Süddeutsche Zeitung

USA:Bastian, der Bessermacher

  • Seit Bastian Schweinsteiger in Chicago spielt, holte der notorisch erfolglose Klub sieben Punkte aus drei Spielen.
  • Vergangenes Jahr war Chicago noch Letzter, jetzt steht er nach sechs Spielen zwei Punkte hinter der Tabellenspitze.
  • Schweinsteiger tourt zwischen den Spielen durch die Stadt, besucht mit Frau Ana Ivanovic Eishockey- und Basketball-Spiele.

Von Jürgen Schmieder, Chicago/Los Angeles

Es gab bei den ersten Versionen des Computerspiels "Bundesliga Manager", die Älteren werden sich erinnern, die wunderbare Möglichkeit, einen Weltstar zu einem Regionalligisten zu locken. Dieser herausragende Fußballer musste dort nicht akklimatisiert werden, er schoss sogleich viele Tore, bereitete Treffer vor und sorgte ganz nebenbei dafür, dass die löchrige Defensive plötzlich stabil wirkte. So ein Wundertransfer war im wirklichen Fußballgeschäft freilich völlig undenkbar - bis zur Gründung der amerikanischen Profiliga MLS.

Der notorisch erfolglose Verein Chicago Fire, in den vergangenen Spielzeiten jeweils Letzter und in die aktuelle Saison mit einem Sieg aus drei Partien gestartet, hat sich vor ein paar Wochen für 4,5 Millionen Dollar Saisongehalt den Weltstar Bastian Schweinsteiger gegönnt. Der musste nicht akklimatisiert werden, er schoss bei seiner Premiere (2:2 gegen Montréal Impact) gleich ein Tor und stabilisierte beim zweiten Spiel (1:0 gegen Columbus Crew) das Mittelfeld. Am Samstag, beim 3:0 gegen New England Revolution, schoss er das Führungstor und leitete die beiden anderen Treffer von Nemanja Nikolic ein.

Basketball, Eishockey, Baseball: Er wird die Sportikone der Stadt

Die einstige Lachnummer der Liga gilt nun als Kandidat für die Ausscheidungsrunde - vielleicht sogar für mehr. "Wir wollen hier seit einiger Zeit etwas aufbauen, das hat ein bisschen Zeit gebraucht", sagt der Trainer Veljko Paunovic: "Langsam fügt sich das Puzzle zusammen." Das Bild, das die Mannschaft in den vergangenen Partien abgegeben hat, wirkt stimmig und bisweilen sogar spektakulär, die Spielzüge sind durchdacht und einige Treffer sehenswert herausgespielt. Es sieht jedoch weniger so aus, als würden sich kleine Teile zu einem Ganzen fügen, eher, als habe jemand ein riesiges Foto von Schweinsteiger in die Mitte gelegt und die anderen, viel kleineren Teile an dieses Foto angeklebt.

Schweinsteiger ist der Bessermacher dieses Vereins. Das wissen sie natürlich in Chicago. Also hören sie nicht auf, ihm zu huldigen - und ihn als die neue Sportikone der Stadt zu positionieren: Vom deutschen Basketballspieler Paul Zipser, derzeit mit den Chicago Bulls in den NBA-Playoffs aktiv, bekam er ein Bulls-Trikot geschenkt, bei einem Eishockeyspiel kuschelte er im Chicago-Blackhawks-Trikot mit seiner Frau Ana Ivanovic auf der Tribüne, und er soll möglichst bald den ersten Wurf bei einer Partie des aktuellen Baseball-Meisters Chicago Cubs ausführen.

"Ich bin jetzt erst seit zwei Wochen hier, deshalb kann ich noch nicht alles beurteilen - doch bislang gefällt es uns sehr gut", sagt Schweinsteiger: "Die Leute sind nett, die Stadt ist sehr cool. Ich will unbedingt mehr davon sehen." Der Verein veröffentlicht Videos von freundlichen Rangeleien zwischen Schweinsteiger und Fire-Angestellten, von Tricks im Training und von Tollereien mit Ersatztorwart Matt Lampson. "Ich will eigentlich immer Spaß haben", sagt Schweinsteiger: "Und hier habe ich immer Spaß. Die Mitspieler wollen arbeiten, sie wollen gewinnen."

Schweinsteiger hat sich bereits bestens eingelebt in Chicago, und natürlich macht Sport meistens noch mehr Spaß, wenn man gewinnt. Durch die sieben Punkte in drei Heimspielen nacheinander liegt Chicago in der Eastern Conference nur zwei Punkte hinter Tabellenführer Columbus. "Das sieht doch jetzt schon viel besser aus", sagt Schweinsteiger: "Ich freue mich jetzt auf die Partien in anderen Stadien."

Chicago reist nun nach Toronto, dann nach New York und schließlich nach Los Angeles, knapp 10 000 Kilometer in 16 Tagen. Der German Weltstar ist halt nicht in eine Regionalliga gewechselt, sondern in eine Profiliga mit immensem Reiseaufwand und bis zu drei Stunden Zeitverschiebung. "Daran muss ich mich wahrscheinlich erst gewöhnen, aber ich freue mich darauf", sagt Schweinsteiger. Wenn es für ihn im wahren Leben auch weiterhin so läuft wie sonst nur beim Computerfußball, dann steckt er auch diese Auswärts-Tournee locker weg.

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Quelle:
SZ vom 18.04.2017/schm
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