Van der Vaart beim HSV:Gesicht der Vergangenheit

Lesezeit: 3 min

Gegen Mönchengladbach musste HSV-Kapitän van der Vaart auf der Bank Platz nehmen. (Foto: AFP)
  • Gegen Mönchengladbach setzt HSV-Trainer Zinnbauer Kapitän van der Vaart auf die Bank.
  • Mit dem Verzicht auf den Routinier soll in Hamburg eine neue Ära beginnen.
  • Hier geht es zur Tabelle und den Ergebnissen der Bundesliga

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Welcher der beiden Trainer erschöpfter aussah, war schwer zu ermessen. Lucien Favre, der Mann, der in der Europa League am späten Donnerstagabend ein 0:1 in Sevilla hatte hinnehmen müssen und dann via Mönchengladbach gleich mit seinem ermatteten Team nach Hamburg weitergereist war? Oder doch Joe Zinnbauer, der seinen HSV eine Woche zuvor zu einem 0:8 beim FC Bayern gecoacht hatte - und dem in der zweiten Minute der Nachspielzeit die Wiedergutmachung durch einen Kopfball des gerade eingewechselten Hrgota durch die Lappen ging, so dass am Schluss nur ein 1:1 zu Buche stand?

Zinnbauer schlägt Favre mit dessen eigenen Mitteln

Favre, in der Branche durchaus als Konterspezialist bekannt und neuerdings auch noch ein Rotations-Experte, war von Zinnbauer sozusagen in seinen ureigensten Fachgebieten geschlagen worden. Favres Elf musste diesmal das Spiel machen, weil der HSV mit einer defensiven Taktik selbst auf Gegenschläge setzte. Zudem übertraf ihn Zinnbauer sogar bei den Wechseln. Favre hatte gegenüber dem Sevilla-Spiel sechs Profis aus dem Team rotiert, sein Kollege aber schickte gleich sieben Spieler aus jener Startformation auf Bank oder Tribüne, die dem Verein eine Woche zuvor in München die höchste Niederlage seiner Bundesliga-Geschichte eingebracht hatte.

Das alles zeigte vor allem eines: wie schwierig es ist, einem Team, das seit drei Jahren von einem Reinfall zum nächsten eilt, eine andere, eine neue Mentalität zu vermitteln. Nun hat sich Zinnbauer, wohl auch mit Hilfe seiner Vorgesetzten, an ein paar knifflige Personalien gewagt. Er verzichtete trotz sechs verletzter Stamm- kräfte auf die Bestbezahlten und Erfahrensten unter seinen Profis, auf Rafael van der Vaart und Heiko Westermann - um, so Zinnbauer, "Frische reinzubringen" ins immer wieder schwächelnde Team.

"Hast du schon gehört, dass ich heute auf der Bank sitze?" - "Was, du auch?": Heiko Westermann (l.) und Rafael van der Vaart beim Fachgespräch. (Foto: imago)

Van der Vaart und Westermann sind die prägendsten Gesichter des Abwärtstrends der vergangenen Jahre. Schon deshalb sind sie offenbar kaum geeignet, auch die Gesichter der neu formierten Mannschaft zu werden, die, so Sportdirektor Peter Knäbel, "offensiven, aktiven, dynamischen Fußball" spielen soll. Beide Verträge laufen im Sommer aus, wie auch die Verträge von Marcell Jansen, Ivo Ilicevic, Gojko Kacar oder Slobodan Rajkovic. Und es ist kaum vorstellbar, dass dem aktuellen Kapitän van der Vaart und dem ehemaligen Kapitän Westermann in der Länderspiel-Pause im März neue Angebote gemacht werden. Knäbel wird ihnen wohl vermitteln, wie er die Zukunft plant - ohne sie. Auch, weil "Spieler mit ihren Familien Planungssicherheit brauchen", wie Knäbel sagt.

Das aktuelle Gespräch mit dem neuen Ersatzspieler van der Vaart sei im "zwischenmenschlichen Bereich keine angenehme Sache gewesen", räumte Zinnbauer ein. Aber das gehöre eben zum Geschäft. "Rafa ist Profi, ich bin Profi", schob der Trainer nach. Der habe die Entscheidung "als Kapitän und als Mensch akzeptiert" und werde nun bestimmt im Training "noch mehr arbeiten". Überhaupt sagen die Verantwortlichen kein schlechtes Wort über den 32 Jahre alten Niederländer, der von Frank de Boer, dem Trainer seines ersten Profiklubs Ajax Amsterdam, umworben wird. Wie in Hamburg gibt es allerdings auch in Amsterdam schon Debatten darüber, wie viel der 109-malige Nationalspieler dem Team noch helfen könne.

Kurios sind beim HSV derweil drei andere Personalfälle. Zoltan Stieber, der mit einem linken Heber à la Robben zum 1:0 (73.) die Hamburger vom Sieg hatte träumen lassen, ist ein Halbstürmer, den noch Knäbels Vorgänger Oliver Kreuzer verpflichtet hatte und auf den die neue Führung gern verzichtet hätte.

Zinnbauers jüngster Schachzug: Er verpflanzte den bisherigen Außen Stieber als Zehner in die Zentrale, wo der mit seiner Spielintelligenz zum Kombinationsfluss beitrug. Gegen Mönchengladbach ging dieser Plan des insgesamt stark verbesserten HSV durchaus auf.

Sonntagsspiele der Bundesliga
:Dost überrumpelt auch die Hertha

Langsam wird die Serie von Wolfsburgs Niederländer unheimlich: Bas Dost erledigt Hertha BSC mit zwei weiteren Toren ganz alleine. Der HSV ärgert sich gegen Gladbach über einen unachtsamen Moment in allerletzter Sekunde.

Noch ungewöhnlicher sind die Geschichten von Kacar und Rajkovic. Beide sollten schon 2012 verkauft werden, es fand sich nur niemand, der ihre hohen HSV-Gehälter übernehmen wollte. Nun ist Rajkovic erste Wahl in der Innenverteidigung, Kacar organisierte bei seinem ersten Einsatz von Beginn an seit zweieinhalb Jahren als Sechser das defensive Mittelfeld "super", wie Zinnbauer hervorhob - übrigens neben dem ebenfalls auf der Streichliste stehenden Petr Jiracek. Ob das noch Auswirkungen auf die Personalplanungen hat, bleibt aber ungewiss.

© SZ vom 24.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: