Der Umstand, dass Alexander Zverev nach diesem Match seine Taschen noch selbst schultern konnte, war keine Selbstverständlichkeit: Beim Tennisturnier in Cincinnati ging Zverev körperlich derart an seine Grenzen und womöglich darüber hinaus, dass er sich im zweiten Satz des Halbfinals gegen Carlos Alcaraz kaum noch bewegen konnte. „Bei mir dreht sich alles“, berichtete er dem zwischenzeitlich auf den Platz gerufenen medizinischen Personal.
Die Bilder von Zverev, 28, während des Halbfinals des mit 9,2 Millionen Dollar dotierten Masters werfen Fragen auf. Sogar sein spanischer Kontrahent sorgte sich um den Weltranglistendritten.
Schon im Halbfinale gegen Ben Shelton machten ihm die Umstände zu schaffen
Gegnerische Bälle ließ Zverev mitunter ohne Reaktion an sich vorbeirauschen. Angesichts der für alle im Stadion ersichtlichen Probleme des 28-jährigen Hamburgers spiegelte das vergleichsweise knappe 4:6, 3:6 die ungleichen Kräfteverhältnisse nicht wider. Dass die Partie nicht klarer ausging, war allein den vielen Aufschlagfehlern Alcaraz’ geschuldet. „Ich freue mich über das Finale, aber Sascha tut mir leid“, richtete Alcaraz aus: „Ich wünsche dir alles Gute“, schrieb er auf eine TV-Kameralinse.
Eine Woche vor Beginn der US Open, des letzten Grand Slams des Jahres, ist unklar, unter welchen Vorzeichen Zverev in Flushing Meadows antritt. Er muss herausfinden, wieso ihn sein Körper in gleich zwei Matches im Stich ließ. Denn schon im Viertelfinale gegen Ben Shelton (USA) knapp 24 Stunden zuvor hatten ihm bei Temperaturen um 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit offenbar die Umstände zu schaffen gemacht. „Im Moment geht es mir nicht so gut. Ich weiß nicht genau, was passiert ist“, hatte er nach dem Sieg über Shelton (6:2, 6:2) gerätselt. Noch zu Beginn des Matches habe er sich „so gut gefühlt wie wahrscheinlich seit Monaten nicht mehr“, dann fühlte er sich, je länger die Partie dauerte, zunehmend schlechter. Dennoch hatte er gehofft, im Halbfinale gegen French-Open-Sieger Alcaraz „wieder bei 100 Prozent zu sein“.
Das Finale bestreiten Alcaraz und Sinner
Zwar spielte er anfangs gut gegen den spanischen Weltranglistenzweiten, aber nach einer Stunde wurden körperliche Probleme offensichtlich. Beim Seitenwechsel setzte er sich auf die Bank; während Alcaraz das Hemd wechselte, lehnte er an der Wand; zwischen den Punkten bewegte er sich kraftlos. Trotzdem gelang ihm ein Re-Break im zweiten Satz. Wann immer möglich, legte er Eispackungen um seine Schultern. Schließlich nahm er beim Stand von 1:2 im zweiten Satz eine medizinische Pause und verließ den Platz. Nichts davon brachte Besserung. Als Alcaraz den Matchball übers Netz schlug, versuchte Zverev gar nicht mehr zu verteidigen.
„Es ist nie einfach, gegen jemanden zu spielen, der nicht bei 100 Prozent ist. Und im Fall von Sascha ist es noch schwieriger, denn er ist so ein guter Spieler und guter Typ. Wir haben ein großartiges Verhältnis“, sagte Alcaraz, dem der Zustand von Zverev nicht entgangen war: „Es war gutes Tennis, und dann hat er auf einmal angefangen, sich nicht gut zu fühlen.“ Er habe darüber nachgedacht, weshalb auch die Intensität und Konzentration seines eigenes Tennis etwas nachgelassen habe. Im Finale trifft Alcaraz nun wie bereits bei den French Open und in Wimbledon auf den Weltranglistenersten Jannik Sinner.
Zverev hatte sich in den vergangenen Wochen wieder in ausgezeichneter Form präsentiert. Nach der Enttäuschung über das Erstrunden-Aus in Wimbledon hatte er im Juli eine Turnierpause eingelegt und eine Weile bei Toni Nadal, dem früheren Coach von Rafael Nadal, auf Mallorca trainiert. Danach erreichte er in Toronto das Halbfinale, und auch in Cincinnati spielte er in den ersten Runden auf höchstem Niveau.

