US Open:Stunde des Komödianten

Novak Djokovic zieht nicht nur in das Halbfinale der US Open ein, sondern hat dabei auch noch Zeit für ein paar Scherze. Das Publikum ist begeistert.

Josef Kelnberger

Novak Djokovic drückte seinen Rücken zum Hohlkreuz durch, ordnete die Schlägersaiten mit dem Rücken zum Spielfeld, stocksteif von einem Bein aufs andere hüpfend, wandte sich um, klemmte das nicht vorhandene lange, blonde Haare hinter die Ohren, tippte den Ball mehrmals auf Schulterhöhe auf, blickte unendlich dramatisch übers Netz, ehe er aufschlug - da war er Maria Scharapowa.

Als Novak Djokovic dann Rafael Nadal war, zupfte er seine Socken zurecht, zog die Schuhbänder nach, verstaute das nicht vorhandene lange, schwarze Haar unter dem Stirnband, sprintete mit kriegerischer Miene zur Aufschlaglinie, zog sich, bevor er aufschlug, in einer umfänglichen Prozedur die Hose aus dem Hintern und zupfte auch vorne an der Hose herum, um sich Luft zu verschaffen. Das Publikum brüllte vor Lachen, und die New York Times schrieb anderntags, allein dieser Auftritt des igelköpfigen Serben Novak Djokovic sei das Eintrittsgeld wert gewesen.

Das hat es bei den US Open noch nie gegeben, dass ein Spieler nach seinem Sieg noch den Komödianten für das Publikum gab. Das 6:4, 7:6 (7), 6:1 des Serben im Viertelfinale gegen den Spanier Carlos Moyá hatte die Sendezeit von USA Network nicht gefüllt, also fragte ihn Interviewer Michael Barkann, ob er nicht einige Parodien vorführen wolle. Djokovic ließ sich nicht lange bitten. Das Tennisleben ist derzeit ein einziger großer Spaß für den 20-Jährigen, der in diesem Jahr zur Nummer drei der Tenniswelt aufstieg. Carlos Moyá bescheinigte ihm hinterher Talent als Entertainer. "Wenn er es im Tennis zu nichts bringt, kann er auch so Karriere machen." Daran glaubt aber auch der Spanier nicht ernsthaft. "Wenn sich zurzeit jemand mit Roger Federer und Rafael Nadal messen kann, dann er", sagte Moyá.

Nun ist es an der Konkurrenz, dem Serben zu zeigen, wo der Spaß aufhört. Am Samstag, dem Super Saturday der US Open mit Männer-Halbfinals und Frauenfinale, ist der Spanier David Ferrer Gegner von Djokovic. Ferrer schaltete nach Rafael Nadal auch Juan Ignacio Chela aus, in der Form seines Lebens spielend. Doch ginge es nach dem Publikum, würde im Finale Djokovic Titelverteidiger Roger Federer herausfordern, der es im zweiten Halbfinale mit Nikolai Dawidenko zu tun hat.

Das wäre ein würdiger Abschluss der Hartplatzsaison, die im Zeichen der beiden stand, und aus Federers Sicht eine Gelegenheit, sich für die Niederlage im Finale von Montréal zu revanchieren. Dort hat der Serbe auf dem Weg zum Titel nacheinander Andy Roddick, Rafael Nadal und Roger Federer bezwungen; es war sein zweiter Sieg bei einem Masters-Turnier dieses Jahres nach jenem in Miami. Auch seine Bilanz bei den Grand-Slam-Turnieren wirkt imposant: Nachdem ihm Federer bei den Australian Open eine Lektion im Achtelfinale erteilt hatte, scheiterte er in Paris und Wimbledon erst im Halbfinale an Nadal.

Angriff auf die Nummer eins

Novak Djokovic macht kein Geheimnis daraus, dass er Grand-Slam-Titel gewinnen und Nummer eins werden will. Wie Ana Ivanovic und Jelena Jankovic erlernte er das Spiel inmitten der jugoslawischen Kriegswirren und erhielt den Feinschliff im Ausland. So kindlich er abseits des Platzes wirken mag, so konzentriert und entschlossen geht er im Spiel zu Werke. Kaum ein Spieler bewegt sich geschmeidiger als er, kaum einer wählt seine Schläge so raffiniert.

Er verfügt über Power, und er verfügt die Intelligenz, diese Power effizient einzusetzen. Noch sei Djokovic kein ernsthafter Bewerber um die Nummer eins, sagte in New York Roger Federer, erst müsse er ein Grand-Slam-Finale erreichen. Genau das hat Djokovic nun im Sinn. Womöglich wird der Serbe dann selbst bald Gegenstand von Parodien. Seine Marotte ist es, den Ball vor dem Aufschlag mit der linken Hand gefühlte tausend Mal auf den Boden zu werfen und wieder aufzufangen. Je enger der Spielstand, je wichtiger der Punkt, desto länger das Tiptiptiptiptip.

Er wolle mit seinen Parodien nur das Publikum unterhalten und selbst ein wenig Spaß haben, sagt Novak Djokovic, niemanden beleidigen. Ob es auch einen Spieler gebe, den er nicht zu parodieren wage, wurde er am Donnerstag gefragt. "Nun", sagt er, "den Unantastbaren, Roger. Er ist zu perfekt."

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