Süddeutsche Zeitung

Trauerfeier für Uwe Seeler:In Hamburg singt man Tschüss

Mit einer bewegenden Feier nimmt die Stadt Abschied von ihrem Fußballidol Uwe Seeler. Trotz aller Trauer ist auch Leichtigkeit im Spiel.

Von Saskia Aleythe, Hamburg

Wo sonst der Ball zum Anstoß bereit liegt, stand jetzt ein Piano. Auf der Tribüne folgten die Menschen den Tönen, sie sangen, sie klatschten sogar, zu dem Klassiker "In Hamburg sagt man Tschüss". Pianist Joja Wendt hatte das Lied in eine Version mit viel Jazz verwandelt, die es den Leuten schwer machte, das Wippen mit dem Fuß zu unterlassen. Wippen auf Trauerfeiern gibt es sonst nicht, aber was heißt schon: sonst. Die Hamburger Fans waren gekommen, um Abschied zu nehmen von Uwe Seeler, ihrem Uwe. Und sie sollten es tun, wie er es am liebsten hatte, wofür er selbst ja bewundert worden war: mit Herz und Leichtigkeit.

Am 21. Juli war Uwe Seeler im Alter von 85 Jahren verstorben, sein Tod hatte viele bewegt. Bereits am vergangenen Donnerstag wurde Seeler im Familienkreis auf dem Friedhof in Ohlsdorf beigesetzt, gut 14 Kilometer vom Volkspark-Stadion entfernt. Seelers Familie hatte sich gegen eine kirchliche Feier entschieden, sie wollten dort bleiben, wo der ehemalige Fußballer oft seine schönsten Stunden erlebte, nah dran an den Leuten. "Humor hatte der Uwe ja auch viel", sagte Schauspieler Olli Dietrich, der als Freund der Familie die letzte Rede hielt. Dann imitierte er eine fiktive Radioszene, bekam viel Applaus von den Rängen. Ein kleines Zittern in der Stimme, dann schloss er: "Ich weiß, du schaust von da oben hier runter."

Knapp 5000 Menschen hatten sich in der HSV-Arena um 14 Uhr versammelt, weit weniger als vorher erwartet: Über 50 000 hätten Platz gefunden. Der Seemannschor Hamburg eröffnete die Feier, Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher würdigte Seeler als "einen der besten deutschen Fußballer aller Zeiten", dafür gab es Zwischenapplaus. 2003 hatte Hamburg Seeler die Ehrenbürgerwürde verliehen; nicht nur, weil er in den Sechziger Jahren deutscher Meister und Pokalsieger geworden war, 1964 gar Torschützenkönig in der Bundesliga. Da ging es vor allem auch um soziales Engagement. Zu seinem 60. Geburtstag hatte Seeler eine eigene Stiftung gegründet, die Menschen in Notlagen unterstützt. "Hamburg verliert mit Uwe Seeler ein Stück von sich selbst", sagte Tschentscher, und auch: "Sein Name steht für Fairness und Teamgeist." Nur eine rote Karte hatte der Fußballer in seiner Karriere bekommen.

"Seine Treue zu Hamburg und zum HSV war legendär und beispiellos", sagt Neuendorf, "sie wirkt heute noch stärker aus der Zeit gefallen als damals."

Dann sang Hans Albers aus den Stadionboxen das berühmte "La Paloma", in dem er in See sticht und eine Botschaft an die Lieben daheim parat hat: "Mein Herz geht an Bord und fort muss die Reise gehn, dein Schmerz wird vergehn und schön wird das Wiedersehn. [...] Wein' nicht, mein Kind, die Tränen, die sind vergebens." Auf den beiden Anzeigetafeln leuchteten Bilder hinab, einmal lehnt sich Seeler keck in schwarz-weiß aus einem Auto heraus; auf einem anderen lacht er gemeinsam mit Ehefrau Ilka, auch für seine Fröhlichkeit wurde er von den Fans bewundert. In diesem Sinne hat die Familie auch die Musik an diesem Tag ausgewählt: heimatverbunden, mit Potenzial zum Schunkeln.

Bernd Neuendorf, Präsident des Deutschen Fußballbundes, sprach auch vor geladenen Gästen wie Bundeskanzler Olaf Scholz oder Bundestrainer Hansi Flick; er nannte Seeler jemanden, der aufgeschlossen war gegenüber allen Menschen - "Uwe-Rufe" gingen durchs Publikum. Seine Auftritte bei Weltmeisterschaften hätten Millionen Menschen in ihren Bann gezogen, aus den unmöglichsten Winkeln bugsierte Seeler das Leder ins Tor. Er wurde WM-Zweiter und einmal WM-Dritter, schoss 43 Tore in 72 Spielen. Die Nationalmannschaft habe eine ihrer besten Zeiten mit Uwe Seeler erlebt, so der DFB-Präsident. Da sei es fast lächerlich, dass er nie einen Titel im deutschen Trikot gewann. Aber: "Uwe Seeler brauchte keinen Titel, um zu einem Idol zu werden."

In seiner Karriere war Seeler dem HSV treu geblieben. Dass er ein Angebot von Inter Mailand abgelehnt hatte, machte ihn noch beliebter. "Seine Treue zu Hamburg und zum HSV war legendär und beispiellos", sagte Neuendorf, "sie wirkt heute noch stärker aus der Zeit gefallen als damals." HSV-Vorstand Jonas Boldt würdigte Seeler einprägsam: "Er ist einer von uns - nur besser."

"Uwe, Uwe" schallte es am Ende von den Rängen. Und dann klang es noch einmal nach Begeisterung am Fußball, nicht nach Trauer.

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