Süddeutsche Zeitung

Mark van Bommel:Alphatier in der Autostadt

Der ehemalige "Agressive Leader" Mark van Bommel soll in Wolfsburg das schwere Erbe von Oliver Glasner antreten. Die Personalie wird mit Skepsis beobachtet - doch Manager Schmadtke lag bei Trainern zuletzt oft richtig.

Von Thomas Hürner, Wolfsburg

Entgegen einem gängigen Klischee existiert der Verein für Leibesübungen Wolfsburg e. V. schon eine ganze Weile, seit dem Jahr 1945, um genau zu sein. Aus der Fußballsparte ist jedoch längst eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung geworden, in der bereits einige interessante Namen als leitende Angestellte der Profimannschaft fungierten. Beinahe in Vergessenheit geraten ist deshalb, dass darunter auch zwei niederländische Fußballtrainer waren: Den Anfang machte Henk van Meteren, der von 1978 bis April 1979 die Geschicke in der Amateur-Oberliga Nord leitete und mittlerweile Ehemaligentreffen organisiert. Und dann war da noch Andries Jonker, der 2017 in der Relegation den drohenden Abstieg abwenden konnte, wenig später aber aufgrund von Erfolglosigkeit entlassen wurde.

Am Mittwoch teilte die VfL Wolfsburg Fußball GmbH nun mit, dass die kurze Ahnenreihe fortgeführt wird - und der Name des neuen Chefcoaches dürfte in der fußballinteressierten Bevölkerung der Bundesrepublik noch sehr bekannt sein. Oder? Unter Berücksichtigung aller in der Geburtsurkunde beglaubigten Vornamen handelt es sich um einen gewissen Mark Peter Gertruda Andreas van Bommel, 44, hierzulande geläufig unter dem Pseudonym "Agressive Leader".

Als Fußballer beherrschte er alle Tricks des schmutzigen Spiels, seine Kernmerkmale waren gestreckte Beine, ausgefahrene Ellenbogen, geballte Fäuste und markige Worte gegenüber Beobachtern, Gegnern und bisweilen auch Kollegen. Im Gedächtnis geblieben ist van Bommel natürlich auch durch seine trophäenreichen Karriere, unter anderem wurde er Champions-League-Sieger mit dem FC Barcelona, Meister mit dem AC Mailand und zweimaliger Double-Sieger in seiner Zeit beim FC Bayern München zwischen 2006 und 2011.

Van Bommel sei die "Wunschlösung" gewesen, sagt VfL-Sportchef Schmadtke

Auf die damaligen Verdienste sowie auf van Bommels "enormen Ehrgeiz" verwies VfL-Geschäftsführer Jörg Schmadtke in der Pressemitteilung, die nach der Verpflichtung seiner "Wunschlösung" für die vakante Trainerstelle in Wolfsburg erging. Das war sicherlich eine wohlüberlegte Kommunikationsstrategie, da van Bommels schon länger feststehendes Engagement in der Autostadt, das laut Vertrag bis 2023 gehen wird, in der Branche auch mit Skepsis beobachtet wurde.

Sein nach Frankfurt abgewanderter Vorgänger Oliver Glasner hat ihm zwar eine intakte Mannschaft hinterlassen, die sich in der abgelaufenen Saison für die Champions League qualifizieren konnte. Allerdings handelt es sich um eine klassische Trainermannschaft, die von Glasner mit einleuchtender Autorität und nach klaren fußballerischen Prinzipien dirigiert wurde. Nur zwei Coaches haben in Wolfsburg am Ende einer Saison besser abgeschnitten als der Österreicher: der ruppige Meistermacher Felix Magath und der routinierte Dieter Hecking.

Mit der PSV Eindhoven wurde van Bommel in seiner ersten Saison als Coach Meisterschaftszweiter

Ein klares Profil hat sich bei van Bommel hingegen noch nicht herauskristallisiert, er ist vergleichsweise unerfahren und kann nach seiner bislang einzigen Trainerstation nur eine eher mittelprächtige Bilanz vorweisen. Mit der PSV Eindhoven, wo der Fußballer van Bommel einst seine rustikale Gangart im Mittelfeld kultiviert hatte, setzte er auf ballbesitzlastigen Fußball, der sich jedoch schnell abnutzte. In seiner ersten Saison wurde PSV noch Zweiter hinter Ajax Amsterdam, was in den Niederlanden traditionell eher als Obligatorium denn als Erfolg gewertet wird. In der Spielzeit darauf war Eindhoven schnell raus aus dem Titelkampf und scheiterte in der Gruppenphase der Europa League, weshalb van Bommel im Dezember 2019 nach nur eineinhalb Jahren als Coach entlassen wurde. "Der Niedergang ist zu deutlich und PSV-unwürdig", lauteten die kernigen Abschiedsworte von Eindhovens Generaldirektor Toon Gerbrands.

Auch VfL-Sportchef Schmadtke gilt bekanntlich nicht unbedingt als konfliktscheu. Bei der Kaderplanung gewährt er seinen Coaches nur wenig Mitspracherecht, die derzeit kursierenden Spekulationen über einen Transfer des Kölner Verteidigers Sebastiaan Bornauw könnten sich also auch ohne den expliziten Wunsch van Bommels konkretisieren. Diese Vorgehensweise führte häufiger zu Dissonanzen zwischen Schmadtke und seinen Trainern, zuletzt mit Bruno Labbadia und Glasner, die aus freien Stücken gingen, obwohl deren sportliche Ausbeute nach gängiger Logik eine Weiterbeschäftigung vorgesehen hätte. Andererseits: Danebengelegen ist Schmadtke mit seiner Trainerwahl noch nie, seit er 2018 die Geschäfte der Wolfsburger Fußball-GmbH übernahm - und die beiden Alphatiere haben sich gewiss ausgiebig beschnuppert, ehe sie sich auf eine Zusammenarbeit verständigten.

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