US Open - Männer:In der Mittagshitze

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Spürt in New York wieder Respekt: der Kroate Marin Cilic. (Foto: Andrees Latif/Reuters)

Marin Cilic, Vorjahressieger bei den US Open, wurde in New York bisher ignoriert. Jetzt trifft der Kroate im Halbfinale auf Novak Djokovic.

Von Jürgen Schmiederer, New York

"Stolz". Das war das Wort, das Marin Cilic am Dienstagabend in den Katakomben des Arthur-Ashe-Stadions immer wieder sagte, auf Englisch, auf Kroatisch. Stolz - es solle bloß niemand von "Erleichterung" schreiben. Ja, er habe beim spannenden 6:4, 6:4, 3:6, 6:7 (3), 6:4 gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga gleich mehrere Matchbälle vergeben und einen fünften Satz zugelassen, doch sei er nicht erleichtert über den Sieg am Ende. "Gegen einen wie Tsonga bei diesen schweren Bedingungen zu gewinnen, ist eine großartige Leistung", sagte Cilic: "Ich habe ein paar Partien gebraucht, um meinen Rhythmus zu finden, doch jetzt treffe ich den Ball richtig gut." Also sei er stolz darauf, noch in jener Phase des Turniers dabei zu sein, in der es, wie Roger Federer es ausdrückt, "ums Geschäft geht".

An den ersten neun Tagen sind die US Open eine unübersichtliche Veranstaltung, bis auf die wenigen Konstanten (die beinahe unerträgliche Hitze am Nachmittag, Siege von Serena Williams sowie Niederlagen der deutschen Teilnehmer) passieren auf den 17 Plätzen derart viele Dinge, dass selbst aufmerksame Beobachter hin und wieder etwas verpassen und sich dann verwundert die Augen reiben, wenn sie davon erfahren. Etwa dies: Die Veranstalter hatten dem 26 Jahre alten Kroaten bislang keine einzige Partie zur besten Sendezeit gegönnt, also mühte er sich jeweils in der Nachmittagshitze um den Einzug in die nächste Runde.

Gegen Djokovic hat er bisher stets verloren - was nichts heißen muss

Das ist ungewöhnlich für jemanden, der dieses Turnier ein Jahr zuvor gewonnen hatte. So einen führen sie normalerweise am Abend vor, während der so genannten Night Sessions. Ganz offensichtlich jedoch sahen die Verantwortlichen Cilic nicht als Favoriten, die Partien nach Sonnenuntergang bestritten Rafael Nadal, Andy Murray, Nick Kyrgios, John Isner. Die sind nun allesamt weg, Cilic ist noch immer dabei. "Natürlich sind da ein paar große Namen ausgeschieden", sagt er: "Doch wer im Viertelfinale noch dabei ist, der spielt gutes Tennis und hat es auch verdient." Freilich meint er damit seinen Gegner im Halbfinale, Novak Djokovic, er meint Roger Federer, Stanislas Wawrinka und Kevin Anderson. Er meint aber auch sich selbst.

Cilic wirkt ruhig und gelassen, wenn er die Fragen beantwortet, er lächelt freundlich und lässt sich Zeit für seine Antworten - doch wenn er dann immer wieder Worte wie "großartige Leistung", "mental stark" und eben auch "Stolz" einfließen lässt, dann gibt er zu erkennen, dass er schon etwas beweisen möchte bei diesen US Open. Den Zuschauern, den Gegnern, sich selbst. Nach dem überraschenden Turniersieg im vergangenen Jahr riefen nicht wenige das Ende der so genannten Großen Vier (Federer, Djokovic, Nadal, Murray) aus und erklärten, dass Cilic, Wawrinka und Kei Nishikori eine neue Ära im Männertennis würden beginnen können. Dann jedoch verletzte sich Cilic an der Schulter, er musste mehrere Monate lang pausieren und die Teilnahme an den Australian Open absagen. Er kam zurück und wollte beweisen, dass er tatsächlich zu denen gehört, die dabei sein müssen, wenn es bei Turnieren ums Geschäft geht. Doch er verlor, immer wieder, in Indian Wells, Barcelona und Rom gar in der ersten Runde - und je mehr er verlor, desto verkrampfter wirkte er. Er erreichte in diesem Jahr bislang kein Finale und gewann bis zu den US Open gerade einmal 58 Prozent seiner Partien, das ist seine schlechteste Bilanz seit neun Jahren. "Als ich nach New York gekommen bin, habe ich bemerkt, dass ich nicht nur von den anderen Spielern, sondern auch von den Menschen drumherum respektiert werde. Es ist ein gewaltiger Unterschied zu den Jahren zuvor, das genieße ich." Er gewann, immer wieder, auch die Fünf-Satz-Matches gegen Mikhail Kukushkin und Tsonga: "Ich weiß jetzt, dass ich solche Partien körperlich und mental durchhalten kann. Darauf bin ich stolz."

Cilic trifft nun im Halbfinale auf Djokovic, der sich mit 6:1, 3:6, 6:3, 7:6 (2) gegen Feliciano López durchsetzte. Der Serbe gehört zu den Konstanten, wenn es ums Geschäft geht bei einem bedeutenden Turnier, zudem hat er bislang alle 13 Partien gegen Cilic gewonnen. "Wenn man sich die Statistik ansieht, dann bin ich nicht gerade der Favorit", sagt Cilic: "Ich habe anscheinend noch nicht die richtige Formel gegen ihn gefunden." Aber: 2014 spielte Cilic im US-Open-Halbfinale gegen Federer, den er zuvor noch nicht besiegt hatte. Er gewann in drei Sätzen, der Schweizer sagte danach resigniert, dass er nicht viel ausrichten könne gegen einen, der so spielt wie sein Gegner an jenem Tag. Auf dieses Lob von Federer war Cilic besonders stolz - und gewann das Turnier.

© SZ vom 10.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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