Bei den US Open ist es ja Sitte, dass die Protagonisten der Partien am Abend vor ihrem Einsatz noch mal zwei Fragen im Gang fürs Fernsehen und die Zuschauer im Arthur Ashe Stadium beantworten müssen. Auch Botic van de Zandschulp, 28, der Niederländer aus Wageningen, ein guter Tennisprofi, der 2022 mal fast in den Top 20 stand als 22. der Weltrangliste, musste da durch. Die großen Worte mag er nicht so. „Ich muss mein Bestes spielen“, sagte van de Zandschulp, und dann fügte er an: „Hoffentlich ist er nicht bei hundert Prozent. Ich brauche heute Nacht ein bisschen Hilfe.“ Den Gefallen tat ihm Carlos Alcaraz.
Nach nur 2:20 Stunden Spielzeit hatten die US Open ihre bislang größte Überraschung erlebt, denn van de Zandschulp besiegte den Favoriten Alcaraz 6:1, 7:5, 6:4. Der Spanier, immer noch erst 21 Jahre jung, hatte fahrig und teils wild agiert, ohne Sicherheit in den Schlägen und mit schlechter Körpersprache.
US Open:Pas de deux mit Schleife
Naomi Osaka ist ein Weltstar im Tennis – die in Regensburg lebende Amerikanerin Simone Zitzelsberger-Elliott ist ihre Mentaltherapeutin und soll die junge Japanerin auf ihrem schweren Weg durch die Szene unterstützen.
Damit endete auch eine beeindruckende Strecke für den Spanier. Alcaraz hatte die beiden vergangenen Grand-Slam-Turniere gewonnen, die French Open in Paris und den Rasenklassiker in Wimbledon. Dazu kam noch Olympia-Silber Anfang August. Alcaraz wirkte müde, auch dies. Vielleicht war diese Strecke zu intensiv für ihn, auch wenn er nach seinem Erstrundensieg geschwärmt hatte, wie viel Energie ihm das spezielle, laute Publikum in New York gebe.
Alcaraz hatte 2022 bei den US Open seinen ersten von inzwischen vier Grand-Slam-Titeln gewonnen, am linken Trizeps hat er sich sogar ein Tattoo mit dem Datum des Finales stechen lassen, „11.09.2022“.
Van de Zandschulp habe „großartig“ gespielt, sagte Alcaraz
Das letzte Mal war Alcaraz 2021 in Wimbledon in der zweiten Runde eines Grand-Slam-Turniers ausgeschieden. Auf der Pressekonferenz nach seiner Niederlage meinte er, er wisse gar nicht, was er sagen solle. Dann sprach er aber weiter.
Van de Zandschulp habe „großartig“ gespielt, urteilte er. Der Niederländer hätte „nicht viele Fehler“ gemacht, was ihn verwirrt habe. Alcaraz, der in Summe weit entfernt von seiner Bestform war und bisweilen wie eine schlechte Kopie seiner selbst wirkte, gab zu, dass er den Ball nicht gut getroffen habe an diesem Abend. Und „als ich zurückkommen wollte, war es zu spät“. In seinem Kopf hätte eine Achterbahnfahrt stattgefunden während der Partie. „So kann es nicht sein“, räumte er ein und appellierte an sich selbst: „Ich muss daraus lernen.“
Auch ließ der Spanier durchklingen, dass er zu viel gespielt habe in jüngerer Zeit. „Der Tennisterminkalender ist eng“, sagte Alcaraz, „ich war zuletzt viel im Einsatz.“ Ihm habe die Energie gefehlt, auch sagte er: „Anstatt mental stärker zu werden, habe ich mich in dem Aspekt ein paar Schritte zurückentwickelt.“ Es waren erstaunlich offene, klare Bekenntnisse so kurz nach dem Aus.
Van de Zandschulp ist zweifellos ein Spieler, der nicht sehr bekannt ist, der aber schon seine Fähigkeiten bewiesen hat. 2021 hatte er bereits das Viertelfinale bei den US Open erreicht, er kann sehr mächtig und dominant spielen, wenn es läuft. Bei den BMW Open in München stand er zweimal im Finale, 2022 und 2023. Aktuell ist er die Nummer 74 der Weltrangliste.
Den ersten Matchball verwandelte er sofort, ihm gelang ein trockener Aufschlagwinner, er jubelte nicht, schritt gemächlich ans Netz und gab Alcaraz die Hand. Fast entschuldigte sich van de Zandschulp beim Publikum, das mehrheitlich für Alcaraz gewesen war. „Von Punkt eins an habe ich an meine Chance geglaubt“, sagte der Sieger: „Man sieht, wie es manchmal ausgehen kann.“