Noch haben sich die Landesverbände nicht auf eine gemeinsame Haltung verständigt. Ihr für Januar geplantes Treffen ist aus Witterungsgründen ausgefallen, das nächste steht im März an. Wer in die Landesverbände hineinhorcht, vernimmt kein einheitliches Bild. Manche glauben, dass dies ein guter Kompromiss sein könnte.

Der Vorsitzende des Fußballverbandes Rheinland, Walter Desch, hingegen lehnt das Konzept weiter ab: "Wir halten ein solches Kompetenzzentrum nicht für erforderlich", sagt er. "Wir befürworten eine Trainerausbildung, die mehr in der Fläche stattfindet, weil dann mehr Kontakte entstehen. Außerdem müssen wir auch an die Folgekosten denken."

Daneben sind die Kommunalpolitiker mancher Großstädte irritiert. Neben Frankfurt hatten sich beispielsweise auch Köln oder Duisburg Hoffnungen gemacht, die neue Ausbildungsstätte zu beherbergen und zum Teil bereits Gespräche mit dem DFB geführt. Mancherorts herrscht daher Verwunderung, dass nun plötzlich die Entscheidung pro Frankfurt kam.

Die formale Entscheidung fällt erst Ende Oktober, wenn die Delegierten zu ihrem DFB-Bundestag zusammenkommen - bis dahin soll die Sandrock-Gruppe ihre Ergebnisse präsentieren. Doch auch bei einem positiven Votum dürften ein paar Jahre ins Land gehen, bis das Zentrum tatsächlich steht.

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