Chancen hatte sich Ute Groth kaum eingeräumt, als sie ihre Initiativbewerbung für das vakante Präsidentenamt im DFB abschickte. Dazu ist Ute Groth, 60, von Beruf Bauplanerin und ehrenamtlich Präsidentin der DJK TuSA 06 Düsseldorf mit 1400 Mitgliedern, zu sehr Realistin. Aber sie wollte den Amateurvereinen mehr Gehör im Deutschen Fußball-Bund verschaffen - und eine Debatte über die Besetzung des Spitzenpostens anregen. Ob sich der DFB mit ihrer Bewerbung befasst hat, hat Groth nicht erfahren. Klar ist nur: Am 21. August will der Verband seinen Kandidaten oder seine Kandidatin für das Amt präsentieren, die Wahl ist für den 27. September vorgesehen. Unabhängig vom Ausgang seien Veränderung nötig, glaubt Ute Groth.
SZ: Frau Groth, die Aktionsgemeinschaft "Rettet die Amateurvereine" hat sich gerade für Sie als DFB-Präsidentin ausgesprochen. Als Vereinspräsidentin würden Sie die "Sorgen und Nöte" besser kennen als die meisten Funktionäre, heißt es. Aber kommt das nicht zu spät?
Groth: Die unterstützen meine Kandidatur, das ist lieb. Aber das hat jetzt tatsächlich keinen Sinn mehr, die Wahlkampfhilfe benötige ich nicht mehr. Das Thema meiner Kandidatur hatte sich für den DFB ja offenbar von Anfang an erledigt. Am 1. August musste schon ein Antrag mit Namen an den DFB-Bundestag geschickt werden. Und da sich keiner vom DFB bei mir gemeldet hat, nehme ich nicht an, dass ich zu den Kandidaten gehöre.
Ganz sicher wissen Sie aber nicht, ob Sie auf der Shortlist der Kandidaten stehen, die der DFB erstellt hat?
Nein. Das ist Geheimsache. Ich hatte zwei Kontakte mit dem DFB: Gleich am Anfang nach meiner Bewerbung im Mai. Und dann gab es noch einen persönlichen Kontakt mit Herrn Rainer Koch, dem DFB-Vizepräsidenten, auf dem Verbandstag Niederrhein im Juni. Er sagte mir, das Amt des DFB-Präsidenten sei ein ganz wichtiger Posten, es gehe um viel Geld, da müsste man Wirtschaftsfachmann sein, das würden sich die wenigsten zutrauen. Ich habe das so interpretiert: Die halten dich für ein zu kleines Licht.
Wurden Sie denn von Ihrem Landesverband zur Kandidatur vorgeschlagen? Das wäre ja die Voraussetzung gewesen.
Ich bin an den Landesverband herangetreten. Der Antrag wurde fristgerecht eingereicht, ist am betreffenden Tag dann aber nicht verhandelt worden. Das Verfahren ist ein bisschen intransparent.
Andererseits müssen Sie einen Nerv getroffen haben. Sonst gäbe es ja unter anderem den Wahlaufruf der Aktionsgemeinschaft "Rettet die Amateurvereine" um den früheren Unterhachinger Vereinschef Engelbert Kupka nicht.
Dass so viel Rückmeldung von der Basis gekommen ist, hat mich tatsächlich überrascht. Zumal meine Bewerbung in den ersten zwei Wochen ja gar nicht öffentlich bekannt war; ich hatte anfangs nur den Vereinskollegen Bescheid gesagt, dann hat eine regionale Zeitung hier in Düsseldorf das Thema aufgegriffen - und plötzlich kamen Reaktionen von Leuten aus den Amateurvereinen aus ganz Deutschland. Wir wollen jetzt zumindest langfristig ein bundesweites Netz der Vereine aufbauen, die da auf einer Wellenlänge sind. Der Tenor war fast immer derselbe: Zum einen ist da das Gefühl, dass die Abläufe beim DFB nicht mehr transparent sind. Zum anderen die Sorge, dass sich die Amateure nicht mehr vom DFB vertreten fühlen. Im DFB sind knapp 25 000 Amateurvereine und 56 Profivereine bei den Männern organisiert. Das Hauptaugenmerk aber liegt auf dem Profibereich, in dem das Geld umgesetzt wird. Das heißt: Es dreht sich alles um den Glitzer und den Glamour, aber nicht mehr um das, was an der Basis passiert.
Vermutlich versteht die Basis auch nicht mehr, warum sich die DFB-Präsidenten nicht an der Spitze halten. Theo Zwanziger verkürzte seine Amtszeit, Wolfgang Niersbach zog die Konsequenzen aus dem Sommermärchen-Skandal 2006, und im April trat Reinhard Grindel wegen einer geschenkten Uhr zurück.
