US Open:Verwarnung fürs Umziehen - aber nur für Frauen

Lesezeit: 2 min

Alizé Cornet: Stand neun Sekunden ohne Shirt auf dem Platz - und wurde prompt verwarnt (Archivfoto) (Foto: dpa)
  • Die Französin Alizé Cornet bemerkt bei den US Open erst kurz vor Wiederbeginn ihrer Partie, dass sie ihr T-Shirt verkehrt herum übergeworfen hat. Sie zieht es aus und wieder an - und wird sofort verwarnt.
  • In der Männerkonkurrenz ist das Shirt-Wechseln auf dem Platz Normalität und wird nicht moniert.
  • Frauen dürfen also auf dem Platz keinesfalls das Hemd tauschen, müssen beim Seitenwechsel allerdings erstaunliche Verrenkungen durchführen, damit ihnen nicht andauernd direkt zwischen die Beine gefilmt wird.
  • Mittlerweile haben sich die US-Open-Veranstalter bei Cornet entschuldigt - und angekündigt, dass künftig auch die Spielerinnen ihr Hemd auf dem Platz wechseln dürfen.

Von Jürgen Schmieder, New York

Es gibt bei den US Open einen Typen, der kommt mit 15 übereinander gezogenen T-Shirts zu den Abendpartien ins Arthur Ashe Stadium, und während der Pause nach dem Ende eines Durchgangs, da reißt er sich diese Hemdchen vom Leib und fordert die anderen Zuschauer auf, ihn dabei anzufeuern und mal ordentlich auszurasten. Am Ende hat er nur noch ein weißes Shirt an, auf dem das inoffizielle Logo von New York aufgedruckt ist, diese Liebeserklärung an die Stadt mit dem roten Herzen zwischen den Buchstaben "I" und "NY", und wenn die Leute ganz besonders ausflippen, dann zieht er das auch noch aus und präsentiert seine Prachtwampe.

Am Dienstagabend führt der junge Mann mal wieder seinen Tanz auf, auf dem Platz amüsiert sich Roger Federer gar prächtig. Er hat selbst sein verschwitztes Shirt ausgezogen, es ist unfassbar heiß in New York, minutenlang zeigt er der Welt seine medusaartige Brustbehaarung. Beinahe gleichzeitig marschiert Radu Albot nach einer Toilettenpause mit nacktem Oberkörper zurück ins Louis Armstrong Stadion und verzückt die johlenden Zuschauer mit beeindruckenden Bauchmuskeln. Aktuelle Bilder von Rafael Nadals gestähltem Oberkörper sind beinahe täglich zu bestaunen, er wechselt sowohl beim Training als auch während der Partien häufiger das Leibchen.

Das führt nun zu Alizé Cornet, die sich auf Court 13 eine packende Partie mit Johanna Larsson liefert, wegen der Hitze gibt es nach dem zweiten Durchgang eine zehnminütige Pause. Cornet kehrte pünktlich und in frischen Klamotten zurück auf den Platz, sie bemerkt erst kurz vor Wiederbeginn, dass sie das T-Shirt verkehrt herum übergeworfen hat. Sie zieht es aus und wieder an, und für exakt neun Sekunden ist der schwarz-rote Sport-BH der Französin zu sehen. Das genügt dem Reglement des Frauen-Weltverbandes WTA zufolge für eine Verwarnung, die Schiedsrichter Christian Rask sogleich ausspricht.

Es geht bisweilen ordentlich sexistisch zu bei den US Open, sei es bei der Beurteilung der Leistungen beider Geschlechter durch (meist ältere und männliche) Zuschauer, aber auch bei dem, was die Leute zu sehen bekommen. Frauen dürfen also auf dem Platz keinesfalls das Hemd tauschen, müssen beim Seitenwechsel allerdings erstaunliche Verrenkungen durchführen, damit ihnen nicht andauernd direkt zwischen die Beine gefilmt wird. Bei der Partie von Maria Scharapowa am Dienstagabend dann führt der Kameramann während einer Spielpause erstaunliche Verrenkungen durch, und es wirkte, als sollten alle sehen können, was die Russin unter ihrem knappen Kleidchen trägt.

Wie heuchlerisch und sexistisch das alles ist, das ist einen Tag vor der Verwarnung für Cornet zu bestaunen. Simona Halep verlässt während der Partie gegen Kaia Kanepi den Platz, um ihr puderfarbenes Kleidchen den Regeln entsprechend in den Katakomben zu wechseln. Was sie nicht bemerkt: Ein Kameramann eilt hinterher, und deshalb können nicht nur ein paar Leute im Stadion sehen, was Halep darunter trägt, sondern Millionen von Menschen am Fernseher. Und niemand wird dafür verwarnt.

Mittlerweile haben sich die US-Open-Veranstalter übrigens bei Cornet entschuldigt - und angekündigt, dass künftig auch die Spielerinnen ihr Hemd auf dem Platz wechseln dürfen. Geht doch.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

US Open
:Frauentennis ist unvorhersehbar geworden

Es gibt mindestens ein Dutzend Spielerinnen, die die US Open in diesem Jahr gewinnen können. Das hat mit besserer Athletik zu tun. Und mit Mut.

Von Jürgen Schmieder, New York

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: