Süddeutsche Zeitung

Veh vor Bayern-Spiel:Neue Dimension der Unterwerfung

Eintracht Frankfurts Trainer wägt ab: Armin Veh lässt zwei Stammkräfte vor dem Gastspiel beim FC Bayern zu Hause, weil ihnen eine Gelbsperre für das darauffolgende Spiel droht und es in München ohnehin kaum was zu holen gibt. Ein Novum in der Bundesliga.

Von Thomas Hummel

Armin Veh ist in der Fußballszene berühmt dafür, wenig für Diplomatie übrig zu haben. Manche nennen ihn deshalb einen Kauz, manche sind einfach nur froh, dass wenigstens einer die Wahrheiten des Geschäfts offenlegt. Vor dem Spiel seiner Frankfurter Eintracht beim FC Bayern München stellt sich die Branche nun die Frage: Reagiert der Trainer als Erster auf die neuen Realitäten der Bundesliga? Oder geht das in Richtung Wettbewerbsverzerrung?

Bei der Pressekonferenz vor der Partie sagte Veh: Er werde jetzt keine Sprüche machen, von wegen seine Mannschaft habe eine Chance oder gar eine große. "Im Normalfall ist das nicht der Fall." Trotzdem wolle man als Sportler das beste rausholen und eine "ganz, ganz, ganz große Überraschung schaffen". Allerdings ohne seine Stammspieler Sebastian Rode und Carlos Zambrano. Die beiden bleiben an diesem Wochenende in Frankfurt, weil sie bei einer weiteren gelben Karte für die darauffolgende Partie gegen Eintracht Braunschweig gesperrt wären. "Wir brauchen sie gegen Braunschweig nötiger."

Dass ein Trainer wichtige Spieler schont, weil seine Mannschaft gegen einen Konkurrenten ohnehin kaum eine Erfolgsaussicht hat, ist in der Bundesliga ein Novum. Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern, erklärte in der Bild-Zeitung: "Falls es so ist, habe ich das auch noch nicht erlebt." Und mutmaßt eine Einlull-Taktik oder einen Bluff Vehs.

Damit ist jedoch nicht zu rechnen. Veh ist kein Meister des taktischen Wortspielchens, was er sagt, das denkt bzw. tut er auch. Und so wird wohl Zugang Alexander Madlung in die Innenverteidigung rücken und Johannes Flum ins defensive Mittelfeld.

Der Trainer kündigte zwar an, dass sein Klub "nichts herschenken" wolle, er werde sich schon was einfallen lassen. "Aber Sie sehen: Zabrano ist ein wichtiger Spieler bei uns, Rode ist ein wichtiger Spieler bei uns - dass ich das abwäge." Sprich: er kalkuliert die Aussichten auf einen Punktgewinn in München als sehr gering ein, also schont er lieber gleich die Kräfte für das Abstiegsduell gegen Braunschweig.

Der FC Bayern ist nun seit 43 Spielen in Serie unbesiegt in der Liga (Rekord!), hat im Jahr 2013 fünf Titel gewonnen (Rekord!), gewann bislang 16 von 18 Partien in dieser Saison (Rekord!) und hat nach 18 Partien sagenhafte 32 Punkte mehr auf dem Konto als zum Beispiel Eintracht Frankfurt auf Rang 14. Der Spieleretat der Münchner soll bei etwa 140 Millionen Euro liegen, der in Frankfurt bei 30 Millionen.

Bislang sprach die Konkurrenz erst nach den zumeist 93 Minuten gegen die Bayern davon, dass diese Mannschaft ohnehin in einer eigenen Liga spielt und man sich mit anderen messen müsse. Veh ist nun der erste Trainer, der angesichts der bayerischen Dominanz die Mannschaftsaufstellung taxiert.

Eine neue Dimension der Unterwerfung, die den Markenkern der Liga angreift. Dieser besagte jahrzehntelang, dass am Ende doch jeder jeden schlagen könne. Veh sieht das derzeit offenbar anders und schon die Kräfte.

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