Auch das habe ich den Reaktionen entnommen: Was die Leute ärgert, ist der Klüngel an der Spitze des DFB. Von der Vereinsebene aus betrachtet, sieht das so aus: Wir brauchen alle Vorbilder, auch wir Vereinsvorsitzende, und wenn es an der Spitze Ungereimtheiten gibt, dann ist das auch für uns nicht gut. Denn das hat ja Auswirkungen auf unser aller Ansehen.
Am Geld allein kann es ja nicht liegen, wenn viele unzufrieden sind. Insgesamt investieren der DFB und seine Landesverbände doch rund 120 Millionen Euro pro Jahr in den Amateurfußball.
Ja, das steht auf der Homepage. Aber was machen die damit? Sie bieten Fortbildungen an, haben Websites mit dem Angebot für Trainingseinheiten, und es ist prima, dass man auf Fußball.de jetzt alle Amateur-Ergebnisse bekommt. Aber das hilft doch nicht bei der täglichen Arbeit mit unseren Jugendlichen! Wir müssen die Spiele organisieren, müssen Übungsleiter finden, wir bezahlen für die Fortbildung, wir bezahlen Strafen und Beiträge. Wenn alle sieben Jahre dann mal der DFB-Bus vorbeikommt, dann begeistern sie damit 20 Jugendliche. Finde ich schwierig, das Thema.
Wo würde sich Ihr Verein, die DJK TuSA 06 Düsseldorf, konkrete Hilfe erhoffen?
In Deutschland sind viele Vereine jetzt 100 Jahre alt, da mangelt es an Infrastruktur. Nun muss der DFB natürlich nicht dafür sorgen, dass unsere Anlagen saniert werden, da helfen ja die Städte und Gemeinden. Aber er könnte helfend eingreifen. Wenn man ein tolles Projekt im Verein hat und zum Beispiel den Mädchenfußball stärken will und dafür zusätzliche Kabinen braucht: Warum kann man da keinen direkten Förderantrag beim DFB stellen?
Hat sich der DFB nach der Bewerbung mal mit Ihnen über Ihre Ideen unterhalten?
Am Anfang schrieb die Personalabteilung des DFB zurück, dass meine Bewerbung eingegangen sei, dass das Schweizer Personalberatungsbüro Egon Zehnder einen geeigneten Kandidaten suchen soll; ich solle mich bitte dazu bereiterklären, meine Unterlagen weiterzugegeben. Das war der eine Kontakt. Dann hatte ich noch Fragen zur Satzung, wie man auf eine Kandidatenliste kommt, und ein Justiziar des DFB hat mit mir telefoniert.
Gerade hat der DFB eine Strukturreform angekündigt, bei der das Präsidentenamt eingeschränkt wird. Zwischen wirtschaftlichen und gemeinnützigen Aufgaben soll deutlicher getrennt werden. Was glauben Sie: Ist das der richtige Weg?
Das heißt, dass das Amt des DFB-Präsidenten beschnitten wird. Wer von beiden hat dann den Einfluss auf die Verteilung der Gelder? Ich persönlich glaube, dass eine Teilung der Aufgaben besser wäre als eine Beschneidung der Kompetenz, eine Doppelspitze, in der sich eine Person um den Amateurbereich und eine andere um den Profibereich kümmert - in enger Zusammenarbeit, mit schöner Verzahnung und guten Ideen. In einem klassischen Verein arbeitet man ja grundsätzlich auch so, und das funktioniert.
Sie hatten sich von Anfang an nur eine Minimalchance bei dieser Präsidentenkür gegeben. Sie wollten dem DFB auch Denkanstöße geben und provozieren. Ist das gelungen?
Das glaube ich schon. Es ist noch nie vorgekommen - ich beobachte das ja schon ein Weilchen -, dass im Vorfeld einer DFB-Präsidentenwahl öffentlich darüber diskutiert wurde, wer da jetzt ins Amt kommt und was er können soll.
Geheim ist die Kandidatenliste ja immer noch!
Ja, aber zumindest habe ich jetzt mal die Frage gehört: Was haben Sie eigentlich für ein Programm? Darüber wurde früher auch nie debattiert. Auch dass man sich jetzt damit beschäftigt, wer die Delegierten sind, wie das Prozedere verläuft - da, denke ich, habe ich schon ganz gute Arbeit geleistet.
Es wurde zumindest darüber geredet, was es in 119 Jahren DFB noch nie gab - nämlich eine Frau als Präsidentin.
Ja, aber Fußball ist noch immer eine Männerdomäne. Deshalb finde ich das nicht verwunderlich. Erstaunlich ist eher, dass sich mal jemand freiwillig von unten, von der Basis, gemeldet hat. Bei mir war das ja ganz spontan: Nach dem Rücktritt von Herrn Grindel saß ich auf der Couch und habe mich geärgert. Deshalb wollte ich mich einmischen, wollte was tun. Dann las ich in der Süddeutschen einen Kommentar, in dem stand, dass für das DFB-Präsidentenamt kein Studium der Raketenwissenschaften nötig ist. Da habe ich gedacht: Warum suchen die denn nur in Fußballerkreisen? Das kann eigentlich jeder.