Serena Williams:Läuft nach Plan

Serena Williams besiegt ihre Schwester Venus überdeutlich - und zeigt, dass ihr Comeback voll auf die US Open ausgelegt war.

Von Jürgen Schmieder, New York

Wer es noch nicht wusste, der weiß es allerspätestens jetzt: Die Rückkehr von Serena Williams nach ihrer Babypause ist einzig auf dieses eine Turnier ausgelegt gewesen, auf die US Open in New York, zum einjährigen Lebensjubiläum ihrer Tochter Olympia ein paar Tage vor dem Endspiel. Natürlich hat ihre Mutter das Wimbledon-Finale gegen Angelique Kerber (3:6, 3:6) nicht absichtlich verloren, und sie hat sich kürzlich in San José auch nicht vorsätzlich von Johanna Konta (England) mit 1:6, 0:6 vom Platz prügeln lassen. Dafür gab es jeweils nachvollziehbare Gründe, Kerbers außerordentliche Form in London zum Beispiel oder die Entlassung des Mörders von Williams' Halbschwester Yetunde Price ein paar Stunden vor der Partie gegen Konta.

Aussagen aus ihrem Umfeld, vor allem aber auch die Drittrundenpartie gegen ihre Schwester Venus am Freitagabend zeigen eindeutig, dass der Masterplan dieses Comebacks einen Erfolg bei diesem Turnier nicht nur wünscht, sondern vorsieht. Sie endete 6:1, 6:2 und war nicht annähernd so spannend, wie es das Ergebnis vielleicht vermuten lässt. "Es gibt mehr im Leben als nur Tennis", sagte Serena danach: "Ich bin jetzt viel weiter als zu Beginn meines Comebacks. Das war mein bestes Match seit meiner Rückkehr - und ich hoffe, dass sich die harte Arbeit nun auszahlt."

Serena Williams: Voll fokussiert: Auch im Schwesterduell mit Venus lässt Serena Williams keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie bei den US Open nichts als den Titel im Sinn hat.

Voll fokussiert: Auch im Schwesterduell mit Venus lässt Serena Williams keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie bei den US Open nichts als den Titel im Sinn hat.

(Foto: Eduardo Munoz Alvarez/AFP)

Die Partie war auch deshalb so auffällig einseitig, weil sich davor Rafael Nadal (Spanien) und Karen Chatschanow (Russland) viereinhalb Stunden lang bekämpft hatten und absolut auf Augenhöhe begegnet waren. Es war eine Schlacht mit 318 Ballwechseln, von denen 318 in Erinnerung bleiben dürften. Chatschanow trieb Nadal an den Rand der Niederlage - nein, er hatte ihn eigentlich schon über diesen Abgrund hinweg geschubst, doch Nadal verhielt sich wie die Figur in einem Zeichentrickfilm, die ohne Boden unter den Beinen zu strampeln beginnt und sich irgendwie zurück zum Massiv rettet. Nadal gewann diese grandiose Partie mit 5:7, 7:5, 7:6 (7), 7:6 (3) - aber nicht ohne im vierten Durchgang einen Satzball abzuwehren, mit dem der Russe das über vier Stunden währende Epos in die Verlängerung hätte schicken können.

Ihr bescheidenes Motto: Greatest Mother of All Time

Dann folgte, was für ein Downer, der einseitigste Sister Act in der langen Geschichte der Sister Acts.

Serena Williams ist Tennisspielerin, sie ist aber auch eine Unternehmerin, die sich geschickt zu vermarkten weiß und ihren Alltag als Mutter jedem unterbreitet, der sich nicht rechtzeitig ins Ausland absetzt. Sie inspiriert zahlreiche Mütter mit ihren Erfolgen, gewiss, aber sie weiß offenbar auch, dass es sich da um eine kaufkräftige Zielgruppe handelt: Sie kehrte nicht zufällig am Weltfrauentag im März auf die Tour zurück, auf riesigen Reklametafeln stand damals beim Turnier im kalifornischen Indian Wells: The greatest mother of all time. Die "großartigste Mutter aller Zeiten" hatte dort auch einen eigenen Stand auf der Anlage, sie bot für 15 Dollar goldene Anstecker des Buchstabens "S" feil und behauptete ohne Schamröte im Gesicht, dass dies weniger mit ihr zu tun habe als vielmehr allen Frauen als Ansporn dienen solle.

2018 US Open - Day 5

Große Schwester und Nebendarstellerin: Venus gratuliert Serena zum deutlichen Sieg.

(Foto: Julian Finney/AFP)

Die Kalifornierin passt prima nach New York, die US Open sind der vorläufige Endpunkt der Evolution des Sportkapitalismus. Alles bei diesem Turnier ist aufs Geldverdienen ausgerichtet, und auch spontan wird jede Gelegenheit zur Steigerung der Einnahmen verwendet. Als zu Beginn des Turniers etwa bekannt wurde, dass sie bei den French Open im kommenden Jahr nicht mehr dieses schwarze Catsuit-Kostüm verwenden darf (Williams hat seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr das gleiche Outfit bei der nächsten Version eines Grand-Slam-Turniers getragen), kreierte ihr Ausrüster sogleich eine Anzeige mit der (frei übersetzen) Ansage: "Du kannst einer Superheldin den Anzug wegnehmen, aber nicht ihre Superkräfte." Williams bedankt sich nach jeder Partie brav bei diesem Ausrüster, und sie wirbt auch für jene Firma, dessen Name auf dem Dach des Arthur Ashe Stadiums zu sehen ist.

Sie genießt Sonderstatus - spielt aber in New York auch exzellentes Tennis

Es ist vieles bei diesem Turnier darauf ausgelegt, dass Williams ihren 24. Grand-Slam-Titel gewinnt, von den Ansetzungen der Partien (Williams spielte bislang als Einzige, ob Männer oder Frauen, stets am Abend im Arthur Ashe Stadium) bis zu Sonderbehandlungen bei Terminen abseits des Platzes. Auf dem Court allerdings agiert Williams außerordentlich, sie spielt aggressiv und dennoch mit wenigen Fehlern, die ehemalige Weltklasse-Spielerin Chris Evert nannte das am Freitagabend "Vintage Serena". Die alte Serena - im besten Wortsinn.

Den anderen Spielerinnen kann das nicht gefallen, vor allem die Sonderbehandlungen neben dem Platz - aber was sollen sie machen? Kaia Kanepi (Estland), die 6:3, 7:6 (3) gegen Rebecca Peterson (Schweden) gewann, soll am Sonntag nur die brave Nebendarstellerin geben, so wie es Serenas Schwester Venus am Freitagabend getan hat. Ob die Estin das tatsächlich tun wird, ist allerdings zu bezweifeln: Kanepi hat bei diesen US Open schon einmal die Spielverderberin gegeben, als sie in der ersten Runde die topgesetzte Simona Halep (Rumänien) besiegte.

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