US Open:Ein wirklich überraschendes Halbfinale

US Open: Wut bringt auch nichts: Es hat nicht gereicht für Nick Kyrgios.

Wut bringt auch nichts: Es hat nicht gereicht für Nick Kyrgios.

(Foto: Frank Franklin II/dpa)

Der nächste Favorit ist raus: Nick Kyrgios zeigt alle Facetten des Kyrgios-Wahnsinns, verliert aber. Also stehen Karen Chatschanow und Casper Ruud im Halbfinale. Darauf dürften nur wenige getippt haben.

Von Jürgen Schmieder, New York

Diesmal verblüffte Nick Kyrgios seinen Gegner schon vor der Partie. Der Russe Karen Chatschanow ist ein leidenschaftlicher Schachspieler, weil es beim Schach wie beim Tennis darauf ankommt, dem Gegner gedanklich zwei Züge voraus zu sein. Er wusste natürlich, dass er bei seinem australischen Gegner auf alles vorbereitet sein muss, aber damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet: Sie trafen sich am Netz für Münzwurf, Handtuchkübel-Wahl und Foto, da nahm Kyrgios seinen Kaugummi aus dem Mund und klebte ihn an die Netzkante. Einfach so, und keiner sagte was.

Es war allerdings die einzig wirklich verblüffende Aktion von Kyrgios in diesem Viertelfinale, anderes hatte man schon gesehen und konnte damit rechnen: Durch-die-Beine-Schläge, Pöbeleien gegen die eigene Gefolgschaft samt Freundin, Debatten mit dem Schiedsrichter und die Ankündigung, bereits im ersten Satz so heftig an der linken Wade verletzt zu sein, dass ein Weiterspielen unmöglich sei. Er hielt dann aber freilich fünf Sätze durch. In denen zeigte er erstklassige, höchst raffinierte Aufschläge, seine donnernde Rückhand die Linie entlang, eine gefühlvolle Stopp-Lob-Kombination. Das komplette Repertoire.

US Open: Überraschend unter den letzten vier: der Russe Karen Chatschanow.

Überraschend unter den letzten vier: der Russe Karen Chatschanow.

(Foto: Charles Krupa/dpa)

Dass Kyrgios, 27, diese Partie dennoch 5:7, 6:4, 5:7, 7:6 (3), 4:6 verlor, lag nicht an ihm. Und es klingt verblüffend: Kyrgios verlor, und er hatte sich nicht selbst besiegt. Er unterlag ganz einfach einem Gegner, der an diesem Abend noch besser war. Chatschanow, 26, servierte ein ganz klein wenig besser als Kyrgios; er setzte seine wuchtige Vorhand ein klein wenig effektiver und in entscheidenden Momenten auch ein wenig cleverer ein. Und er reagierte auf die Wahnsinnsschläge des Gegners, der damit das Publikum und sich selbst elektrisiert, mit einer gelassenen Habe-ich-erwartet-Haltung - und dann servierte er oft ein Ass.

Es sind eigenartige US Open, weil quasi in jeder Runde einer wegbricht, der auf Tippzetteln als Sieger vermerkt ist: Stefanos Tsitsipas gleich zu Beginn, dann Hubert Hurkacz, Daniil Medwedew, Rafael Nadal - was zur interessanten Konstellation führte, dass schon vor den Viertelfinalpartien klar war, dass da jemand sein erstes Grand-Slam-Turnier gewinnen wird.

Auf der Anlage sagten fast alle, dass dies Kyrgios sein würde; oft mit dem Zusatz, das von Anfang an gewusst zu haben. Nun ist auch der Australier raus, und das führt zur Partie Chatschanow gegen Casper Ruud, 23, aus Norwegen am Freitag; der Finalist der French Open hat Matteo Berrettini (Italien) in drei Sätzen glatt geschlagen. Wer bei einem Tippspiel dieses Halbfinale eingetragen hat, dürfte die Mitspieler mehr verblüfft haben als Kyrgios alle mit seinem Kaugummi an der Netzkante.

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