Valtteri Bottas in der Formel 1:Platz da, Kimi

F1 Grand Prix of Germany - Practice

Valtteri Bottas beim Großen Preis in Hockenheim

(Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Der junge Valtteri Bottas hat überraschend Kimi Räikkönen als schnellster Finne des Formel-1-Feldes abgelöst - auch, weil er so ziemlich alles anders macht als der ehemalige Weltmeister. Das weckt das Interesse der großen Teams.

Von Johannes Knuth, Hockenheim

Das erste Kartrennen war ein besonderes für Valtteri Bottas. Weniger, weil Bottas durch sein fahrerisches Können auffiel. Der Finne war damals vier Jahre alt, er konnte noch kein Kart steuern, seine Beine reichten nicht bis an die Pedale. Er schaute den Rennfahrern einfach zu, einen Tag lang. Später soll ihm sein Vater erzählt haben: "So ruhig wie an diesem Tag hast du sonst nie gesessen."

Wenn es um Rennautos geht, ist Valtteri Bottas voll bei der Sache, daran hat sich auch zwanzig Jahre später nichts geändert. Mittlerweile verdient Bottas seinen Unterhalt als Formel-1-Pilot. Seit zwei Jahren ist er beim Williams-Rennstall angestellt, und in dieser Funktion hat es der 24-Jährige gewissermaßen zum Mitarbeiter der bisherigen Saison gebracht. Vor dem Großen Preis von Deutschland am Hockenheimring, nach neun von 19 Rennen, hat sich Bottas (73 Punkte) bis auf Rang fünf der Gesamtwertung vorgedrängelt, vorbei an höher eingeschätzten Fahrern wie Sebastian Vettel (Red Bull, 70), Jenson Button (McLaren, 55), Williams-Teamkollege Felipe Massa (30) - und dem Mann, der bislang als bester Finne im Fahrerfeld firmierte: Kimi Räikkönen (Ferrari, 19).

"Mach Platz, Kimi",titelte das Magazin autosport.com jüngst, "Bottas ist Finnlands neue Nummer eins!"

Es wäre verwegen, die Lebensläufe der beiden Finnen aufzurechnen. In Bottas Curriculum Vitae stehen 77 WM-Punkte sowie zwei Podestplätze. Räikkönens Vita weist einen Weltmeistertitel (2007), 20 Grand-Prix-Erfolge sowie diverse weitere Bestmarken aus. Aber Räikkönens Ära neigt sich langsam dem Ende zu. Anstatt seinen Ferrari-Kollegen Fernando Alonso zu kitzeln, hält sich Räikkönen vorwiegend im hinteren Mittelfeld des Feldes auf. Als er am Donnerstag in Hockenheim gefragt wurde, was ihn am bisherigen Saisonverlauf freudig stimme, nuschelte Räikkönen: "Nun ja, wir waren bei jedem Rennen am Start."

Wenige Meter Luftlinie entfernt saß Bottas im Motorhome seines Rennstalls, ein Journalist fragte: Valtteri, können Sie der nächste finnische Weltmeister nach Räikkönen werden? "Ja, definitiv, das ist mein Ziel", sagte Bottas in einem Tonfall, als würde er gerade einen Cappuccino bestellen.

Vor weniger als einem Jahr hätte man den 24-Jährigen für derartige Ziele ausgelacht. 2013 war ein schweres Jahr für Williams, entsprechend schwer hatte es Bottas in seiner Premierensaison in der Formel 1. Bottas' bestes Ergebnis war Platz acht beim Großen Preis der USA. Doch er rollte er zuverlässig ins Ziel, er übertrumpfte Teamkollege Pastor Maldonado, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Vor der neuen Saison baute Williams statt Renault-Motoren die Aggregate von Mercedes in seine Autos - und hatte plötzlich ein konkurrenzfähiges Auto. Prompt wurde Bottas Fünfter in Melbourne. In Monaco fiel er aus, ansonsten beendete der Finne stets das Rennen. Im schlechtesten Fall wurde er Achter, im besten Fall Zweiter, das war vor zwei Wochen in Silverstone.

"Er ist kein bisschen verwöhnt"

Dass Bottas die Linie finnischer Formel-1-Regenten weiterführen wird, daran herrscht im Fahrerlager wenig Zweifel - wobei der 24-Jährige auch deswegen so gut ist, weil er vieles anders macht als Vorgänger Räikkönen. "Valtteri steht mit beiden Füßen fest auf dem Boden", sagte Chefingenieur Rob Smedley nach dem Rennen in Silverstone, "er ist kein bisschen verwöhnt". In der Aussage schwingt auch mit: Das ist längst nicht bei allen Piloten so. Nächtliche Ausflüge im Gorilla-Kostüm, wie sie Räikkönen nachgesagt werden, wird Bottas vermutlich nicht unternehmen.

Auch im Ressort "Interne Kommunikation" verdiente sich Bottas zuletzt beste Noten. "Er gibt uns schnell und kompetent Feedback, auch während des Rennens, das war heute vorbildlich", sagte Smedley nach dem britischen Grand Prix. Räikkönen ist ebenfalls bekannt für seine Auskünfte gegenüber der Box, allerdings auf eine andere Weise: "Lasst mich in Ruhe, ich weiß was ich tue", fauchte er 2013 in Abu Dhabi seiner Lotus-Crew zu.

Zudem hat Bottas in den unterklassigen Rennserien erlernt, wie man ein unterlegenes Auto und dessen gesamte Mannschaft verbessert, um voranzukommen. Vor seiner ersten Formel-1-Saison bei Williams kaufte er sich in der Nähe der Fabrik eine Wohnung, besuchte regelmäßig das Werk, half in einigen Abteilungen aus. "Die Fabrik ist mein zweites zu Hause", sagte er damals. Räikkönen erwartet von seinen Untergebenen, dass sie ihm ein schnelles Auto zur Verfügung stellen. Eigene Maßnahmen interessierten ihn nicht.

Wenn in naher bis mittelfristiger Zukunft ein Top-Cockpit bei Mercedes, Red Bull oder Ferrari frei werden sollte, sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff zuletzt, sehe er ein paar Kandidaten: Kevin Magnussen (McLaren), Daniil Kwjat (Toro Rosso), Jules Bianchi (Marussia) und an erster Stelle in der Warteschlange: Valtteri Bottas. Letzterer ist anscheinend gewillt, den dafür nötigen Lernprozess fortzusetzen. "Ich habe noch eine lange Karriere vor mir, ich habe noch viel Zeit, mich zu entwickeln", sagt Bottas. Es klingt wie eine Drohung an die Konkurrenz.

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