Naomi Osaka bei den US Open:Auf dem Weg zur bestbezahlten Sportlerin der Welt

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Die Titelverteidigung im Blick: Naomi Osaka. (Foto: John Minchillo/AP)
  • Naomi Osaka, die Weltranglistenerste und große Hoffnungsträgerin der Japaner bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio, hat ihr Verständnis des Tennissports geändert.
  • Seit ihrem Sieg bei den Australian Open im Januar hat sie jedoch kein Finale mehr erreicht.
  • Der frühere Basketballer Kobe Bryant unterstützt sie nun - er weiß, wie man schwierige Situationen übersteht.

Von Jürgen Schmieder, New York

Es gibt diesen einen Moment, in dem sich der Gesichtsausdruck von Naomi Osaka so krass verändert, dass der Beobachter allein dadurch erfährt, wie es ihr vor dem Start der US Open geht. Was sie besorgt. Warum sie in ihrem Smartphone eine Liste an Liedern angelegt hat, die den Titel "sad" trägt: traurig. Es ist Kids Day auf der Tennisanlage in Flushing Meadows, die Profis genießen diese Spielereien mit Kindern in New York, den unkritischen Jubel der Fans, diesen Spaß vor dem Ernst. Naomi Osaka lächelt, sie animiert die Leute ein wenig unbeholfen und wohl deshalb erfolgreich zum Start einer Welle. Dann bemerkt sie, dass ihr nun jemand ein paar Fragen stellen möchte. Die Mimik ändert sich innerhalb von einer Sekunde von fröhlich-gelassen zu gelangweilt-genervt und vielleicht auch zu traurig.

Gespräche mit Journalisten sind für die meisten Sportler wie ein Treppenhaus: muss man halt durch. Im Fall der US-Open-Siegerin des vergangenen Jahres bedeutet das allerdings einen Marsch vom Erdgeschoss bis zum Dach des Empire State Buildings in Manhattan. Jeder, wirklich jeder will etwas von ihr wissen: Wie sie dieses Finale 2018 gegen die 23-malige Grand-Slam-Siegerin Serena Williams erlebt habe. Ob sie ihre Kontrahentin begrüßen werde. Ob sie angesichts eher durchwachsener Ergebnisse zuletzt und einer Blessur am Knie ihre Erstrundenpartie an diesem Dienstag gegen Anna Blinkowa aus Russland auch verlieren könne. Ob sie wirklich so gut sei, wie alle glauben.

Osaka beantwortet diese Fragen wie immer schlagfertig und ehrlich. Sie sei doch sehr traurig gewesen über die Buhrufe der Zuschauer damals. Ja, die letzten Monate seien turbulent gewesen, aber sie sei nun fit und angesichts ihrer Leistungen im Training auch recht gelassen. Und: "Ich traue mich nicht, irgendwas zu Serena zu sagen. Sie wirkt immer beschäftigt, da will ich nicht unterbrechen." Ihr Gesichtsausdruck ändert sich nicht während dieser Pressekonferenz, es bleibt eine Mischung aus gelangweilt und genervt, und irgendwann, da sagt sie: "Ich weiß natürlich, wie gut ich es habe - aber es gibt eben auch Schattenseiten. Ein Traum ist für mich was Lockeres, ein Piña Colada am Strand zum Beispiel". Sie liege jedoch nicht Cocktail-schlürfend am Strand: "Ich bin hier."

Osaka könnte dieses Jahr die bestbezahlte Sportlerin der Welt werden

Eine Sportlerin, die kein großes Turnier gewonnen hat, darf sich darauf konzentrieren, dass es bald klappt mit bedeutsamen Erfolgen. Sie darf an Technik und Taktik feilen und auch an psychologischen Nuancen. Sie darf das wollen, was andere haben, Ruhm und Reichtum und Respekt. Naomi Osaka hingegen ist eine zweimalige Grand-Slam-Siegerin und damit eine bekannte Marke, sie soll das fröhliche Gesicht der Olympischen Sommerspiele 2020 in ihrem Heimatland Japan sein. Sie muss Sponsoren beglücken, und nebenbei soll sie weiterhin Spiele und Turniere gewinnen, um in der Tennisweltrangliste möglichst auf Platz eins geführt zu werden. Seit ihrem Sieg bei den Australian Open im Januar hat sie jedoch von 28 Partien gerade 17 gewonnen und kein Finale mehr erreicht.

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Osaka, 21 Jahre alt, erlebt nun diese Zeit, wenn aus der Berufung ein Beruf wird. Sie muss Werbeverträge erfüllen, sie hält zudem Anteile an drei Startups: einer Wellness-Firma, einem Getränke-Hersteller und einem Kopfhörer-Fabrikant. Stimmen die Prognosen des Finanzmagazins Forbes, dann könnte sie in diesem Jahr mit Einkünften von 30 Millionen Dollar die Vorjahresgegnerin Serena Williams als bestbezahlte Sportlerin der Welt ablösen. "Ich will nicht bis zum Ende meiner sportlichen Karriere damit warten, das nächste Kapitel meines Lebens zu beginnen", sagt sie über die Investments, die ihr der einstige Basketballspieler Kobe Bryant empfohlen hat. Beide werden von der Agentur Endeavor betreut, und Bryant soll Osaka nun auch bei der sportlichen Karriere helfen, denn: Eine Sportlerin, das erlebt sogar ein Selbstvermarktungsguru wie die russische Tennisspielerin Maria Scharapowa gerade, ist als Marke nur dann wertvoll, wenn sie möglichst häufig auf dem Platz zu sehen ist und nicht dauernd in den ersten Runden ausscheidet.

"Zwei Jahrzehnte lang wollten ihn die Leute jeden Abend fertigmachen", sagt Osaka über Bryant, der sich einst den Spitznamen Black Mamba gegeben hat mit der Begründung, dass er über die gleiche Mentalität verfüge wie dieses Tier und deshalb immun sei gegen all die Buhrufe: "Trotz all der Feindseligkeiten war er stets großartig. Das will ich auch schaffen, es kann dafür keinen besseren Lehrmeister geben als Kobe." Bryant sagt über Osaka: "Sie ist eine ehrgeizige Kämpferin, damit kann ich mich auf jeden Fall identifizieren."

Ihre Spielweise funktioniert nur mit permanentem Training

Es gibt Leute, die genießen oben auf dem Empire State Building erst einmal die Aussicht, und es gibt andere, die sogleich erkennen, dass es da noch ein paar andere Gebäude zu erklimmen gäbe in Manhattan. Osaka hat nach ihrem Sieg bei den Australian Open erklärt, dass sie dann doch erst einmal die Aussicht genießen und gerne auch Geschäftsfrau sein wolle, anstatt immer nur auf dem Platz zu üben und an die nächsten Turniere zu denken - auch deshalb kam es vermutlich zur Trennung von Trainer Sascha Bajin.

Mittlerweile hat sie bemerkt, dass ihre aggressive und riskante Spielweise nur dann funktioniert, wenn sie jeden Tag daran feilt, so wie auch Kobe Bryant das seine komplette Karriere über gehandhabt hatte: "Ich dachte, dass ich Pausen brauche und mal was anderes machen muss. Wenn ich allerdings nicht trainiere, dann denke ich, dass ich den ganzen Tag lang nichts getan habe. Ich will rausgehen und spielen, und ich will jeden Tag was lernen. Das ist Spaß für mich." Als sie das sagt, ändert sie ihre Mimik wieder. Sie lächelt.

© SZ vom 27.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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