US-Schwimmer Michael Phelps:Auf Bewährung im Becken

Michael Phelps

Mit demselben Hunger wie einst: Rekord-Olympiasieger Michael Phelps krault wieder hurtig durch die Schwimmbecken.

(Foto: Tony Avelar/AP)
  • Rücktritt vom Rücktritt, Alkohol am Steuer, Sperre: Der 18-malige Olympiasieger Michael Phelps darf nach einer turbulenten Lebensphase wieder schwimmen.
  • Prompt sorgt er für Debatten - bei der Fina denkt man über eine Sonderzulassung für die WM im Sommer nach.
  • Doch dafür müssten mehrere Gremien Änderungen beschließen.

Von Claudio Catuogno

Mit On/Off-Beziehungen kennt Michael Phelps sich aus. Seine Langzeit-Freundin Nicole Johnson kann zum Beispiel davon berichten: On, off, on, off, acht Jahre ging das zwischen den beiden so. Aber Anfang dieses Jahres hat Michael Phelps eine Entscheidung getroffen - und das wäre jetzt vielleicht eher eine Geschichte für die bunten Seiten. Wenn es sich mit der Beziehung Phelps/Schwimmen zuletzt nicht ähnlich verhalten hätte wie mit der Beziehung Phelps/Johnson. Michael Phelps, 18-maliger Olympiasieger, und sein Sport: Auch das ist eine ewige On/Off- Beziehung.

Man muss die Phasen, in denen er schwamm, mit jenen, in denen er nicht schwamm, in Beziehung setzen, nur dann bekommt man das ganze Bild - jetzt, da der 29-Jährige seit wenigen Tagen wieder schwimmt. Auf Bewährung.

Wenn Michael Phelps nicht schwamm, lag das daran, dass er nicht durfte, etwa weil er mit einem Marihuana-Pfeifchen erwischt wurde (drei Monate Sperre 2008). Oder daran, dass er nicht wollte, etwa weil ihm sein Langzeit-Trainer Bob Bowmann mal wieder auf den Keks ging und er lieber mit den Kumpels abhing; ein großer Junge in einem großen Haus mit einer Küche voller Chipstüten und Dosenbier. Oder es lag daran, dass Phelps schon offiziell in den Athleten-Ruhestand verabschiedet worden war wie nach den Olympischen Spielen von London 2012, bei denen er vier Gold- und zwei Silbermedaillen gewann und schließlich öffentlich schwor: Nie, nie, nie werde man von ihm ein Comeback erleben.

Eine Statue und jede Menge Ovationen gab es damals zum Abschied für den Größten seiner Zunft, es war rührend, selbst für jene, die dem Überschwimmer Phelps immer eher mit Skepsis begegnet sind. Dass die Statue einen Schwimmer ohne Kopf zeigte, hat Phelps nicht persönlich genommen.

Sätze der Selbstkasteiung

Wenn Phelps hingegen schwamm - und alles in allem war das die längste Zeit seiner Karriere der Fall -, dann fraß er sich durch die Becken dieser Welt, dass einem angst und bange werden konnte. Am vergangenen Wochenende hat man davon noch einmal eine Ahnung bekommen, wenn auch in etwas kleinerem Rahmen: im Skyline Aquatic Center der Kleinstadt Mesa im US-Bundesstaat Arizona, bei einem Meeting der amerikanischen Pro-Swim-Serie. Im Finale über die 100 Meter Freistil: Bei der Wende nach der ersten Bahn war Phelps Letzter. Beim Anschlag nach der zweiten Bahn war er dann Erster.

Und danach berichtete Phelps von einer fast übersinnlichen Erfahrung: "Ich weiß nicht, was passiert ist, als ich nach den ersten 50 von der Wand weggekommen bin. Ich war unter Wasser, hab mit dem Beinschlag angefangen - und bei einem der Kicks war plötzlich etwas anders. Ich hab was gespürt. Ich weiß nicht, ob es so was war wie dass ich in den Ich-weiß-wieder-wie-man-ein-Rennen-schwimmt-Gang geschaltet habe. Aber es war etwas, das ich nicht mehr gespürt hatte, seit ich zurück im Wasser bin."

Ryan Lochte, Phelps' Konkurrent all die Jahre, der mal wieder erleben musste, wie der Lulatsch aus Baltimore auf den letzten Metern an ihm vorbei zog, gab anschließend bekannt: "Es ist alles wie früher."

Den Eindruck allerdings will Phelps unbedingt vermeiden: dass jetzt wieder alles wie früher ist. Wie gesagt, er ist nur auf Bewährung drinnen im Pool, und da sagt man natürlich besser Sachen, die nach Zerknirschung und Selbstkasteiung klingen. Etwa: "Ich habe vielen Menschen furchtbar weh getan und übernehme dafür die volle Verantwortung." Oder: "Ich weiß, dass es eine Menge Zeit brauchen wird zu beweisen, dass ich jetzt ein anderer bin. Dass ich mich geändert habe."

Der Weltverband will ihn bei der WM

Vor einem Jahr war schon einmal ein Comeback von Michael Phelps das große Thema gewesen beim Schwimmfest von Mesa, es handelte sich damals um den Rücktritt vom Rücktritt. Phelps hatte genug von den ewigen Golfplatzrunden, er wollte wieder Schwimmen, wollte zurück in seine vertraute Welt, allen Nie-nie-nie-Versprechen zum Trotz. Dann folgte aber prompt ein halbes Jahr, in dem er mal wieder nicht durfte.

Im September 2014 war er in Baltimore alkoholisiert am Steuer erwischt worden, laut Polizeiprotokoll "lallend" und "mit blutunterlaufenen Augen", außerdem 65 Stundenkilometer zu schnell. Es folgten: ein Gerichtsverfahren, eine Bewährungsstrafe (er ist Wiederholungstäter) und ein Aufenthalt in einer Klinik, um seinen Alkoholkonsum in den Griff zu bekommen.

Das war wohl auch die Zeit, in der er den Beistand seiner On/Off-Liebe Nicole Johnson zu schätzen gelernt hat, jener "Miss California 2010", die jetzt seit kurzem seine Verlobte ist. "She said yes", postete Phelps am 22. Februar bei Instagram.

Der Verband US Swimming sagte hingegen erst mal "no", er sperrte den 29-Jährigen für sechs Monate. Der Bann endete in der vergangenen Woche. Wenn die Branche sich allerdings Anfang August in Kasan/Russland zur Schwimm-WM trifft, darf Phelps trotzdem nicht mitmachen - obwohl er sich sportlich qualifiziert hätte. Sechs Monate Disziplinarstrafe plus keine WM-Nominierung, dieses Strafmaß hatte Phelps akzeptiert. Aber jetzt, wo er wieder in den Renn-Gang geschaltet hat, gibt es nicht wenige, die an dem WM-Verbot rütteln wollen.

Michael Phelps ist halt immer noch die größte Attraktion im Zirkus. Und erscheint es da nicht einigermaßen absurd, wenn man in der Fußball-Arena von Kasan im Sommer eine globale Schwimm-Manage errichtet - aber die einzige Nummer, wegen der immer alle zugucken, fällt diesmal aus?

Phelps braucht Kasan nicht unbedingt

Cornel Marculescu, der Exekutivdirektor des Weltverbands Fina, hat in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP angedeutet, dass die Fina sich ja nicht an Disziplinarmaßnahmen des US-Verbands halten müsse. Nicht, wenn es um Phelps geht. "Wir könnten ihm einen anderen Status geben, weil er der größte Athlet der Geschichte ist", sinnierte Marculescu so vor sich hin, "wir können alles Mögliche tun. Er ist die Nummer eins, er braucht keine Akkreditierungen." Sollte er diesen Plan ernst meinen, würde der Fina-Manager allerdings seine Kompetenzen überschreiten.

Die Ausschreibungs-Fristen für die WM sind längst vorbei, Änderungen müssten diverse Gremien beschließen. Zugelassen sind ausdrücklich immer nur zwei Athleten pro Nation und Disziplin - und es wäre völlig ungeklärt, was zum Beispiel passieren würde, sollten sich der Wildcard-Starter Phelps plus zwei weitere Amerikaner für ein Halbfinale oder Finale qualifizieren. Wer müsste dann verzichten? Und wer würde womöglich dagegen klagen? "Ach, der alte Cornel", sagte Phelps nur, als er in Mesa auf den Plan angesprochen wurde.

Marculescu hat die Idee erst mal nicht weiter verfolgt.

Doch auch im US-Team hat man schon erwogen, die Sperre aufzuheben. Das allerdings schließt Phelps aus. Er ist jetzt ja demütig und geläutert. Nie, nie, nie würde er einen anderen US-Schwimmer "aus diesem Team verdrängen", verspricht der 29-Jährige - und dieses "Nie" darf man ihm ausnahmsweise wohl glauben.

Phelps braucht Kasan ja auch gar nicht so unbedingt wie Kasan ihn braucht. Für Phelps zählt ohnehin nur Rio: Olympia im kommenden Jahr, das Fortschreiben an der eigenen Unsterblichkeit. Und danach dann die Hochzeit natürlich. "Es gibt niemanden auf der Welt, mit dem ich lieber zusammen bin", das hat Phelps kürzlich dem Magazin People erzählt, und es ging da tatsächlich um seine Nicole. Es hat trotzdem wie eine Liebeserklärung an das Schwimmen geklungen.

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