US Open:Nicks Zirkus

US Open: Nick Kyrgios, 24, aus Canberra ist die Nummer 30 der Weltrangliste. Er hat in seiner Karriere sechs Turniere gewonnen, zuletzt in Washington.

Nick Kyrgios, 24, aus Canberra ist die Nummer 30 der Weltrangliste. Er hat in seiner Karriere sechs Turniere gewonnen, zuletzt in Washington.

(Foto: Elsa/GETTY/AFP)

In New York hat sich der talentierte australische Tennisprofi Kyrgios eine Eskapade zu viel geleistet - nun droht ihm eine lange Sperre.

Von Jürgen Schmieder, New York

Aus aktuellem Anlass ein paar Dinge, die Nick Kyrgios in den vergangenen Wochen so erlebt hat: Turniersieg in Washington. Erstrunden-Niederlage in Montreal. Frühes Aus in Cincinnati, bei dem er während einer Toilettenpause zwei Schläger zertrümmert, den Schiedsrichter beschimpft und offenbar auch in dessen Richtung spuckt. Reaktion auf die Strafe in Höhe von 113 000 Dollar nach dem ersten Sieg in New York: "Die ATP ist sowieso korrupt." Entschuldigung auf sozialen Netzwerken, nachdem der Männerverband und die Spielergewerkschaft jeweils Ermittlungen eingeleitet hatten. Es droht eine lange Sperre, die vermutlich erst nach den US Open verkündet wird.

Vor der Zweitrundenpartie gegen Antoine Hoang (Frankreich) am Donnerstag, die Kyrgios 6:4, 6:2, 6:4 gewann, debattierte er mit dem Schiedsrichter, ob er mit aufgestelltem Hemdkragen inklusive Werbebotschaft ("Just Do You") spielen darf, er lässt deshalb sogar den Oberschiedsrichter kommen. Dessen Urteil: Kragen runter. Gegen Ende der Partie muss der Supervisor erneut kommen, Kyrgios echauffiert sich heftig über eine späte Entscheidung seines Gegners, den Videobeweis anzufordern. Urteil: Hoang und Schiedsrichter haben regelkonform gehandelt.

Es passiert bei Kyrgios derart viel in nur einem Monat, dass es für acht Tennisleben reichen würde - wie bei einem Teenager, der innerhalb einer Woche auch so viel erlebt (Stress in der Schule, Stress mit der Freundin, Stress mit den Eltern), dass es für acht Leben reicht. Es gibt aber auch den freundlichen Kyrgios, der Zuschauer um Tipps bittet und der Balljungen fragt: "Muss ich was ändern?" Der, und das ist wahrlich nicht von vielen Tennisprofis zu hören, stets "Bitte" und "Danke" sagt, wenn ihm ein Handtuch gereicht wird. Der seinen Gegnern zu schönen Schlägen gratuliert und Kollegen auf Twitter feiert. Der nicht nur Autogramme schreibt, sondern auf der Anlage mit Kindern spielt.

Nick Kyrgios, 24, ist ein unfassbar begabter Tennisspieler, der jedoch zugibt, dass er sich nicht so anstrengt wie andere Spieler - aus Angst zu erfahren, dass er vielleicht doch nicht so begabt ist, wie er und viele andere glauben. Er ist unterhaltsam, keine Frage, aber er kann sich und diesem Sport auch schaden. Rafael Nadal schimpfte den Australier "respektlos", sein Erstrundengegner Steve Johnson aus den USA fragte ihn während der Partie: "Spielen wir verdammt noch mal Tennis, oder ziehst du hier nur eine verdammte Show ab?" Wie soll man umgehen mit diesem Nick Kyrgios, der sich immer wieder zur Zirkusnummer macht?

Boris Becker, vertraut mit Emotionen auf dem Platz, sagt: "Es wird bei ihm zu viel über Dinge geredet, die nichts mit Gewinnen oder Verlieren zu tun haben. Es gab zu meiner Zeit auch wilde Typen, die sich noch viel schlimmer benommen haben als Nick - die haben aber auch Wimbledon oder die US Open gewonnen. Ich kann ihn erst dann ernst nehmen, wenn er bei großen Turnieren das Halbfinale erreicht." Na, dann: Bis nächsten Freitag, Nick. Oder auch nicht.

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