Louis van Gaal in der WM-Qualifikation:Heiland gegen Haaland

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Erbittet da jemand tatsächlich höheren Beistand? Das hatte Louis van Gaal, hier bei seinem ersten Training als neuer Nationaltrainer der Niederlande, doch noch nie wirklich nötig. (Foto: Pro Shots/Imago)

Der alte, neue Bondscoach Louis van Gaal, 70, soll den niederländischen Fußball mal wieder aus der drohenden Bedeutungslosigkeit erretten - an diesem Abend muss er mit seiner Elf erst einmal einen Norweger stoppen.

Von Ulrich Hartmann

Louis van Gaals Ansprache an die Nation lief unlängst nicht zur Primetime im staatlichen Fernsehen. Sie dauerte auch keine Viertelstunde. Die Boodschap des neuen niederländischen Fußball-Nationaltrainers an die Öffentlichkeit währt 23 Sekunden und ist bei Youtube im Internet abrufbar. Van Gaal steht da in dunklem Anzug und oranger Krawatte im Büro des niederländischen Fußball-Leistungszentrums in Zeist und sagt zur Begrüßung: "Hallo Oranje-Fans, lange nicht gesehen." Anschließend fordert er die Fußball-Nation zum Zusammenhalt auf: "Ich hoffe, dass wir gemeinsam eine Faust machen können." Und: "Auf zur WM - mit Eurer Unterstützung!"

Van Gaals deutliche Botschaften

Die Botschaft provoziert nicht gerade Gänsehaut, aber das ist dem soeben 70 Jahre alt gewordenen Trainer derzeit wohl auch nicht so wichtig. Van Gaal hat kaum Zeit und trotzdem ein großes Ziel: die Weltmeisterschaft Ende 2022 in Katar. Dort soll dann auch nicht schon im Achtelfinale Schluss sein wie zuletzt bei der EM. Der frühere Coach des FC Bayern beabsichtigt nicht weniger, als den niederländischen Fußball aus seiner Bedeutungslosigkeit zu erretten, mehr noch: "Mein Ziel ist, Weltmeister zu werden."

In seinem drei Kilo schweren, biografisch angehauchten Fußball-Vermächtnis namens "Vision" hat er die Welt vor elf Jahren alles über seinen Fußball wissen lassen. Zurzeit wird auch noch ein Dokumentarfilm über ihn gedreht. Van Gaal zieht es weiterhin in die Öffentlichkeit statt ins ruhige Rentnerdasein. Am Montagabend hatte er nun mal wieder die besten niederländischen Fußballer zum ersten Training in Zeist beisammen.

Van Gaal ist zum dritten Mal Bondscoach. Ende 2001 trat er zurück, nachdem Oranje unter ihm die Qualifikation für die WM 2002 verpasst hatte. 2014 führte er das Nationalteam bei der WM in Brasilien auf Rang drei. Seit sieben Jahren haben van Gaal und Oranje mit der Fußballwelt also gewissermaßen noch eine Rechnung offen. An diesem Mittwoch spielen die Niederlande in der WM-Qualifikation aber erst einmal in Norwegen.

Für van Gaal ist es das erste Länderspiel dieser Amtszeit, für die Niederlande in der WM-Qualifikation schon das vierte. Das erste im März unter dem Nationaltrainer Frank de Boer ging 2:4 in der Türkei verloren. Trotz zweier anschließender Siege gegen Lettland (2:0) und in Gibraltar (7:0) bedeutet die frühe Niederlage, dass man sich nun in Oslo keine weitere leisten sollte. Sonst geriete das Ziel WM schon in Gefahr.

"Auf meinen Trainerstationen ist es in den ersten drei Monaten oft nicht so gut gelaufen", sagt van Gaal

Drei Mal standen die Niederlande bislang in einem WM-Finale (1974, 1978, 2010), drei Mal waren sie hinterher deprimiert. Van Gaal weiß: Ein WM-Titel würde ihn wahrhaftig unsterblich machen. Das wäre die Sahnehaube, auf Buch, Film und Ritterorden, den ihm die damalige Königin Beatrix 1997 verlieh.

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Fünf Jahre als Rentner sind genug: Louis van Gaal ist mal wieder Nationaltrainer der Niederländer. Bei seinem Amtsantritt versprüht der 70-Jährige jenes Selbstbewusstsein wie einst beim FC Bayern.

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Nachdem Oranje sich nicht für die EM 2016 und die WM 2018 qualifiziert hatte, war man froh, jüngst bei der EM wieder mitspielen zu dürfen. Es sah auch gut aus nach drei Siegen in der Vorrunde gegen die Ukraine (3:2), Österreich (2:0) und Nordmazedonien (3:0). Doch im Achtelfinale war unerwartet Schluss. Nach dem 0:2 gegen Tschechien trat Bondscoach Frank de Boer zurück, und der Königlich-Niederländische Fußball-Bund (KNVB) entschied sich aus einem großen Angebot für jenen gewieften Trainer, dem er am ehesten zutraut, das Beste aus dieser Generation herauszuholen.

Für die drei wichtigen Qualifikationsspiele in Norwegen (Gruppenvierter), am Samstag gegen Montenegro (Gruppendritter) und kommenden Dienstag gegen die Türkei (Gruppenerster) hat van Gaal einen Kader nominiert, der weitgehend mit dem EM-Kader seines Vorgängers übereinstimmt.

Denzel Dumfries und Stefan de Vrij (beide Inter Mailand) sind Startelf-Kandidaten für die Abwehr, Virgil van Dijk (Liverpool) kehrt nach achtmonatiger Kreuzbandriss-Verheilung als Abwehrchef zurück. Im Mittelfeld sollten Georginio Wijnaldum (Paris) und Frenkie de Jong (Barcelona) gesetzt sein. Um die Plätze ganz vorne rangeln sich Memphis Depay (Barcelona), Wout Weghorst (Wolfsburg) und Donyell Malen (Dortmund).

Als problematisch könnte sich gegen Norwegens Stürmer Erling Haaland erweisen, dass der Innenverteidiger Matthijs de Ligt (Juventus Turin) gesperrt ist nach seiner roten Karte im EM-Achtelfinale. "Wir haben genug gute Abwehrspieler", sagt van Gaal trotzig und behält sich alle taktischen Varianten vor. Überhaupt sieht er sich nicht als kurzzeitiger Krisenhelfer. "Ich will immer einen Prozess anstoßen", betont er, "auf meinen Trainerstationen ist es in den ersten drei Monaten oft nicht so gut gelaufen, weil sich die Spieler erst an mein System gewöhnen müssen." In den nächsten drei Monaten stehen für Oranje nun übrigens bevor: sieben WM-Qualifikationsspiele und damit das gesamte restliche Gruppen-Programm.

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