US Open:Kerber gibt ein trauriges Bild ab

  • Titelverteidigerin Angelique Kerber ist bei den US Open bereits in der ersten Runde ausgeschieden.
  • Die 29-jährige Kielerin verlor am Dienstag in New York überraschend gegen die 19 Jahre alte Weltranglisten-45. Naomi Osaka aus Japan 3:6, 1:6.
  • Kerber wird in der Weltrangliste damit aus den Top Ten fallen und bei den kommenden Turnieren nicht als Favoritin geführt werden.

Von Jürgen Schmieder, New York

Angelique Kerber wollte einfach nur weg. Sie schüttelte ihrer Gegnerin Naomi Osaka (Japan) nach der 3:6, 1:6-Niederlage in der ersten Runde die Hand, schnappte sich ihre Tasche, verschwand in den Katakomben des Arthur Ashe Stadium - inoffiziellen Berechnungen zufolge hat in der Geschichte des seit 1881 ausgetragenen Turniers noch niemand so flink einen Tennisplatz verlassen. Es war ein trauriges, ja deprimierendes Bild. "Das war heute nicht mein Tag", sagte Kerber kurz darauf in den Katakomben: "Es ist wie im Leben: Manchmal läuft es gut, manchmal läuft es eben nicht."

Sport wird häufig über Bilder erzählt. Sie sind Dokumentation und Beweis, manchmal Tarnung und Täuschung, sehr oft sind sie für den emotionalen Teil einer Geschichte verantwortlich: Muhammad Ali, wie er sich über Sonny Liston lehnt. John McEnroe, wie er in Wimbledon den Schiedsrichter beschimpft. Matthias Steiner, wie er bei Olympia 2008 das Bild seiner verstorbenen Frau hochhält. Es gibt auch drei Bilder von Angelique Kerber bei den US Open, die eine außerordentliche Geschichte erzählen.

Das erste stammt aus dem September 2015: Kerber hatte eine wahnwitzige Leistung gegen Viktoria Asarenka geboten, es war eine der besten Tennispartien des Jahres, und Asarenka sagte danach mit zittrige Stimme: "Es ist eines der herausragenden Gefühle in meinem Leben, an so einem Spiel beteiligt gewesen zu sein." Kerber hatte verloren, 5:7, 6:2, 4:6, sie haderte mit sich und dieser Sportart und der ganzen Welt. Sie sah aus wie jemand, der in seinem Leben nie wieder einen Tennisschläger berühren möchte. Ein paar Monate später, nach dem Scheitern bei den WTA Finals in Singapur, schickte sie eine SMS an die Bundestrainerin mit dem Inhalt: "Es soll einfach nicht klappen mit mir, oder?"

Vielleicht wird ihr das Rampenlicht zu viel

Sie schwor sich dann bald, sich nie wieder über Auslosungen und andere Dinge zu beklagen, die sie ohnehin nicht beeinflussen kann. Wenige Monate später gewann sie die Australian Open und sprang in einen Fluss. Doch das spektakuläre Bild entstand wieder von den US Open: Da stand sie vor dieser gewaltigen Weltkugel mit dem herrlichen Namen Unisphere, sie hatte das Turnier gewonnen und war zur Nummer eins der Weltrangliste aufgestiegen. Wer bekommt in seinem Leben schon über eine allgemein anerkannte Liste quasi notariell bestätigt, dass es auf der ganzen Welt niemanden gibt, der bei der gleichen Tätigkeit noch besser ist?

Kerber war in diesem Jahr zudem die Titelverteidigerin bei zahlreichen bedeutsamen Turnieren - und vielleicht wird das einem Menschen, der gar nicht mal so gerne im Rampenlicht steht, auch irgendwann etwas zu viel. Sie gewann in dieser Saison kein Turnier, nur in Monterrey stand sie im Finale, bei den Grand Slams kam sie nicht übers Achtelfinale hinaus. Nun scheiterte sie in der ersten Runde, und ihre Leistung war wirklich so, wie sich das Ergebnis liest. Es bleibt das Bild, wie sie den Platz verlässt. Schnell, mit gesenktem Haupt.

Kerber wird in der Weltrangliste aus den Top Ten fallen, sie wird bei den kommenden Turnieren nicht als Favoritin geführt werden. Vielleicht ist das auch ganz gut. Sie sagt: "Ich weiß, dass ich stark bin und dass ich stärker zurückkommen werde." Sie kann bald wieder völlig neue Bilder produzieren.

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