Süddeutsche Zeitung

VAR in der Bundesliga:Die Lösungen sind naheliegend

Immer wieder Diskussionen über den VAR, so hat die Saison begonnen, so wird es weitergehen. Weil man den Video-Assistenten nicht mehr los wird, braucht es Weiterentwicklungen: Mehr Transparenz wäre das Mindeste.

Kommentar von Sebastian Fischer

Sadio Mané ist erst seit wenigen Monaten eine Attraktion der Bundesliga, aber von Bayern Münchens Angreifer gibt es schon jetzt ikonische Bilder dieser Saison. Die Rede ist hier ausnahmsweise nicht vom neuen Sturm des Serienmeisters, der auf dem Weg zum nächsten Titel die nationale Konkurrenz kurz und klein kombiniert, sondern von einem weiteren, Wochenende für Wochenende wiederkehrenden Problem im deutschen Profifußball. Beim 2:0 gegen Wolfsburg am zweiten Spieltag hatte Mané ein Tor aus abseitsverdächtiger Position erzielt, das vom Video-Assistenten, kurz VAR, auf Gültigkeit überprüft wurde. Und so stand Mané vor Schiedsrichter Harm Osmers und wartete. Und wartete. Und wartete.

Mané machte dabei eine hervorragende Figur: Er lächelte und legte die Hände auf den Rücken, bis sein Treffer korrekterweise aberkannt wurde. Andere waren da weniger zurückhaltend. Anlässlich des fünften Jahrestages der VAR-Einführung und wegen zahlreicher umstrittener Entscheidungen häuften sich zuletzt die pointierten bis polemischen Wortmeldungen. Bundesliga-Schiedsrichter Patrick Ittrich fasste es so zusammen: "Wir haben den dritten Spieltag - und alle drehen durch."

Trotz aller Kritik: In der vergangenen Saison verhinderte der VAR über 100 Fehler

Doch anders als beim Problem, dass in der Bundesliga immer die Bayern gewinnen, gäbe es für weniger Unzufriedenheit mit dem VAR durchaus naheliegende Lösungen. Es ist leider keine dieser Lösungen, den sogenannten Videobeweis wieder abzuschaffen. Auch wenn es natürlich am schönsten wäre, nie mehr beim Torjubel unterbrochen oder gar korrigiert zu werden. Aber dafür funktioniert der VAR aller Kritik zum Trotz zu oft - und minimiert so die Risiken für jeden Klub, viel Geld wegen eines offensichtlich falschen Pfiffs zu verlieren. In der vergangenen Saison vermerkte der DFB in seiner Statistik acht fehlende Eingriffe und sechs falsche Entscheidungen bei 116 Eingriffen insgesamt. Das heißt: 110 verhinderte Fehler.

Und trotzdem, auch nach fünf Jahren, ist noch jeder Schritt der Entscheidungsfindung umstritten: Wann greift der VAR ein? Was genau wird überprüft? Wie wird argumentiert? Mit Superzeitlupen? Mit Standbildern gar, die jeden Kontakt zum Foul machen? Wieso dauert das so lange? Und wer entscheidet schließlich wirklich, der Schiedsrichter auf dem Feld, oder doch der Assistent vor dem Bildschirm?

Letztere Fragen ließen sich wohl schon mit gründlicheren Erklärungen beantworten. Mindestens sollten die überprüften Szenen auf den Stadionleinwänden zu sehen sein, damit der Fan in der Kurve nicht weniger sieht als der vor dem Fernseher. In der Premier League gibt es außerdem Pläne, den Funkverkehr zwischen VAR und Schiedsrichter nachträglich zu veröffentlichen. In den USA ist das längst üblich. Wenn die Referees von ihrer Arbeit überzeugt sind, gibt es keine guten Argumente dagegen.

Das "Challenge"-Prinzip könnte das Grundproblem lösen

Das Grundproblem allerdings, wann der VAR eingreift und wann nicht, ließe sich damit nicht lösen. Was eine "klare Fehlentscheidung" ist, die eine Intervention rechtfertig, wird in einem Sport wie Fußball immer umstritten sein. Deshalb bräuchte es, ebenfalls naheliegend und seit Jahren in der Diskussion, eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Prinzip "Challenge", wie es in den US-Sportligen üblich ist: Ob eine Schiedsrichterentscheidung per Video-Assistenz überprüft werden soll, könnten die Trainer entscheiden, begrenzt auf eine gewisse Anzahl an Einspruchsmöglichkeiten pro Spiel. DFB-Innovations-Leiter Jochen Drees hält die Idee immerhin nicht für abwegig, sagte er jüngst - und verwies auf die Zuständigkeit des Weltverbands Fifa.

Wenn sich dann womöglich mehr Trainer in Schiedsrichter hineinversetzen, ihren Ärger über falsche Pfiffe zwangsläufig dosieren und selbst in kurzer Zeit abwägen müssten, ob der Stürmer, der möglicherweise mit einem Fuß im Abseits stand, wirklich dem Torhüter die Sicht genommen haben könnte, und sie deshalb Einspruch einlegen - dann hätte das außerdem vielleicht einen schönen Nebeneffekt: etwas mehr Verständnis für Schiedsrichter, von denen es bis hinunter zur Kreisliga in Deutschland seit Jahren immer weniger gibt.

Es müssen ja nicht gleich alle so höflich sein wie Bayerns Mané. Aber Schiedsrichter Ittrich hat schon Recht: Es müssen auch nicht alle immer gleich durchdrehen.

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