Frauen-Basketballliga WNBA:Der Fehler liegt im System

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Solidaritätsbekundung: Der NBA-Klub Detroit-Pistons würdigt die Freilassung der WNBA-Spielerin Brittney Griner aus Russland. (Foto: Jose Juarez/dpa)

Die Rückkehr von Brittney Griner aus russischer Haft wirft Fragen auf: Warum verdienen die besten US-Basketballerinnen in der heimischen Liga überhaupt so wenig Geld, dass sie zusätzlich im Ausland spielen müssen?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es war Brittney Griner dann doch ein Anliegen, am Ende ihrer Botschaft eine Sache klarzustellen: "Ich will in der kommenden Saison für Phoenix Mercury in der WNBA spielen." Nach ihrer Rückkehr in die USA bedankte sich die Basketballspielerin bei US-Präsident Joe Biden und kündigte bei Instagram an, ihre Prominenz zu nutzen, um für die Freilassung ihrer Landsleute zu werben. Die USA hatten bei dem Gefangentausch für Griner, die wegen Cannabis-Kartuschen in ihrem Gepäck in Russland verurteilt worden war, den Waffenhändler Wiktor But freigelassen.

Die Ankündigung der US-Profibasketballerin Griner, ihre Karriere fortzusetzen, ist mehr als eine rein sportliche Nachricht. Denn Griner schreibt ja nur, dass sie für einen Klub in den USA antreten wird. Sie schreibt auffälligerweise nicht, dass sie nie wieder im Ausland oder gar Russland spielen wird. Das ist die wahre Botschaft, und sie zeichnet ein trauriges Bild von den Zuständen im Frauenprofisport in den USA - und weltweit.

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"Wir müssen eine Entscheidung treffen, ob wir es tatsächlich zulassen wollen, dass andere Länder unsere Landsleute beim Thema Profisport besser behandeln als wir", sagt Ketra Armstrong, Professorin für Sportmanagement an der University of Michigan. Die Amerikaner betrachten Basketball als Nationalsportart, ihrem Selbstverständnis zufolge hat sich die beste und lukrativste Liga der Welt in den USA zu befinden. Sie debattieren auch viel über Gleichberechtigung, in zahlreichen Branchen. Wie ist es dann zu erklären, dass in der Frauenliga WNBA das Spitzengehalt in der kommenden Saison bei 234 926 US-Dollar liegen wird (Topverdienerin ist Jewell Loyd von Seattle Storm) - und in der Männerliga NBA kein Akteur weniger als eine Million Dollar erhält? 1,42 Millionen Dollar, das ist die Gehaltsobergrenze der WNBA - pro Team. Das Durchschnittsgehalt der Spielerinnen liegt bei 118 000 Dollar.

In der NBA gehen die Hälfte der Einnahmen an die Spieler, in der WNBA nur 20 Prozent

Das Gehaltsniveau in den beiden Ligen könne man nicht vergleichen, ist oft zu hören; weil die Einnahmen, die in der Männerliga generiert werden nun einmal sehr viel höher liegen als jene der Frauen. Gegenfrage - und die führt zu der von Armstrong angeführten "traurigen Situation": Warum schaffen es die USA nicht, in ihrer heiligen Sportart so hohe Einnahmen zu erzielen, dass Spitzenspielerinnen wie Griner nicht in Russland spielen müssen? Olympiasiegerin Griner, 32, hätte in der vergangenen Saison in Phoenix 221 500 Dollar erhalten - in Russland, bei UMMC Jekaterinburg, bekam sie das Fünffache. "Es ist so viel Geld, dass man fast nicht darüber nachdenken muss, ob man das tun sollte", sagt Armstrong. "Zumal man als Profisportler auch hofiert wird und sich sicherer fühlen darf als ein Tourist."

Hoch gelobt, schlecht bezahlt im Vergleich zu den Männern: die zweimalige Olympiasiegerin Brittney Griner. (Foto: Eric Gay/AP)

Profisport ist ein Geschäft, und deshalb wird zunehmend häufig in Ländern gespielt, in denen die Höhe der Ausgaben offenbar keine große Rolle spielt; ob das nun Frauenbasketball in Russland ist, Golf in Saudi-Arabien, Winter-Olympia in China, Formel 1 in Bahrain, oder, aktuelles Beispiel, die Fußball-WM in Katar. Man kann das beklagen, oder man sucht nach Möglichkeiten, die Einnahmen generell signifikant zu erhöhen. "Die Männerliga NBA hat in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt, wie man das tun kann", sagt Armstrong. Durch das Erschließen neuer Märkte (in China und Europa vor allem) sowie die Verbindung zwischen Sport und Popkultur hat sich der Umsatz seit 2001 mehr als vervierfacht; in dieser Spielzeit dürften es in der NBA mehr als zehn Milliarden Dollar sein. In der WNBA sind es derzeit etwa 60 Millionen. Eine Vervierfachung von Einnahmen und Gehältern würde den Anreiz senken, im Ausland antreten zu wollen.

"Es braucht eine klare Strategie, gerade beim Zusammenspiel zwischen Wachstum und Sponsoren", sagt Armstrong. Damit beginnen sie nun in der WNBA: Jedes der zwölf Frauenteams wird in der kommenden Saison, die im Mai beginnen wird, 40 Partien absolvieren - so viele wie zuvor. Allerdings: Im Tarifvertrag, der bis 2027 gilt, ist festgelegt, dass die Eigentümer die Zahl der Spiele auf bis zu 44 pro Team erhöhen können - ohne die Gehälter entsprechend anzupassen. In der NBA gehen die Hälfte der Einnahmen an die Spieler, in der WNBA nur 20 Prozent. Immerhin können die besten Spielerinnen über Boni und Einnahmen aus Turnieren während der Saison - die WNBA hat im kommenden Sommer den so genannten Commissioner's Cup wieder eingeführt - mehr als eine halbe Million Dollar erwirtschaften.

"Wir fordern nicht, dass wir so viel kriegen wie die Männer", sagt Profibasketballerin Kelsey Plum, 28, die vorige Spielzeit mit den Las Vegas Aces den Titel gewonnen hat und in der Saisonpause meist in der Türkei spielt, zuletzt bei Galatasaray Istanbul. Dort verdient sie deutlich mehr als in der WNBA (der Vertragsinhalt ist nicht bekannt), doch Plum hat die gleiche Botschaft gesendet wie Griner: Sie wird in der kommenden Saison bei Las Vegas spielen, für 200 000 Dollar.

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